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Die Baugrube für das künftige Musikerhaus wird derzeit archäologisch untersucht.

© S. Gabsch

Bauarbeiten in Potsdams Mitte: Archäologen entdecken Stadtgraben aus dem Mittelalter

Potsdams Untergrund hat es in sich: Archäologen haben einen Teil von Potsdams spätmittelalterlicher Stadtbefestigung entdeckt. Wo diese genau verlief, ist zum Teil noch ein Rätsel. 

Potsdam - Erst hellbraun, dunkelbraun, dann fast gelb. Schließlich kommt ein dicker fast schwarzer Batzen. An der Wand eines rund vier Meter tiefen Lochs an der Kreuzung von Schwertfegerstraße und Friedrich-Ebert-Straße kann man sie sehen: die verschiedenen Schichten, die sich im Lauf der Jahrhunderte abgelagert haben und die nun Potsdams Untergrund bilden. Normalerweise sind sie dem Auge verborgen. Ans Tageslicht gelangen sie meist nur, wenn die Erde für Bauarbeiten aufgerissen wird. Das kommt in Potsdam bekanntlich häufiger vor. Dann, vor allem in der Potsdamer Mitte, schreibt die Baugenehmigung häufig eine archäologische Untersuchung vor.

Um an tiefere Schichten zu gelangen, muss das Grundwasser abgesenkt werden – sonst würde Grabungstechniker Frank Richter im Wasser stehen. 
Um an tiefere Schichten zu gelangen, muss das Grundwasser abgesenkt werden – sonst würde Grabungstechniker Frank Richter im Wasser stehen. 

© S. Gabsch

So ist es auch an der Schwertfegerstraße. Dort soll – am historischen Acht-Ecken-Platz – wie berichtet ein Musikerhaus gebaut werden. Der Berliner Projektentwickler Bürgerstadt AG errichtet bis Ende 2019 ein viergeschossiges Haus mit neun Eigentumswohnungen, die teils über speziell schallgedämmte Musikerräume verfügen. Gemäß dem Leitbautenkonzept soll es eine originalgetreue, barocke Fassade bekommen.

Zuerst muss der Untergrund untersucht werden

Doch bevor sich dort die Kräne drehen und Beton gemischt wird, kommen erst einmal Schaufel und Pinsel zum Einsatz. Der Bauherr habe die Auflage, Archäologen mit der Suche nach historischen Artefakten zu beauftragen, wie Stadtarchäologin Gundula Christl erklärt. Und so haben sich Grabungsleiterin Nicola Hensel und Frank Richter von der Archäologiemanufaktur Wustermark auf 20 Quadratmetern in die Tiefe gebuddelt. Funde werden dokumentiert, gewaschen und an das Landesdenkmalamt übergeben.

In der Baugrube ist gut zu sehen, dass es Potsdams Untergrund in sich hat. An der Friedrich-Ebert-Straße ist noch gut das Betonfundament des längst abgerissenen Hauses der Wasserwirtschaft zu erkennen. Etwas weiter Richtung Neuer Markt erkennt man Ziegel, die vermutlich Überreste barocker Gebäudefundamente sind. In der Mitte der jetzigen Baugrube fehlen solche Spuren. „Wir befinden uns in einem früheren Hof. Deshalb fehlen Gebäudereste“, erklärt Christl. Dass die Stelle nie überbaut wurde, macht sie nun interessant. Man kann nämlich weit in die Geschichte zurückblicken.

Suche nach Potsdams spätmittelalterlicher Stadtbefestigung

Die Potsdamer Archäologen sind auf der Suche nach Potsdams spätmittelalterlicher Stadtbefestigung. Wie die aussah, weiß man schon: ein Erdwall, ein Wassergraben und Palisaden. Eine steinerne Stadtmauer hatte Potsdam nie besessen. Doch wo der Graben verlief, ist teilweise noch ein Rätsel. Christl zeigt auf eine Karte: „Nur im östlichen Bereich von der Alten Fahrt über die Joliot-Curie-Straße bis zum Staudenhof kennt man den Verlauf.“ Bohrungen gaben weitere Indizien. Am Acht-Ecken-Haus konnten die Vermutungen nun überprüft werden.

Potsdams Mitte bietet einige spannende archäologische Funde.
Potsdams Mitte bietet einige spannende archäologische Funde.

© S: Gabsch

Offenbar lagen die Archäologen richtig. Tief unter den Spuren alter Fundamente entdeckten sie Reste der hölzernen Stützwand des Stadtgrabens: „Eine Wand aus Eichenbohlen, gestützt von Pfählen aus Eichenholz, sollte verhindern, dass die Erde wieder in den Graben rutscht“, sagt Hensel. Die Hölzer werden nun im Labor auf ihr Alter untersucht. Das kann anhand der Jahresringe festgestellt werden. Dann wird man auch wissen, wie alt der Graben ist. Wahrscheinlich stammt er aus dem frühen 14. Jahrhundert, schätzen die Archäologen. Der Graben war seinerzeit rund zwei Meter tief und bis zu acht Meter breit. Möglicherweise gab es davor – am Neuen Markt – sogar noch einen zweiten Graben. Außerdem fanden sich in den Sedimenten des Grabens, dort wo der Boden besonders dunkel ist, auch Keramikscherben. „Sie stammen wahrscheinlich aus den Brennöfen, in denen die Potsdamer seinerzeit Gefäße herstellten, um sie auf Märkten in Berlin oder Brandenburg an der Havel zu verkaufen“, so Hensel. „Gehobene Ware mit komplizierten Verzierungen.“ Bruchstücke landeten zusammen mit anderem Abfall im Graben. Die spätmittelalterlichen Potsdamer trennten ihren Müll nicht.

Die Potsdamer Mitte ist für die Archäologen ein spannendes Feld. Diverse Brunnen, Töpferöfen und Schmieden haben die Forscher bereits dort gefunden, wo im Mittelalter zwischen Havel und dem heutigen Platz der Einheit die Keimzelle Potsdams lag. Unter dem Alten Markt wurde vor Jahren eine Feuersteinklinge aus der Steinzeit entdeckt, 2013 wurde ein vier Meter langer und 70 Zentimeter breiter Einbaum aus dem 13. Jahrhundert aus dem Uferschlamm der Alten Fahrt geborgen. Und 2007 war unweit der neuen Feuerwache in der Holzmarktstraße ein 4500 Jahre altes Kriegergrab gefunden worden. Weil das Kriegerskelett so alt wie die berühmte Gletschermumie Ötzi ist, wurde es auch als „Pötzi“ bezeichnet.

FH-Abriss: vermutlich wenig Interessantes im Boden

So spektakulär sind die Funde natürlich nicht immer. Und auch nicht jede Baugrube verspricht reiche Funde. So dürfte es auch auf der gegenüberliegenden Seite der Friedrich-Ebert-Straße sein. Dort, wo derzeit die Reste des Fachhochschulgebäudes aus dem Boden geholt werden, werde nur wenig Interessantes vermutet, so Christl. Bevor in den 1970er-Jahren die spätere Fachhochschule gebaut wurde, sei eine sehr große Baugrube ausgehoben worden.

Am Acht-Ecken-Haus wollen die Forscher auch nicht die komplette Grundstücksfläche untersuchen. „Auch ausgraben bedeutet zerstören“, sagt Christl. Das sei zwar auch im Sinne des Bauherrn, weil es schneller geht. Aber auch zukünftige Forscher dürften sich freuen, wenn sie irgendwann noch ein paar Schichten entdecken können.

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