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Die Sanierung der Wohnhäuser des sogenannten Zentrums Süd im Karree zwischen Burgstraße, Am Kanal, Am Alten Markt und Alter Fahrt gehörte zu den ersten Stadtspuren-Projekten, um die Innenstadt für die Buga 2001 aufzuhübschen.

© A. Klaer

Arbeitskreis Stadtspuren in Potsdam wird 20 Jahre alt: „Wir bauen die günstigen Wohnungen von morgen“

Stadtspuren-Koordinator Carsten Hagenau über das 20-jährige Bestehen des Arbeitskreises der Potsdamer Wohnungswirtschaft, dessen Anfänge und die Frage, warum Genossenschaften unverzichtbar beim Wiederaufbau der Potsdamer Mitte sind.

Von Peer Straube

Herr Hagenau, heute wird das 20-jährige Bestehen des Arbeitskreises Stadtspuren gefeiert. Um den Dachverband der Potsdamer Wohnungsunternehmen ist es ruhig geworden. Ist er womöglich überflüssig?

Nein, er ist einfach besser vernetzt. Anfangs war die Kommunikation schwierig, weil uns noch keiner kannte und niemand wusste, worum es uns geht. Inzwischen sind wir längst anerkannt und werden rechtzeitig in kritische, die Wohnungswirtschaft betreffende Fragen einbezogen. Man muss auch zugeben, dass die Stadt heute wohnungspolitisch viel besser aufgestellt ist als noch vor ein paar Jahren. Die Arbeit läuft auch insgesamt gut, sodass wir uns nicht mehr so häufig öffentlich zu Wort melden müssen.

Womit beschäftigt sich der Arbeitskreis Stadtspuren heute denn noch?

Mit allen möglichen Fragen rund ums Wohnen. Die Unternehmen tauschen sich zum Beispiel über ihre Erfahrungen bei Sanierungs- und Neubauprojekten aus. Wir sind ja ein solidarischer Verbund, bei dem kleine Genossenschaften etwa von den Ressourcen der großen wie der Gewoba profitieren. Auch bei der Entwicklung von Stadtteilen wie Waldstadt, Schlaatz und Drewitz, die praktisch komplett den Stadtspuren-Mitgliedern gehören, arbeiten wir eng zusammen und entwickeln Pläne. Verkehrsthemen werden ebenso besprochen wie die soziale Entwicklung in der Stadt. Das spannendste Thema für uns sind natürlich die Betriebskosten. Wir sind ja die Einzigen, die die Entwicklung über Jahre hinweg nachvollziehen können, schließlich verfügen unsere Unternehmen über die Daten von insgesamt 35 000 Wohnungen.

Früher hat der Arbeitskreis aber öffentlich Alarm geschlagen, wenn die Betriebskosten rasant gestiegen sind. Heute hört man nichts mehr – obwohl der Trend ja weiter nach oben geht.

Das stimmt so nicht ganz. Die Energiepreise haben sich zum Glück anders entwickelt, als wir es noch vor fünf oder sechs Jahren angenommen hatten. Daher ist die Entwicklung nicht ganz so dramatisch erfolgt. Aber das kann sich jederzeit wieder ändern – und dann werden wir auch reagieren. Derzeit befassen wir uns etwas intensiver mit den Müllkosten.

Gegründet wurde das Bündnis 1997 ja vor allem, um die noch immer recht graue Stadt für die bevorstehende Bundesgartenschau ein bisschen aufzuhübschen. Sie sind einer der Gründerväter. Erzählen Sie mal.

Die Idee geht auf zwei Männer zurück: Peter Busch, damals Referatsleiter in Brandenburgs Bauministerium, und Wilhelm Willgeroth, seinerzeit Vorstand der Genossenschaft PWG 1956. Im Vordergrund stand der Gedanke, das Erscheinungsbild der Stadt, die damals tatsächlich noch ziemlich grau aussah, zur Buga zu verbessern. Das betraf vor allem die Eingangsbereiche der Stadt und natürlich das Zentrum. Zunächst schlossen sich dafür sechs Wohnungsunternehmen zusammen und legten erst elf, später sogar 20 Standorte fest, die bis zur Buga saniert oder umgestaltet werden sollten. Das betraf unter anderem die Kreuzung Leipziger/Templiner Straße und auch die Wohnhäuser zwischen der Freundschaftsinsel und der Straße Am Kanal. Auch das Zentrum Ost war dabei.

Und wie kamen Sie ins Boot?

Gesucht wurde jemand, der die Koordination und Öffentlichkeitsarbeit managt. Das wurde ausgeschrieben und mein Büro hat den Zuschlag bekommen.

Wie lief die Zusammenarbeit konkret ab?

Es wurden Absprachen getroffen über Sanierungsabläufe und -eckpunkte, etwa die Farbgebung von Häuserblocks, die unterschiedlichen Eigentümern gehören. Dabei wurden natürlich auch Erfahrungen gesammelt, etwa die, dass man bei Landes- oder Stadtbehörden viel mehr erreicht, wenn mehrere Partner gemeinsam auftreten. Das lief dann so gut, dass beschlossen wurde, das Bündnis auch nach der Buga weiterlaufen zu lassen.

Nicht zuletzt, weil es ja neue Probleme gab. Potsdam schrumpfte damals, am Schlaatz gab es massiven Leerstand.

Es waren fast elf Prozent. Zugleich entstand im Bornstedter Feld ein neuer Stadtteil. Uns trieb die Sorge um, dass viele Menschen dorthin ziehen und sich der Leerstand noch weiter vergrößert. Das konnten wir zum Glück verhindern.

Was ist Ihrer Ansicht nach der größte Erfolg des Dachverbandes?

Vielleicht die Kontinuität der Zusammenarbeit. Es gab Höhen und Tiefen...

...und auch Austritte von Mitgliedern...

Natürlich. So etwas hängt ja auch stark von den Personen ab, die jeweils an der Spitze stehen. Manche hatten auch Vorbehalte. Derzeit läuft die Zusammenarbeit aber wirklich gut und sehr vertrauensvoll. Aber Sie haben mich mit der Frage etwas überrumpelt. Also noch mal: Ich glaube, die größte Leistung war, dass wir erstmals wirklich mit Quartiersmanagement angefangen, uns also überlegt haben, wie man die alten DDR-Neubauviertel nachhaltig entwickeln und damit überlebensfähig machen kann, durch Angebote für Familien oder Grundrissänderungen in Plattenbauwohnungen. Besonders am Schlaatz hat sich das bemerkbar gemacht. Dort wohnen zwar heute 10 000 Menschen weniger als früher, aber weil es keinen Leerstand gibt, heißt das, dass die Bewohner deutlich mehr Platz und damit Lebensqualität haben.

1,6 Milliarden Euro haben die Stadtspuren-Unternehmen seit 1997 in ihre Bestände investiert, eine ungeheure Summe. Können Sie uns noch mit weiteren Superlativen überraschen?

Wahrscheinlich sind wir der größte Nationen-Schmelztiegel der Stadt. In unseren Beständen wohnen Menschen aus 70, vielleicht 80 Ländern – nicht zuletzt deshalb, weil unsere Wohnungen günstiger sind. Wir leisten damit einen großen Beitrag dazu, das Toleranzversprechen der Stadt auch einzulösen.

Künftig dürften die Prioritäten vor allem auf dem Neubau liegen. Potsdam braucht neue Wohnungen, andererseits sind sie auch der größte Preistreiber bei den Mieten. Wie können die Stadtspuren-Unternehmen da gegensteuern?

Der Neubau ist nicht unbedingt der Preistreiber, weil er im Mietspiegel extra betrachtet wird. Dennoch sind die Baupreise gestiegen, das Bauen demnach teurer geworden. Aber wenn eine Genossenschaft heute neu baut und für zehn Euro netto kalt vermietet, ist die Wohnung in 20 Jahren um ein Vielfaches günstiger als eine, die jetzt von einem privaten Investor zum gleichen Preis gebaut und vermietet wird. Die teuren Wohnungen von heute sind die günstigen von morgen.

Woran liegt das?

Ganz einfach: Die Genossenschaften machen nicht jede Mieterhöhung mit, die der Gesetzgeber erlaubt. So lange die Miete kostendeckend ist, bleibt sie stabil.

Die großen Genossenschaften wollen sich sogar am Wiederaufbau der Potsdamer Mitte beteiligen. Wegen der strengen Vorgaben zur historischen Gestaltung dürfte das allerdings ziemlich teuer werden. Ist es überhaupt sinnvoll für die Genossenschaften, sich auf solchen Feldern zu tummeln?

Aber natürlich. Das ist doch super. Millionen Touristen kommen jährlich in die Mitte, um zu sehen, was dort neu entsteht. An einem solchen Ort genossenschaftliche Mieten zu sichern, ist sicherlich europaweit einmalig. Dort bauen dann Potsdamer Unternehmen nachhaltig, weil die Wohnungen in der Hand der Genossenschaften bleiben und nicht zu Spekulationsobjekten werden können. Und gebaut wird auch noch für Potsdamer Bürger, nämlich die Mitglieder der Genossenschaften.

Von denen werden sich aber auch viele nicht die zwölf Euro Nettokaltmiete leisten können, die dann fällig werden.

Auch hier gilt wieder: In 20 Jahren werden das die mit Abstand günstigsten Wohnungen in der Potsdamer Mitte sein.

Nach zehnjähriger Pause gibt es seit Kurzem auch wieder Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau vom Land. Reicht das?

Zunächst einmal war schon der Ausstieg ein großer Fehler, weil dadurch die Bautätigkeit extrem zurückgefahren wurde. Die Folge ist der heutige Wohnungsmangel. Wichtig ist, dass die Förderung künftig flexibel gestaltet wird.

Was kann der Arbeitskreis Stadtspuren dazu beitragen, das rasante Wachstum der Stadt zu meistern?

Sehr viel. Vor allem deshalb, weil wir eigene Steuerungsmöglichkeiten haben, etwa in Quartieren wie dem Schlaatz, die wegen der schwierigen sozialen Lage weiterhin viel Aufmerksamkeit erfordern. Für diesen Stadtteil wollen wir ein neues Entwicklungskonzept erarbeiten, im Herbst soll es dazu eine Visionen-Werkstatt geben, wie man den Schlaatz städtebaulich und sozial für die Zukunft aufstellen kann.

Wird es den Arbeitskreis Stadtspuren in zehn Jahren noch geben?

Ich glaube schon. Auf jeden Fall wird es in zehn Jahren noch Arbeit für diesen Arbeitskreis geben.

Das Interview führte Peer Straube

ZUR PERSON: Carsten Hagenau, 55, wurde in Berlin geboren. Der Journalist koordiniert mit seiner Firma Projektkommunikation seit der Gründung die Öffentlichkeitsarbeit des Arbeitskreises Stadtspuren.

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