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Anlass für die Gespräche ist die Demonstration gegen Rassismus in Potsdam vom Samstag.

© Manfred Thomas

Anti-Rassismus-Demo in Potsdam: Verein Opferperspektive greift Polizei und Stadt an

Geschäftsführerin Porath spricht von „rassistischen Kontrollen” der Polizei und Diskriminierung Geflüchteter beim Corona-Schutz. Flüchtlingsheime würden zur "Corona-Falle".

Von Carsten Holm

Potsdam - Massiv hat Judith Porath, Geschäftsführerin des Potsdamer Vereins Opferperspektive, am Samstag das Verhalten der Polizei und der Stadtverwaltung gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe kritisiert. In ihrer Auftaktrede zur Demonstration gegen Rassismus, während der rund 500 Teilnehmer vom Luisenplatz zum Landtag gingen, sagte sie, man müsse „auch in Brandenburg über strukturellen Rassismus sprechen”. Als Beispiel nannte Porath „rassistische Kontrollen der Polizei”, in die „insbesondere schwarze Menschen” gerieten. Belege dafür nannte sie nicht.

Weniger Corona-Fürsorge für Geflüchtete?

Außerdem kritisierte die Geschäftsführerin der Opferperspektive, dass der sogenannte strukturelle Rassismus sich in Zeiten der Pandemie auch in der Corona-Fürsorge gegenüber Geflüchteten verschärft habe. So würden infizierte und nicht infizierte Geflüchtete in Unterkünften gemeinsam in Quarantäne gezwungen werden: „Wir fragen: Warum gilt der Infektionsschutz in Brandenburg nicht gleichermaßen für alle Menschen?” Die Erkrankung von Geflüchteten und die Ausbreitung in den Sammelunterkünften werde „nicht unterbunden, solange sie die weiße Mehrheitsgesellschaft nicht betreffen”. Geflüchtete würden als Menschen zweiter Klasse behandelt. „Auch das ist Rassismus”, sagte Porath. „Wir fordern eine selbstbestimmte Unterbringung von Geflüchteten in eigenen Wohnungen.” Die Sammelunterkünfte würden „zur Corona-Falle”.

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Porath ließ unerwähnt, dass die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am 3. Juni 2020 gegen die Stimmen der AfD beschlossen hatte, “einen Maßnahme- und Zeitplan zu erarbeiten, um alle Flüchtlinge in eigenen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, in denen die Unterbringung in wohnungsähnlicher Form möglich ist”. 

Eine Potsdamer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete.
Eine Potsdamer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete.

© Ottmar Winter

Viele Demonstranten hielten Schilder mit stilisierten Fotos der neun Menschen hoch, die am 19. Februar von einem Deutschen im hessischen Hanau erschossen worden waren. Potsdam zählte zu den bundesweit 30 Städten, in denen am Samstag der Opfer der Mordserie gedacht wurde. Ein mutmaßlicher deutscher Rassist hatte sie an jenem Tag in und vor zwei Shishabars und bei seiner Fahrt zwischen den Tatorten hingerichtet. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. 

In Potsdam hatten die Initiative „Seebrücke” und die Organisation „Women in Exile” zu dem Protest aufgerufen – er wurde zu einer bewegenden Demonstration für das Erinnern und gegen das Vergessen. Aber auch weitere Potsdamer Gruppen waren dabei: „Refugee Radio Potsdam”, die Opferperspektive. Die Organisatoren knüpften auch an die weltweite "Black Lives Matter"-Bewegung an.

Judith Porath reihte den Terroranschlag von Hanau in eine Reihe von rassistischen Anschlägen ein, von denen viele nicht aufgeklärt worden seien. Keine zehn Jahre sei es her, dass sich der NSU selbst enttarnte. „Seitdem haben Politiker und Ermittlungsbehörden viel versprochen”, rief Porath, „passiert ist wenig”, der NSU-Komplex sei nicht aufgeklärt worden. Rechter Terror habe Kontinuität in Deutschland, sagte sie und zog einen weiten Bogen: von der Ermordung acht junger Menschen vor vier Jahren durch einen Rassisten an einem Münchner Einkaufszentrum bis zur Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) am 1. Juni 2019 durch einen Rechtsextremisten und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019. 

Auch in Brandenburg gebe es "fast täglich Übergriffe"

Die Überlebenden und Opferfamilien von Hanau, so Porath, würden den Politikern eine zu Recht scharf formulierte Frage stellen: „Worauf wartet ihr, wenn nicht auf den nächsten Anschlag?” Hetzenden und prügelnden Rassisten und den Rechtspopulisten der AfD dürfe man „nicht die Straße, nicht die Medien und nicht die Definitionsmacht” überlassen, sagte Porath. "Wir werden den verbalen Brandstiftern auch in Zukunft entgegentreten.”  Rechtsterroristische Netzwerke gebe es auch in Brandenburg, „auch hier gibt es fast täglich rassistische Übergriffe”.  Immer mehr Betroffene hätten „Angst um ihre Sicherheit: Sie fragen sich, wer sie in diesem Land schützen will und wer sie schützen kann”.

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