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Wende-Fotos: Bernd Blumrich stellt in Teltow aus

Eine Ausstellung im Teltower Rathaus zeigt Fotos von Bernd Blumrich aus der Wendezeit, auch von der Berliner Mauer bei Teltow.

Teltow - Was auffällt, ist der Stimmungswechsel. In den Gesichtern ist er deutlich zu erkennen: Erst Distanz, vielleicht Abwehr, jedenfalls Unsicherheit und Anspannung. Und dann, nur Sekunden oder Minuten später: Freude, ja echte Fröhlichkeit, zeigt sich in den Mienen der Menschen.

Eben noch hatten die DDR-Grenzsoldaten eher freudlos mitten im einstigen Todesstreifen gestanden. Waffen tragen die Uniformierten da schon nicht mehr, stattdessen halten sie Schaufeln in den Händen. Ihr Auftrag: Das Erdreich entfernen, das sich hier quer über dieser einstigen Straße breitgemacht hatte.

Doch jetzt Schnitt, nächste Szene: Menschen stehen dicht gedrängt. Auch mit dabei sind zwei DDR-Grenzsoldaten, einer von ihnen begrüßt einen Mann und eine Frau, vermutlich ein Ehepaar. Es werden anscheinend Hände geschüttelt. Der grüßende Grenzer fasst der Frau freundschaftlich an den rechten Oberarm. Die Szenerie scheint eine Art Wiedersehensfreude abzubilden. Eitel Sonnenschein also. Ja, tatsächlich scheint sogar die Sonne an diesem Novembertag. In den Gesichtern der Menschen ist der Schein des Lichts zu erkennen.

Es sind Szenen, die der Kleinmachnower Fotograf Bernd Blumrich am 11. November 1989 an der Grenze zwischen Westberlin und Teltow fotografiert hat. In einer Ausstellung in den Fluren des Neuen Rathauses von Teltow sind derzeit 70 seiner inzwischen historischen Bilder zu sehen. Blumrich, der noch heute als Fotograf in Kleinmachnow tätig ist und dessen Sohn Thomas im Ort ein Fotogeschäft führt, hatte in der spannenden Umbruchzeit 1989/90 Aufnahmen in der Region von Teltow bis Potsdam gemacht. Auf den Schwarz-Weiß-Fotos in der Teltower Ausstellung sieht man in die Gesichter von demonstrierenden Menschen, man kann die Losungen auf den Transparenten lesen – auch die Mauer, jenes kurz zuvor noch todbringende Bollwerk, hat Blumrich immer wieder fotografiert. Seine Fotos aus dieser Zeit sind Dokumente eines politischen Wandels, den man in den Jahrzehnten zuvor nicht für möglich gehalten hatte – und der dann quasi über Nacht hereinbrach: Mit dem Fall der Mauer.

Nur ein einziges Bild in der Ausstellung ist farbig. Wer in diesen Tagen das Teltower Rathaus betritt, wird gleich im Eingangsflur mit diesem Foto begrüßt: Die Glienicker Brücke, aufgenommen am 9. November 1990. Die Brücke liegt im Dunkeln, das Licht der Laternen leuchtet das symbolträchtige Bauwerk geradezu magisch aus. Auf dem Straßenbelag ein grüner Lichtschein. Grün, die Farbe der Hoffnung.

Blumrich war auch mit dem Fotoapparat dabei, als sich am 11. November 1989 im Bereich des Berliner Ostpreußendamms und der heutigen Lichterfelder Allee der erste Spalt im Streckmetallzaun der dortigen Grenzanlagen öffnete. „Das sah für mich als Beobachter aus, als wenn jemand einen Reißverschluss aufzieht.“ Aus Kleinmachnow im Osten war Blumrich zwei Tage nach dem Mauerfall über Dreilinden nach Berlin gefahren, wollte seinen Bruder hier in Westberlin besuchen, der in Lichterfelde wohnte. So wurde der Fotograf eher zufällig von Westberliner Seite aus Zeuge der Geschehnisse an der Mauer nahe dem Ostpreußendamm, der zu jener Zeit hier abrupt endete.

Ganz schnell – und mindestens ebenso chaotisch ging es damals zu, als man die Mauer an dieser Stelle öffnete, wie der heute 69-jährige Fotograf erzählt. Die Märkische Volksstimme (heute Märkische Allgemeine Zeitung) habe in ihrer Ausgabe vom 11. November 1989 von Grenzübergängen berichtet, die in den nächsten Tagen geöffnet werden sollen. Auch Teltow-Seehof war dabei. Selbst der Regimentskommandeur der Grenzer habe dies erst aus jenem Zeitungsbericht erfahren – und telefonierte wenig später mit seinen Vorgesetzten in Ostberlin. Doch von dort habe es nur noch geheißen: „Entscheide operativ!“ Es gab also freie Hand für die Maueröffnung im Bereich Teltow. Bereits am späten Vormittag klaffte die erste Lücke im Streckmetallzaun, dem vordersten Stück der Grenzanlage, unmittelbar am Rand zum Westberliner Gebiet.

Blumrich hat an jenem 11. November zahlreiche Bilder von diesem Ort gemacht, an dem ebenso wie an vielen anderen Stellen der Mauer in jenen Tagen sozusagen Geschichte geschrieben wurde. Eine seiner Aufnahmen zeigt zwei Westberliner Polizeiautos, dahinter eine Menschenmenge und im Hintergrund die Grenzanlagen. Heute besonders interessant ist indes das Schild im Vordergrund: „Teltow, Kreis Potsdam 2,5 km“ heißt es dort. Ein dicker Pfeil zeigt die Richtung an. Das Verkehrsschild stand hier schon lange, wurde nicht erst in Erwartung der Maueröffnung im November 1989 aufgestellt. Denn das Schild war gleichsam ein politisches Zeichen. „Man wollte die Berliner immer daran erinnern: Freunde, da geht’s nach Teltow“, sagt Blumrich.

Auch an anderen grenznahen Straßen Westberlins hätten solche Schilder auf die umliegenden Orte im damaligen Bezirk Potsdam hingewiesen, auch wenn dort gar kein Grenzübergang war. „Vom Westen aus wurde versucht, die Erinnerung wachzuhalten, vom Osten aus versuchte man, sie zu tilgen“, erklärt der Fotograf heute. Was am 11. November in Teltow-Seehof mit dem ersten Schnitt in den Streckmetallzaun begann, mündete bereits am 14. November 1989 in die Eröffnung eines völlig neu geschaffenen Grenzübergangs. Teltows Bürgermeister Manfred Graulich und der Bezirksbürgermeister von Berlin-Steglitz, Klaus-Dieter Friedrich, begrüßten sich nun an jenem Ort, an dem kurz zuvor noch jedem „Grenzverletzer“ der Tod durch Erschießen gedroht hatte.

„Sehnsuchtsvolle Tage 1989/90“ ist noch bis zum 22. November im Neuen Rathaus Teltow, Marktplatz 1-3, zu sehen (während der Öffnungszeiten des Rathauses). Ein Archiv mit Fotos von Bernd Blumrich findet sich hier.

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