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Ausgrabungen in Potsdam: Wo einst die Germanen siedelten

Eine neue Ausstellung im Botanischen Garten zeigt die Kultur und Lebenswelt von Germanen, die an der Stelle der heutigen Gewächshäuser lebten.

Potsdam - Urnen, Keramiken und Siedlungsreste – unter den Gewächshäusern und Freiflächen des Botanischen Gartens an der Maulbeerallee liegen ungeahnte Schätze aus längst vergangenen Zeiten unter der Erde. Vor etwa 2000 Jahren ließen sich an der Stelle Germanen nieder, die der Nachwelt Überbleibsel ihrer Kultur zurückließen. Diese zeigt die neue Ausstellung „Unter unseren Füßen – Archäologie im Botanischen Garten“, die am Wochenende eröffnet wurde. Fundstücke, die in den vergangenen Jahren am Botanischen Garten entdeckt wurden, kultivierte Nutzpflanzen auf den Freiflächen sowie Leihgaben von brandenburgischen und Berliner Museen und Archiven bieten einen Einblick in die Lebenswelt der Menschen von damals. Darüber hinaus sind auch Fundstücke aus der Barockzeit wie Bierdeckel und Pfeifen zu sehen.

Dass die Ausstellung überhaupt zustande kam, ist einem glücklichen Zufall geschuldet. Im März vergangenen Jahres musste im nördlich der Maulbeerallee gelegenen Paradiesgarten, der als Lehr- und Schaugarten dient, der Boden ausgetauscht werden, weil sich Schachtelhalme unkontrolliert ausbreiteten. Obwohl bereits länger bekannt ist, dass es an dieser Stelle eine germanische Siedlung gab, war eine archäologische Untersuchung eigentlich nicht eingeplant, erzählt Kerstin Geßner, Archäologin und Mitorganisatorin der Ausstellung. Stadtarchäologin Gundula Christl suchte damals auf eigene Faust und entdeckte tatsächlich das Unterteil einer Urne aus der Eisenzeit. Darin befanden sich die verbrannten Überreste eines Kindes oder Jugendlichen. Nach dem Fund beschloss die technische Leiterin des Botanischen Gartens, Kerstin Kläring, die beiden Archäologinnen Geßner und ihre Kollegin Annett Dittrich hinzuzuziehen und schlug eine Ausstellung mit den bisher gefundenen Objekten vor.

Siedlungen am Neuen Palais

Die Siedlung, die einst an der Stelle der heutigen Gewächshäuser gestanden hat, existierte etwa von 150 bis 30 vor Christus in der sogenannten vorrömischen Eisenzeit, wie Geßner erklärt. „Wir besitzen relativ viel Wissen über die Germanen dieser Zeit, weil der römische Autor Tacitus, uns gute Beschreibungen hinterlassen hat.“ In Potsdam siedelten die Sueben oder Semnonen. Die Sueben sind die Ahnen der heutigen Schwaben, die vor ihrer Wanderung nach Südwestdeutschland im Nordosten von der Ostsee bis zum Mittelgebirge lebten, wie Michael Burkart, Kustos des Botanischen Gartens, erzählt. Der Stammesverband der Sueben zergliederte sich in weitere ethnische Untergruppen, zu denen die Semnonen gehörten, die in Potsdam und Berlin siedelten. Im Norden von Potsdam, entlang der heutigen Gewächshäuser und Gärten, dem Neuen Palais sowie Richtung Eiche und Golm, gab es einst einen Wasserlauf mit umliegenden feuchten Niederungen, an denen sich die Menschen niederließen. Dort wurden in den vergangenen Jahrzehnten Siedlungsreste gefunden.

Die kleine Siedlung am Botanischen Garten lag zu Füßen eines Hangs. Sehr wahrscheinlich lebte hier eine Großfamilie von etwa 20 bis 30 Menschen, wie Geßner erzählt. Im Kern stand ein 60 Quadratmeter großes, dreigliedriges Gehöft. Die Menschen lebten damals sehr wahrscheinlich zusammen mit ihren Tieren in den Räumen, so Geßner. Das hatte auch praktische Vorteile, da so dank Ausdünstungen und Körperwärme der Tiere im Winter weniger geheizt werden musste. Rund um das Gehöft wurden in den letzten 25 Jahren bei Arbeiten an den Gewächshäusern Feuerstellen und Pfostenlöcher gefunden, die wohl zu Nahrungsspeichern gehören.

„Die Menschen von damals mussten oft sehr findig sein“

Die Siedler der Eisenzeit waren Selbstversorger, wie Dittrich erklärt. Jeder musste etwas können und zum Leben der Gemeinschaft beitragen: sei es nun töpfern, Holzbau, Körbe flechten, für die Nahrung und ihre Zubereitung sorgen. „Die Menschen von damals mussten oft sehr findig sein“, sagt Dittrich. So wurde beispielsweise Salz aus Pflanzen gewonnen, indem man sie verbrannte und die mineralhaltige Asche benutzte. Abwechslungsreich scheint das Essen jedoch nicht gewesen zu sein. „Das täglich Brot war eigentlich ein täglich Brei“, so Dittrich. Vor allem Gerste wurde verwendet und mit Bohnen, Kräutern oder anderen Getreidearten gekocht oder zu Fladen verarbeitet. Wichtig sei auch die Textilherstellung gewesen. „Die Eisenzeit ist die Zeit, in der eine der ersten modischen Revolutionen stattfand“, sagt Burkart. Die Menschen begannen, ihre Textilien in knalligen Tönen zu färben. Vor allem blau, vor der Einführung des Indigo aus den Blättern des Färberwaid gewonnen, sei sehr begehrt gewesen.

Die Germanen verbrannten ihre Toten, so Geßner. Die Bestattungsplätze sind in der Regel etwa 200 bis 500 Meter von den Siedlungen entfernt angelegt worden. Die Urne aus dem Paradiesgarten lag etwa 100 Meter von dem Gehöft entfernt. Einen richtigen Friedhof haben die Archäologinnen bisher nicht gefunden. Es sei möglich, das weiter nördlich der Urnen- Fundstelle noch weitere Schätze unter der Erde auf ihre Entdeckung warten.

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Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. September täglich von 9.30 bis 17 Uhr. Weitere Informationen unter www.uni-potsdam.de/botanischer-garten/

Sarah Stoffers

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