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Werder (Havel): Faires Bäumchen

Der Werderaner Tannenhof bietet ab diesem Winter fair gehandelte Weihnachtsbäume an. Profitieren sollen davon georgische Zapfenpflücker.

Von Eva Schmid

Werder (Havel) - Eine offizielle Statistik über die Todesopfer gibt es nicht. Aber viele Familien in den kleinen Dörfern im Westen des Kaukasus haben Bekannte, Verwandte, die beim Zapfenpflücken in den Wäldern verunglückt sind, sagt Michael Kraus. Der Baumpfleger und Forstwirt ist regelmäßig in Georgien für die Organisation Fair Trees unterwegs. Fair Trees will den Absatz von fair gehandelten Weihnachtsbäumen in Europa steigern. Auch der Werderaner Tannenhof macht bei dem Projekt mit und verkauft ab diesem Winter erstmals Weihnachtsbäume, die unter fairen Arbeitsbedingungen gezogen wurden. Am Donnerstag wurden die ersten Jungpflanzen auf dem Tannenhof eingesetzt – mit dabei war auch Georgiens Botschafter Lado Chanturia. Bis die Bäume in voller Pracht stehen, wird es noch gute acht Jahre dauern, bis dahin will Tannenhofchef Mai faire Bäume von anderen Händlern dazukaufen.

Die Nordmanntanne, der Deutschen liebste Weihnachtsbaumsorte, wird im gesamten Bundesgebiet jährlich rund 23 Millionen Mal verkauft. 90 Prozent der Samen für die Bäume kommen aus Zapfen, die im Kaukasus gepflückt werden – unter schwierigsten Bedingungen. Baumpfleger Kraus erklärt beim Hinaufsteigen auf eine kleine Werderaner Tanne, wo die Tücken sind. „Oben, wo die Zapfen hängen, wird der Stamm dünn.“ Die Gefahr sei groß, dass die Spitze des Baumes breche. Die Saisonarbeiter – viele davon schwarz beschäftigt – würden nur einfachste Sicherungssysteme haben. „Die greifen nicht, wenn die Baumspitze bricht.“ Aus bis zu 60 Metern können die Pflücker dann fallen.

Trotzdem kommen die Arbeiter nur auf einen Tageslohn von umgerechnet 25 Euro, für ein Kilo Zapfen werden nur wenige Cent gezahlt. Die Erntezeit der Zapfen dauere zwei bis sechs Wochen. „Das Geld, das sie in dieser Zeit verdienen, muss vielen ein halbes, manchmal auch ein ganzes Jahr ausreichen“, sagt Kraus. Fair Trees würde die Arbeiter besser entlohnen, laut Kraus zahlt ihnen die Organisation für ein Kilo Zapfen umgerechnet knapp zwei Euro. „Zudem bekommen die Pflücker eine Sozialversicherung und sind angehalten, Steuern zu zahlen“, erklärt Marianne Bols. Die Dänin, die selbst eine Baumschule in ihrer Heimat betreibt, hat vor acht Jahren die Idee gehabt, Weihnachtsbäume fair zu handeln. Fair Trees bildet die Pflücker aus, zeigt ihnen, wie man Erste Hilfe leistet und stellt ihnen moderne Sicherungssystemen fürs Klettern zur Verfügung.

Über Marianne Bols kamen die fairen Weihnachtsbäume auch nach Werder. Der Tannenhofchef gehört zu den langjährigen Kunden der dänischen Baumschule – schon vor einiger Zeit wurde er auf das Projekt aufmerksam. Aber erst die Reise seines Sohnes in den Kaukasus war am Ende ausschlaggebend, es ab dieser Saison auch an den 30 Verkaufsständen des Tannenhofs sowie in der Filiale in Werder mit dem Angebot zu versuchen.

Im Vergleich zu anderen fair gehandelten Waren wie Kaffee, Schokolade oder Kleidung ist der Baum fürs gute Gewissen gar nicht mal sehr viel teurer als das konventionelle Grün. Der Preisunterschied werde bei gut einem Euro liegen. „Als Konsument merkt man das kaum.“

Die neuen Bäume würden extra gekennzeichnet. In dieser Saison startet der Tannenhof mit wenigen Exemplaren, 5000 Jungpflanzen hat Mai sich besorgt. Er muss nicht darauf warten, bis sie groß sind, um schon vorher mehr Geld für die Pflücker einzutreiben.

Dass das Beispiel Schule macht, darauf hofft Initiatorin Marianne Bols. In ihrem Heimatland Dänemark würden immerhin zehn Weihnachtsbaumproduzenten auf 600 Hektar Fläche die fairen Weihnachtsbäume anpflanzen. In Deutschland seien es bisher nur vier. Momentan könnten durch die Mehreinnahmen über den Verkauf nur rund ein Dutzend Arbeiter profitieren, insgesamt rund 400 Saisonarbeiter gebe es aber in der Kaukasusregion. Wenn es ihnen besser ergeht, ihr Job weniger riskant ist, dann wird Weihnachten für so manche Familie vielleicht ein noch schöneres Fest.

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