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Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: In der Stichwahl am 14. Oktober treten Martina Trauth und Mike Schubert gegeneinander an.

© Andreas Klaer

Analyse der Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Schubert erobert die Platte

Den Rathausschlüssel ist Jann Jakobs bald los. Die erste Runde der Oberbürgermeisterwahl ist vorbei. SPD und Linke gehen in die Stichwahl. Alles wie immer in Potsdam? Keineswegs, wie die Analyse zeigt.

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Potsdam hat gewählt und auf den ersten Blick so wie immer. Bei der Oberbürgermeisterwahl hat: Der Kandidat der SPD, Mike Schubert, liegt vor der Bewerberin der Linken, Martina Trauth. Es kommt zur Stichwahl. Alles wie immer? Nein, es gibt durchaus deutliche Machtverschiebungen in der Stadt. Ein Überblicküber die wichtigsten Erkenntnisse aus dem ersten Wahlgang. 

Wo wurde die Wahl entschieden?

Potsdam wächst zwar im Norden, entschieden wurde die Wahl aber im Süden der Stadt. Ausschlaggebend dafür waren in erster Linie die auffälligen Verschiebungen in den Plattenbauvierteln. Die früheren Hochburgen der Linken fielen diesmal alle an die SPD. Bei der letzten Oberbürgermeisterwahl 2010 hatte Linke-Kandidat Hans-Jürgen Scharfenberg im ersten Wahlgang in Vierteln wie Drewitz oder Am Stern noch zwischen 45 und 51 Prozent der Stimmen geholt. Diesmal gab es dramatische Verluste: So Für die parteilose Linke-Kandidatin Martina Trauth blieb in diesen Stadtteilen immer nur der zweite Platz, mit Werten zwischen 22 und 26 Prozent. Schubert konnte hingegen jeweils um die 30 Prozent gewinnen und blieb damit nur leicht unter dem SPD-Niveau von 2010. Auch CDU-Kandidat Götz Friederich konnte im Potsdamer Süden nur wenige Wähler begeistern: Von 7,7 Prozent im Schlaatz bis zu 15,5 Prozent in Drewitz – mehr war für den Steueranwalt nicht drin.

Was zeigt die Wahl noch?

Zweierlei. Einmal ist offenbar nur wenig Wechselstimmung in Potsdam vorhanden. So kamen die Kandidaten der Parteien der jahrelang regierenden Rathauskooperation – also SPD, Grüne und CDU/ANW – auf knapp 60 Prozent. Noch größer ist allerdings der Wählerwillen für eine linkere, liberalere Politik: SPD, Linke, Grüne und Die Andere kommen zusammen auf mehr als 70 Prozent. 

Wo gibt es Hochburgen: Wo haben die Kandidaten der einzelnen Parteien die größten Stimmenanteile erreicht?

Im Vergleich zu 2010 hat Schubert für die SPD zwar insgesamt rund zehn Prozent eingebüßt. Gleichwohl gelang es ihm, alle Stadtteile zu gewinnen. Vor ihm gelang das nur Matthias Platzeck, der 1998 sogar in allen Stadtteilen die absolute Mehrheit erreichte, was eine Stichwahl überflüssig machte. Mehr als 35 Prozent erhielt Schubert etwa im Kirchsteigfeld, in Sacrow und in der Templiner Vorstadt. Trauth hatte ihre besten Ergebnisse – trotz aller Verluste – in den Plattenbaugebieten. Auch in der Brandenburger Vorstadt und der südlichen Innenstadt holte sie um die 20 Prozent. CDU-Kandidat Friederich war besonders stark im Norden, etwa mit 29,2 Prozent in Groß Glienicke. Dennoch lag Schubert dort ebenso vorn wie in der mondänen Berliner Vorstadt. Der SPD-Mann holte dort 32,9 Prozent, vor Friederich mit 29,4 Prozent lag. Der linksalternative Kandidat Lutz Boede holte zwischen 16 und 18 Prozent im Potsdamer Westen, in der Innenstadt, aber auch in Babelsberg. Auf niedrigerem Niveau waren das auch die Hochburgen von Grünen-Kandidatin Janny Armbruster, die zudem unter anderem in Groß Glienicke, der Nauener Vorstadt und der Jägervorstadt überdurchschnittlich abschloss. Der rechtspopulistische AfD-Kandidat Dennis Hohloch war besonders stark am Schlaatz – mit 23,4 Prozent bekam er dort so viele Stimmen wie Trauth. Auch in den anderen DDR-Neubaugebieten erhielt er mit 16 bis 20 Prozent überdurchschnittliche Werte, ebenso in den nördlichen Ortsteilen Fahrland mit 19,7 Prozent, Neu Fahrland mit 17,3 Prozent und Grube mit 16,6 Prozent. In der Brandenburger Vorstadt am Tschäpe-Platz - erhielt der Rechtspopulist dagegen nur 3,3 Prozent.

Wo war die Wahlbeteiligung am höchsten – und wo am niedrigsten?

Die Prozentwerte für Hohloch relativieren sich ein wenig, wenn man die Wahlbeteiligung betrachtet: Die blieb in den Plattenbaugebieten vom Schlaatz mit knapp 24 Prozent bis zum Stern mit 34 Prozent durchweg unter dem Potsdamer Durchschnitt. Deutlich höhere Werte – um die 47 Prozent – wurden etwa in Marquardt oder Nord-Babelsberg erreicht. Allerdings sind die Zahlen insofern ungenau, als das die Stadt keine Statistik darüber führt, aus welchen Stadtvierteln die rund 21 000 Briefwähler kamen. 

Was lässt sich zur Wählerwanderung sagen?

Dazu gibt es keine genauen Erhebungen. Angesichts der hohen Verluste der Linken kann man aber davon ausgehen, dass ein Teil ihrer einstigen Wähler nun mehr Protestpotenzial darin sieht, die AfD zu wählen. Und auch der engagierte Wahlkampf von Boede dürfte die Linken Stimmen gekostet haben – wie auch Schuberts Erfolg in den Plattenbauvierteln. 

Gab es für alle Kandidaten einen Wohnort/Kiez-Bonus?

Teils, teils. Ein Negativ-Beispiel ist Martina Trauth, die im Wahlkreis rund um den Tschäpe-Platz in der Brandenburger Vorstadt wohnt. Dort aber ging sie mit unterdurchschnittlichen 18,5 Prozent noch hinter Schubert (28,7 Prozent) und Armbruster (20,5 Prozent) ins Ziel. Auch Götz Friederich erreichte in seinem Wahlkreis am Babelsberger Weberplatz nur 14,9 Prozent – 8,3 Prozentpunkte weniger als Boede und sogar 16,7 Prozentpunkte weniger als Schubert. Besser lief es für Grünen-Kandidatin Armbruster, die An der Pirschheide 12,6 Prozent der Stimmen gewann – aber dort dennoch klar hinter Boede, Trauth und Schubert blieb. Der SPD-Kandidat holte in seinem Kiez in Golm rund um Ehrenpfortenbergstraße 36,8 Prozent – über seinem Potsdamer Durchschnitt. Besonders viele Stimmen in seinem Wohnumfeld gab es für Boede: Im Innenstadt-Wahlkreis rund um die Hans-Thoma-Straße bekam er 22,3 Prozent – Platz zwei hinter Schubert mit dort 29,8 Prozent. Auch AfD–Mann Dennis Hohloch ging in seinem Wahlkreis Am Springbruch in der Waldstadt 23,2 Prozent – doch auch hier war Schubert mit 25,5 Prozent etwas stärker. 

Die Kandidaten von SPD und Linke liegen zwar vorn, haben jedoch beide im Vergleich zur Wahl 2010 Stimmenanteile verloren. Woran liegt das?

Womöglich vor allem an der Bekanntheit – Trauth war als Gleichstellungsbeauftragte im Rathaus vor ihrer Kandidatur ein politisch unbeschriebenes Blatt. Und auch Schubert war zwar als früherer SPD-Chef und jetziger Sozialdezernent durchaus bekannt geworden. Allerdings hatte er unter anderem mit dem Malus zu kämpfen, schon zwei Landtagswahlen verloren zu haben. 

Gibt es Erkenntnisse, wie der hohe Zuzug nach Potsdam sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat?

Ja. Beispiel: das schnell wachsende Bornstedter Feld. Von 10727 Wahlberechtigten gingen 44,5 Prozent zur Wahl – und wahrscheinlich sogar noch mehr, weil die Briefwähler hier nicht eingerechnet sind. Auch hier setzte sich Schubert mit 33,6 Prozent durch – es folgte CDU-Kandidat Friederich mit 21,4 Prozent, erst dann kam Trauth mit 16,5 Prozent. Hohloch und Armbruster landeten bei rund 10 Prozent.Eine ähnliche Rangfolge lässt sich in Zuzugsgebieten wie Bornim und Golm feststellen. Daran zeigt sich: Bei weiterem Zuzug könnte die CDU durchaus profitieren, die Linken dürften dagegen weitere Wähleranteile einbüßen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Die SPD will vor der Stichwahl am 14. Oktober mit ihren Wahlkampfbemühungen nicht nachlassen. „Wir müssen deutlich machen, dass es noch einmal auf jede Stimme ankommt“, sagte Parteichef David Kolesnyk am Montag. Die Themen Wohnen, Verkehr und behutsame Stadtentwicklung würden weiter in den Mittelpunkt gestellt. Ebenso wolle man mit den unterlegenen Parteien – außer der AfD – sprechen, ob diese eine Wahlempfehlung für Schubert abgeben. 

Doch vor allem müssen nun die Linken zulegen, wollen sie noch eine Chance haben. Der frühere Oberbürgermeister-Kandidat und Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, so eine Stichwahl habe mit ihrer Zuspitzung ihre eigenen Gesetze. „Und Frau Trauth ist eine echte Alternative“, sagte Scharfenberg seine Unterstützung zu. Mit Blick auf die Verluste der Linken sagte Scharfenberg auf Nachfrage, er behalte sich auch vor, zur Kommunalwahl im Mai einmal mehr für seine Partei anzutreten. Und Parteichef Stefan Wollenberg sagte, Man werde aber noch einmal alles geben, um deutlich zu machen, dass ein Wechsel für Potsdam nur mit Trauth möglich sei – dafür hätten ja auch Die Andere, Grüne und CDU geworben. Ob Grüne oder CDU aber wirklich Wahlempfehlungen abgeben, wird noch beraten. Die Fraktion Die Andere schloss eine Unterstützung bereits aus: „Für die Stichwahl empfehlen wir allen Wahlberechtigten, sich gut zu informieren, um fundiert zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wen sie wählen.“ Da man tiefgreifende Änderungen in der Stadtpolitik wolle, lehne man „eine Politik fauler Kompromisse und des geringeren Übels ab“, so Die Andere.

* In einer ersten Version hat sich ein Fehler eingeschlichen: Darin hieß es, die Wählergemeinschaft und Fraktion Die Andere unterstütze nun Frau Trauth. Das ist so nicht richtig. Die Andere gibt keine Wahlempfehlung ab. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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