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Frauen müssen auch in den beiden Potsdamer Krankenhäusern vorerst ohne Anwesenheit der Väter entbinden.  

© Daniel Karmann/dpa

Betretungsverbot auf Geburtsstationen: Ohne Vater in den Kreißsaal

Für Potsdams Geburtsstationen der Krankenhäuser gilt wegen der Coronakrise Betretungsverbot. Hebammen wollen Online-Kurse anbieten.

Für Familien, die ein Kind erwarten, ist es eine bittere Nachricht in Zeiten der Coronakrise: Für die Geburtsstationen der Potsdamer Krankenhäuser gilt nun seit Freitag ein Betretungsverbot für Angehörige von Schwangeren. Damit können Väter nicht mehr direkt bei der Geburt ihrer Kinder dabei sein. „Um das Infektionsrisiko für Patientinnen, Neugeborene und Mitarbeitende gering zu halten, gilt im Kreißsaal und der Mutter-Kind-Station ein Besuchs- und Begleitverbot. Das bedeutet leider, dass werdende Väter ihre schwangeren Frauen weder vor, während, noch nach der Geburt begleiten oder besuchen dürfen. Dies gilt für alle Geburten“, heißt es auf der Internetseite des kommunalen Klinikums „Ernst von Bergmann“. Damit gelten in Potsdam striktere Regelung als in Brandenburg: Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte am Sonntagabend, dass der Besuchsverbot für Väter "in der Regel" gewährt werden soll.

Das Risiko einer Infizierung von Hebammen und medizinischem Personal sei zu groß

Die Potsdamer Regelung verteidigte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) noch am Samstag vor Journalisten. Das Risiko, dass Hebammen und medizinisches Personal sich mit dem Coronavirus infizieren könnten, sei zu groß, sagte Schubert. Er wisse als Vater zweier Kinder, deren Geburt er erleben durfte, was mit diesem Verbot den Müttern und Vätern abverlangt werde. Doch es gehe nicht anders, die Sicherheit gehe vor. „Lassen Sie bitte die Hebammen ihre Arbeit allein machen.“ Er mahnt zudem: „Es hilft niemandem, wenn diese Arbeit noch behindert wird durch Konfliktsituationen an den Kreißsälen.“

Offenbar hatten sich einige Familien massiv über das Vorgehen geärgert – das aus Sicht der Stadtspitze unerlässlich ist, damit die Hebammen sich nicht anstecken und womöglich ausfallen, was die Versorgungssicherheit für andere Schwangere gefährden könnte.

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Auch vom Klinikum hieß es, die Entscheidung für dieses Verbot sei sehr schwer gefallen: „Wir wissen, dass dieser Schritt für alle werdenden Eltern eine große Enttäuschung bedeutet. Unsere Hebammen und Ärzte setzen auch weiterhin alles daran, Sie liebevoll durch die Geburt zu begleiten.“

Väter sollen per Video bei der Geburt dabei sein

Auch Benjamin Stengl, der Sprecher des Josefs-Krankenhauses, sagte den PNN, die Entscheidung sei schweren Herzens gefallen, aber der Vernunft geboten, auch um die Mitarbeiter zu schützen. „Wir werden versuchen, mit technischen Möglichkeiten wie Facetime die Väter soweit es geht teilhaben zu lassen.“

Auf die Corona-Krise reagieren auch Potsdams Geburtshäuser und freie Hebammen. „Es finden derzeit keine Kurse statt. Wann es wieder weiter geht, wissen wir zum momentanen Zeitpunkt gar nicht“, teilte Hebamme Ulrike Bassenge vom Geburtshaus am Neuen Garten auf PNN-Anfrage mit.

Alle Geburtsvorbereitungskurse abgesagt

Auch im Geburtshaus Apfelbaum in Babelsberg sind alle Kurse abgesagt. Sonst kommen pro Woche etwa 40 Schwangere zu Geburtsvorbereitung, Yoga und Gymnastik, etwa 100 Frauen nach der Geburt zu Rückbildungsgymnastik, Babymassagen oder Stillgruppen. Diese Gemeinschaft fehle den Frauen, sagte Hausleiterin Claudia Krönke den PNN: „Jetzt sitzt jede halt für sich alleine zu Hause.“ Bedauerlich sei vor allem, dass nun auch keine Geburtsvorbereitungskurse stattfinden können.

Hier lassen sich viele Hebammen aktuell alternative Online-Angebote einfallen. Seit wenigen Tagen ist bekannt, dass die Krankenkassen auch für Onlinekurse die Gebühren übernehmen. Die freiberufliche Hebamme Carolin Habermann bietet so nun ab dem kommenden Wochenende einen Online-Kurs mit vier Terminen an. Die Frauen und Männer sollen live dabei sein, können sich die Kurseinheit aber auch wiederholt ansehen. Zwar ist eine direkte Ansprache und Begegnung dabei nicht möglich, allerdings können Frauen dadurch bestimmte Übungen und Praktiken, beispielsweise zur Entspannung, wiederholt zu Hause durchführen, so Habermann. Ein weiterer Vorteil sei es aus ihrer Sicht, dass man überall und ohne Fahrweg mitmachen kann und mehr Teilnehmer möglich sind.

Online-Ersatz für die Kurse ist geplant

Solche Kurse seien sehr wichtig, damit sich die Frauen mit dem Thema Geburt intensiver auseinandersetzen, so Habermann: „Eine gute Vorbereitung auf eine Geburt ist unter anderem ausschlaggebend für ein positives Geburtserlebnis.“ Für eine selbstbestimmte Geburt müsse man zunächst wissen, was auf einen zukomme, was man möchte und was nicht. Diese Dinge könnten bei den normalen medizinischen Vorsorgeterminen beim Frauenarzt meist nur am Rande besprochen werden.

Auch im Geburtshaus Apfelbaum soll es demnächst Online-Geburtsvorbereitung geben, so Krönke. Und: Die Vor- und Nachsorge von Schwangeren und Wöchnerinnen durch Hausbesuche sei gesichert und finde weiterhin statt. Dabei würden körperliche Kontakte, wo es geht, eingeschränkt. „Um den Nabel zu kontrollieren, muss ich das Kind nicht anfassen“, so Krönke. Vieles lasse sich auch am Telefon besprechen. Bei Stillproblemen wiederum ist der persönliche Kontakt meistens unabdinglich. Krönke: „Wir achten dabei auf Hygiene, arbeiten mit Mundschutz und Desinfektionsmitteln. Allerdings sind auch wir von aktuellen Lieferengpässen betroffen.“ Bei aller Vorsicht wegen des Virus’ betonen Hebammen wie Habermann: „Schwangere und Kinder gelten zur Zeit nicht als Risikogruppe“. Auch die meisten Frauen seien entspannt, so Krönke.

Hebamme Krönke kritisiert die Entscheidung

Allerdings sorgen sich Betroffene dennoch. „Wir hätten uns gerne die Geburtsstation vorher angeschaut, das ist nun nicht mehr möglich“, sagte eine Potsdamerin, die im Juni ihr erstes Kind erwartet, den PNN. Bis dahin werde sich die Situation hoffentlich entspannen. Dass bis auf weiteres die Väter bei der Geburt nicht dabei sein können, hält sie jedoch für das größere Problem. Eine Geburt sei schließlich ein einmaliger Moment. Hebamme Krönke sagte aber auch: „Eine Geburt sollte auch unter diesen aktuellen Umständen etwas Normales bleiben. Vielleicht sogar etwas besonders Schönes, weil es uns zeigt, wie schön das Leben ist, und dass es weitergeht.“ (mit SCH)

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