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Michaela Press bei der Sequenzierung im Labor des Bergmann-Klinikums. 

© Ottmar Winter PNN

Bergmann-Klinikum in Potsdam: Britische Corona-Variante in 84 Prozent der positiven Tests

Die Virusmutation B.1.1.7 ist in Potsdam am meisten verbreitet. Das Bergmann-Klinikum kann nun selbst sequenzieren und so Ausbrüche besser verstehen. 

Potsdam - Die britische Coronavirus-Mutation B.1.1.7 macht inzwischen 84 Prozent aller positiven Corona-Tests in Potsdam aus. Damit ist die Corona-Variante aus Großbritannien dominant in der Stadt. Unter den Patienten des Klinikums allerdings ergibt sich ein anderes Bild, wie Evangelos Tsekos, medizinischer Geschäftsführer der Diagnostik am Bergmann-Klinikum, am Dienstag sagt: Bislang wurde bei 35 Patienten und zehn Mitarbeitern die Mutation B.1.1.7 nachgewiesen, das ist noch nicht die Mehrheit aller Corona-Fälle im Haus. Die brasilianische und südafrikanische Variante spielen in Potsdam bislang keine Rolle, so Tsekos. Am 10. Februar war erstmals bei zwei Potsdamern die britische Variante entdeckt worden, seither nahm der Anteil stetig zu. 

100.000 Euro für die Analysetechnik

Um mehr über die Virusmutationen in der Region herauszufinden, kann das Klinikum „Ernst von Bergmann“ nun selbst Sequenzierungen durchführen. Seit Anfang vergangener Woche wird innerhalb des Hauses selbstständig sequenziert. Vorher mussten die Proben an andere Labore geschickt werden. Am gestrigen Dienstag wurde die für rund 100.000 Euro angeschaffte Analysetechnik der Presse vorgestellt. Das Herzstück ist so groß wie ein Computerdrucker.

Rund 100.000 Euro hat das Bergmann-Klinikum in die Technik für die Sequenzierung investiert. 
Rund 100.000 Euro hat das Bergmann-Klinikum in die Technik für die Sequenzierung investiert. 

© Ottmar Winter PNN

Ziel der Sequenzierung – also der Analyse der Genbausteine des nachgewiesenen Virus – ist es, das Ansteckungsgeschehen besser zu verstehen. „Besonders interessant ist das bei Ausbrüchen in Schulen, Kitas oder auch Pflegeeinrichtungen“, erläutert Carsten Köhler, kaufmännischer Geschäftsführer der Diagnostik. „Sind die Proben alle von einem Stamm oder sind sie diffus?“ Die Analyse der positiven Corona-Proben erlaubt so Rückschlüsse darauf, ob in einer Einrichtung eine einzelne Person das Virus verbreitet hat, oder ob es mehrere Ursprünge gibt. Auf einem Bildschirm zeigt dies eine Art verzweigte Baumstruktur. So können Cluster besser verstanden und auch die weitere Ausbreitung möglicherweise gezielter bekämpft werden. 

Acht Stunden Pipettierarbeit pro Probe

Aktuell werden alle PCR-Tests, die positiv ausfallen, mit einem zweiten Test auf bekannte Mutationen untersucht. Weist dieser sogenannte Target-PCR-Test eine Mutation nach, wird die Probe sequenziert. Auch wenn das Bergmann-Klinikum dies nun selbst kann, bleibt die Untersuchung aufwendig. „Die Pipettierarbeit dauert etwa acht Stunden, dann arbeitet die Maschine zehn Stunden. Anschließend müssen wir noch auswerten und die Ergebnisse melden“, beschreibt Michaela Press. Sie ist eine von drei Bergmann-Mitarbeitern, die sequenzieren können. Zwei weitere werden ausgebildet. „Das Pipettieren erfordert viel Übung, man muss sehr genau arbeiten“, so Press. Bei der Sequenzierung einer einzigen Probe entstehen zehn Gigabyte Daten. 

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Noch ist der neue Prozess im Aufbau, aktuell werden etwa 50 bis 100 Proben pro Woche sequenziert. Die Technik hätte höhere Kapazitäten: Zeitgleich können knapp 500 Proben analysiert werden. Doch neben Personal- behindert auch Materialknappheit mehr Tests: Es mangelt an Pipettenspitzen, kleinen Plastikteilen, die jetzt viele Labore in großen Mengen brauchen. 

Evangelos Tsekos, medizinischer Geschäftsführer der Diagnostik (l.) und Carsten Köhler, technischer Geschäftsführer der Diagnostik im Bergmann-Klinikum. 
Evangelos Tsekos, medizinischer Geschäftsführer der Diagnostik (l.) und Carsten Köhler, technischer Geschäftsführer der Diagnostik im Bergmann-Klinikum. 

© Ottmar Winter PNN

„Aktuell können wir die Nachfrage bedienen, und ein Labor in Bielefeld ist unser Backup“, sagt Geschäftsführer Köhler. Rund 25 Proben pro Woche werden weiterhin extern sequenziert. Die Nachfrage könne sprunghaft steigen, wenn etwa in Schulen oder Kitas Massenabstriche vorgenommen werden, so Köhler. Im Bergmann-Labor werden nicht nur Proben aus Potsdam untersucht, sondern auch aus anderen Landkreisen und aus Berlin. Die Abstriche von Patienten aus dem Krankenhaus selbst machen nur einen kleinen Teil der Sequenzierungen aus, die meisten Proben kommen von Gesundheitsämtern oder niedergelassenen Ärzten. 

Fünf Prozent der Positivproben müssen laut einer Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums sequenziert werden, für diese trägt der Bund die Materialkosten von etwa 130 Euro pro Probe. Die Analyse im Auftrag des Gesundheitsamtes zahlt die Stadt. 

Zwar lassen sich anhand der Genanalyse Infektionsketten nachvollziehen. Welche Folgen jedoch die Infektion mit den Mutationen auf die Patienten hat, müssen die Ärzte beobachten. „Die Patienten werden insgesamt jünger, sie sind länger symptomatisch und die Liegezeiten werden länger“, beschreibt Köhler die Erkenntnisse. Erstmals seien die Covid-Patienten im Klinikum aktuell im Schnitt unter 60 Jahre alt. Es gibt auch eine positive Beobachtung, sagt der technische Geschäftsführer: „Wir konnten bei Infizierten mit der britischen Variante keine erhöhte Sterblichkeit feststellen.“ 

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