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Potsdam: Ein Streit um Bußgeldbescheide für Grashalme auf Gehwegen beschäftigt wohl bald die Justiz.

© A. Klaer

Aus dem Gerichtssaal: Die Potsdamer Unkraut-Posse: Ins Kraut geschossen

Ein skurriles Gerichtsverfahren zur Potsdamer „Unkraut-Posse“ ist eingestellt worden. Der Prozess verlief wie ein Stück aus dem Kabarett.

Innenstadt - Eine Komödie um unerwünschtes Straßengrün war am Mittwoch am Amtsgericht zu erleben. Das Thema des halbstündigen Possenstücks: diverses Unkraut und die Frage, wann und wie es von Gehwegen beseitigt werden muss. Die Hauptdarstellerin: eine resolute Hauseigentümerin aus Berlin, der ein Eckbau am Neuen Markt gehört. Ihre Kontrahentin: eine Vertreterin der Potsdamer Bußgeldstelle. Und dazwischen: eine zunehmend genervt wirkende Richterin.

Vorweg: In dem unter dem Stichwort „Potsdamer Unkraut-Posse“ bundesweit bekannt gewordenen Fall fiel kein Urteil. Denn Amtsrichterin Constanze Rammoser-Bode stellte das skurrile, aber nichts desto trotz sehr hitzig geführte Verfahren gegen die Hauseigentümerin, die sich als praktizierende Anwältin selbst verteidigte, nach einer halben Stunde ein. Aber nicht ohne die klare Warnung an die Frau, besser auf den Gehweg vor dem Haus zu achten: „Sie müssen dafür sorgen, dass dort keine Unkräuter mehr wachsen.“

Bußgeldbescheide über 50 Euro

Seit August geht es hin und her: Die Stadt Potsdam hatte zunächst an die Eigentümerin und ihren Mann Bußgeldbescheide über 50 Euro geschickt. Die Begründung: Das Paar habe das Unkraut vor dem Haus nicht entschieden genug beseitigt. Auf dem Beweisfoto der Stadt waren einige längere Grashalme zu sehen. Die Anwältin legte Widerspruch ein und machte den Vorgang öffentlich.

Die Sache ging vor Gericht – und dort folgten scharfe Wortgefechte, unter anderem zur Frage: Unkraut oder kein Unkraut? So vertrat die Anwältin die These, bei dem Gras handele es sich nicht um Unkraut. Doch das wies Richterin Rammoser-Bode zurück – entscheidend sei, dass die Pflanzen nicht auf den gepflasterten Gehweg gehören, weil so ein „unordentlicher Eindruck“ entstehe. Doch wie oft müsse denn Unkraut entfernt werden, wollte die Anwältin wissen. Darauf entgegnete die Frau von der Bußgeldstelle, dazu genüge ein Blick in die Stadtordnung, ein Exemplar hatte sie dabei: „Ich kann das Ihnen gern schenken!“

"Das ist kein Kriterium"

Auch den mehrfach vorgebrachten Einwand der Anwältin, dass die Stadt Potsdam auf ihren Grundstücken am Neuen Markt keineswegs regelmäßig Unkräuter entfernen lasse, wies die Richterin mehrfach zurück: „Wie es anderswo aussieht, ist kein Kriterium.“ Für Beschwerden zum Zustand von Wegen müsse sich die Eigentümerin direkt an die Stadt werden.

Die Anwältin aber gab nicht auf – und wurde grundsätzlich. So verwende die städtische Satzung, die die Anliegerpflichten zur Straßenreinigung regele, seit einigen Monaten nicht mehr den Begriff „Unkraut“, sondern „Wildkraut“. Doch Wildkraut sei aus ihrer Sicht ein positiv besetzter Begriff, solche Pflanzen auch zum Verzehr geeignet. „Das ist vergiftetes Kraut. Möchten Sie essen, was am Straßenrand steht?“, widersprach die Stadtvertreterin. Und die Richterin empfahl: Wer die Satzung anfechten wolle, müsse vor das Verwaltungsgericht. Schließlich stellte sie das Verfahren ein. Die Kosten für das Theater trägt die Landeskasse.

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