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Der Siegerentwurf für den Langen Stall im geplanten Kunst- und Kreativquartier. Doch der Bau verschiebt sich. 

© Michels Architektenbüro

Behinderungen auf Baugrund: Kreativquartier wird erst 2024 fertig

Laut Investor ist eine Fertigstellung 2023 nicht mehr möglich. Das führt auch zu Problemen beim Rechenzentrum.

Potsdam - Das als Ersatz für das Künstlerhaus Rechenzentrum gedachte Kreativquartier der Firma Glockenweiss wird ein Jahr später fertig als geplant. So wird das Areal zwischen Neuem Markt, Werner-Seelenbinder-Straße und Plantage erst im Herbst 2024 zur Verfügung stehen. Damit gerät der Zeitplan für den Ende 2023 vorgesehenen Auszug der Mieter aus dem Rechenzentrum ins Rutschen. 

Neues Künstlerquartier erst ein Jahr später fertig

Die schlechte Nachricht versendete der Rathaus-Büroleiter für besondere Bauprojekte, Harald Kümmel, am Donnerstagmittag per E-Mail an die Stadtverordneten unter dem Betreff: „KreativQuartier – Behindungsanzeige des Investors“. Demnach habe Unternehmer Christopher Weiß mitgeteilt, „dass er am Baubeginn des Quartiers behindert sei“. Das sei mit den „andauernden archäologischen Untersuchungen vor Ort“ und der „noch nicht erteilten Baugenehmigung“ begründet worden. Daher könne man mit dem Bau nicht im Mai beginnen – und den vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin für den ersten Bauabschnitt im Oktober 2023 nicht einhalten. Weiter heißt es in der Mail: „Es wird nun vom Investor von einem Fertigstellungstermin Ende September 2024 ausgegangen.“ Das wäre rund ein Jahr später als geplant. 

Das könnte für Glockenweiss mögliche Vertragsstrafen bedeuten. In der den PNN vorliegenden Mail von Kümmel hieß es dazu etwas verklausuliert, man wolle nun prüfen, „inwieweit die Verzögerungen tatsächlich nicht durch den Investor zu verantworten sind und welcher Verzögerungszeitraum tatsächlich zu erwarten ist, um zu klären, inwieweit sich die vereinbarte Investitionsfrist im Rahmen der vertraglichen Regelungen tatsächlich verschiebt.“ Das heißt: Das Rathaus untersucht, woran die Verschiebung um ein Jahr hängt. Noch im Hauptausschuss am Mittwochabend hatte Kümmel – offenbar in Unkenntnis der Glockenweiss-Mail – seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass der Zeitplan für das Kreativquartier gehalten werden könnte. Doch dies sei nicht machbar, erklärte Investor Weiß den PNN. So seien bei den archäologischen Untersuchungen des Bodens „extrem viele Sachen“ gefunden worden, das brauche Zeit. 

Weitere Verzögerungen im Zeitplan

Potenzierend wirke sich aus, dass manche Einzelbauabschnitte nicht im Winter durchgeführt werden könnten und sich dadurch die Fertigstellung des Gesamtprojekts verzögere. Er wolle ein gutes Ergebnis abliefern, „nun etwas übers Knie zu brechen, hilft nicht“. Mögliche weitere Probleme, etwa wegen fehlender Baustoffe, könnten sich durch den Ukraine-Krieg ergeben, warnte er. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) teilte am Donnerstagabend mit, man werde nun mit dem Investor „alle Optimierungsmöglichkeiten“ mit Blick auf den Bauablauf erörtern. Man sei bei der „ausstehenden Klärung“ von nicht näher definierten „Sachverhalten der Baugenehmigung“ auf die Mitarbeit des Investors angewiesen, machte Rubelt deutlich.

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Die Stadtverwaltung und das Rechenzentrum geraten nun in die Bredouille. Denn für die dort ansässigen Kreativen gilt bisher nur ein Mietvertrag bis Ende 2023, dann sollen sie ins neue Kreativquartier ziehen. Ihr bisheriges Refugium würde dann entweder, je nach Entscheidung der Stadtverordneten, saniert oder abgerissen. Einem weiteren Verbleib der Künstler müsste auch die Stiftung Garnisonkirche zustimmen, der ein Teil des Rechenzentrum-Areals gehört. 

Kulturmanagerin Anja Engel aus dem Rechenzentrum sagte, mit der Nachricht von der Verzögerung sei es für die rund 300 Nutzer des Hauses nun umso wichtiger, dass es eine Vertragsverlängerung gibt – schon wegen der nötigen Planungssicherheit. Diese sei derzeit ohnehin noch wenig gegeben, weil auch die Vertragsbedingungen für das Kreativquartier noch unklar seien, also zum Beispiel die Vertragslaufzeiten. In dem Glockenweiss-Projekt sind mehr als 4000 Quadratmeter für Kreative aus dem Rechenzentrum reserviert. 

Längere Nutzung des Rechenzentrums wird geprüft

Hilfe kommt aus der Politik. Schon mit Blick auf mögliche Verzögerungen hatte die Fraktion Die Andere zuletzt einen Antrag gestellt, dass für das Rechenzentrum die Nutzungsdauer über 2023 hinaus verlängert werden müsse. Dieses Anliegen wurde im Hauptausschuss am Mittwochabend in einen Prüfauftrag an die Stadtverwaltung abgewandelt und beschlossen. Auch Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte solche direkten Verhandlungen mit der Stiftung über eine längere Duldung des Rechenzentrums schon in Aussicht gestellt. Der Linken-Stadtverordnete Sascha Krämer erinnerte, bei der Verlängerung gehe es nicht nur um eine städtebauliche Frage - "sondern um die berufliche Existenz von Menschen." Ferner forderte Kulturdezernentin Noosha Aubel (parteilos), offene Fragen wie die Bildung eines Beirates für das Kreativquartier oder die angebotenen Ausbaustandards für die Nutzer müssten in den nächsten Monaten abschließend geklärt werden.

Insgesamt sollen im Kreativquartier mehr als 80 Millionen Euro investiert werden. Rund ein Drittel der 24 000 Quadratmeter Nutzfläche wird zu verbilligten Mieten angeboten, subventioniert durch die restlichen Flächen mit höheren Preisen. Für dieses Modell hatte die Stadt dem Investor das Filetgrundstück zum Vorzugspreis überlassen. Geplant ist ein breiter Mietermix aus der Kreativwirtschaft, hatte Weiß bereits erklärt – und sich zuversichtlich gezeigt, dass auch bei einem Erhalt des Rechenzentrums noch genügend Kreativmieter in Potsdam zu finden seien.

Rechtsgutachten zum Streit Garnisonkirche

Durchaus verknüpft mit dem Schicksal des Rechenzentrums ist auch der umstrittenen Kompromiss zur Garnisonkirche, der den Erhalt des DDR-Baus vorsieht. Hier hat das Rathaus nun für das umfangreiche Rechtsgutachten, das für alle Fragen rund um das Thema ausgearbeitet werden soll, die Ausschreibung gestartet. Diese sei so offen ausgestaltet, dass auch nachträgliche Fragestellungen bearbeitet werden könnten, versicherte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Mittwochabend im Hauptausschuss. Er habe die Ausschreibung jetzt gestartet, um keine weitere Zeit zu verlieren. Unter anderem soll mit dem juristischen Gutachten geklärt werden, unter welchen Umständen zum Beispiel das Grundstück, das einst für das Kirchenschiff gedacht war, wieder von der Stiftung Garnisonkirche an die Stadt übertragen werden könnte. Darauf ist nun ein „Haus der Demokratie“ samt einem Plenarsaal für die Stadtverordneten und Ausstellungsflächen geplant.

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