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Weingut-Inhaberin Lara Wolenski und ihr Vater bewirtschaften den Weinberg in Töplitz.

© Sebastian Gabsch

Weinlese in Töplitz: Die quietschsauren Geiztrauben

Eine Besonderheit im Rekordjahr bei der Winzer-Familie Wolenski aus Töplitz: steinharte, kleine Beeren, die in Top-Lokalen begehrt sind. 

Von Carsten Holm

Töplitz - In der flachen Havellandschaft um die Insel Töplitz kann ein 54 Meter hoher Hügel für Weitsicht sorgen: Über dem Örtchen, das zur Stadt Werder (Havel) gehört, thront der Weinberg der Familie Wolenski. Und wer dort oben angelangt ist, sieht  auf Havel-Schiffe, auf wiederkäuende Rinder und hinüber nach Phöben. 

An der Aussicht haben sich Lara Wolenski, die 31 Jahre alte Inhaberin des Bio-Weinguts Klosterhof Töplitz, und ihr 71-jähriger Vater Klaus derzeit kaum erfreuen können. Es war harte Arbeit, die sogenannten Geiztrauben abzuschneiden, erbsengroße, steinharte Beeren, die nicht zu großen reifen können, sie geizen mit allem, was gute Trauben ausmacht. Sie müssen entfernt werden, weil nur so die Qualität der verbleibenden Trauben schmeckbar zunimmt. 

Eine Anfrage vom Sternekoch

Geiztrauben haben die Wolenskis jahrelang weggeworfen – bis vor drei Jahren. Da fragte ein Berliner Sterne-Koch, ob sie aus dem Abfall nicht Verjus pressen könnten, einen klaren, sauren Edelmost. „Der Dreiviertelliter kostet 12,50 Euro, aber trinken kann man den nicht. Er schmeckt fürchterlich, einfach nur quietschsauer”, sagt Klaus Wolenski. Doch viele Top-Köche schwören auf den grünen Saft, dessen zarte Säure sie Zitronen oder Essig vorziehen. Die Wolenskis pressen inzwischen 500 Liter für Sterne-Restaurants wie das Berliner „Nobelhart & Schmutzig”. 

Die Wolenskis pressen aus den Trauben ihres Weinbergs 20.000 Flaschen Wein pro Jahr.
Die Wolenskis pressen aus den Trauben ihres Weinbergs 20.000 Flaschen Wein pro Jahr.

© Sebastian Gabsch PNN

Der Weg zum Winzer verlief für Klaus Wolenski nicht gradlinig. Der geborene Spandauer war 15 Jahre lang Beamter im Berliner Landesamt für Wohnungswesen, bis er, 35 Jahre alt, den sicheren Job aufgab. Er kaufte mit seiner heute 66-jährigen Frau Renate das 22 Hektar große Areal in Töplitz. Es hat eine lange Geschichte: Um 1200 bauten Mönche aus dem Zisterzienserkloster in Lehnin Wein an, im 17. Jahrhundert ließen die Preußen dort sechs Familien aus der Schweiz nach deren Façon selig werden. 

Erst Pferde, jetzt Wein

Die Wolenskis investierten etliche hunderttausend Euro. Sie setzten zunächst auf Pferde, im Alter von 50 Jahren begann der Seniorchef dafür sogar  eine dreijährige Lehre zum Pferdewirt. Da traf es sich gut, dass Tochter Lara nach dem Abitur auf der Potsdamer Lenné-Schule ebenfalls Pferdewirtin wurde und dann zur Pferde-Wirtschaftsmeisterin avancierte. Die Berufsreiterin bildet Reiter und Pferde aus, ihre Arbeit ist ein kräftiges Standbein des Familienbetriebs geworden. 

Mutter Renate kam schließlich auf die Idee, es den Mönchen gleich zu tun und Wein anzubauen. Die Wolenskis legten fünf Rebsorten an, sie kosten allesamt neun Euro pro Flasche. Mit einer Jahresproduktion von gut 100 Flaschen fing das Weingut an, jetzt werden alljährlich rund 20 000 Flaschen verkauft. „Das Gelände hier ist ein Glücksfall”, sagt Inhaberin Lara Wolenski, „wir haben hier eine Südlage mit mehr Sonnenstunden als in der Pfalz, unsere Weine waren von Beginn an über dem Niveau der Qualitätsweine.” 

Angefangen haben die Winzer mit 100 Flaschen pro Jahr.
Angefangen haben die Winzer mit 100 Flaschen pro Jahr.

© Lara Wolenski

Hunderte kamen von März bis Ende Oktober an den Wochenenden in die Besenwirtschaft des Weinguts. Renate Wolenski stellte Weidekörbe bereit, die Gäste mit Wein und hausgemachten Speisen wie Zwiebelkuchen füllen konnten, um dann hinauf zum Weinberg zu laufen. Wegen Corona bleibt die Wirtschaft in diesem Jahr geschlossen (siehe Kasten). Immerhin: Die Umsatzeinbußen von etwa 40 Prozent machten die Wolenskis fast wieder wett, weil sie  mit Mund-zu- Mund-Propaganda so viel Wein verkauften wie nie zuvor: 

Fast jeden Abend stehen Tochter und Vater im Weinkeller. Sie probieren, wie sich der Wein entwickelt, wenn die Gärung beginnt. „Das ist das harte Los des Winzers, ständig Wein zu verkosten”, sagt Wolenski grinsend, „aber es ist absolut notwendig, um Weinfehler zu vermeiden.” Weinfehler? „Es gibt mehrere Geschmäcker, die man im Wein nicht haben will”, erklärt er, „der kann nach Pferdeschweiß schmecken oder nach faulen Eiern. So etwas will kein Mensch trinken.” Seine Tochter habe „einen deutlich feineren Geruchs-und Geschmackssinn” als er, „sie sagt mitunter drei Tage, bevor es mir bewusst wird: der Wein kriegt ´nen Böckser.” 

Der Kampf gegen den Böckser

Ein Böckser ist furchtbar. Er kann sich zum einem veritablen Wein-GAU auswachsen. Sein Name ist einem ziegenbockähnlichen Geruch entlehnt, der tatsächlich an faule Eier oder an verwesendes Fleisch erinnert. Klaus Wolenski erzählt von den Dialogen zwischen Vater und Tochter: „Lara spricht vom Böckser. Ich sage: Du spinnst, der Wein ist top. Und dann schmecke ich, wie Recht sie hat. Es ist wohl leider so, dass die Sinne im Alter schwächer werden.” 

Lara Wolenski bei der Arbeit.
Lara Wolenski bei der Arbeit.

© Sebastian Gabsch PNN

Seinen Kampf gegen makellosen Wein verliert der Böckser in Töplitz bislang immer. Die Winzer tricksen ihn aus: Über ein Kupferrohr mit vielen Löchern wird der Wein in einen anderen Tank umgepumpt: „Die Lüftung und das Kupfer nehmen den Geruch sofort raus, und das Problem ist gelöst.” Steuern die Winzer nicht gegen, könnte ein ganzes Fass ungenießbar werden – und ein Schaden von vielen tausend Euro entstehen. Ist das schon einmal passiert? „Nein”, sagt Wolenski, „aber wir passen ja auch wirklich sehr auf.” Vor zehn Jahren hat Klaus Wolenski seiner Tochter das Töplitzer Weingut überschrieben, sie ist, strenggenommen, seine Chefin. Im täglichen Miteinander aber spielt diese formale Hierarchie keine Rolle. Das liegt wohl auch daran, dass beide optimistische und fröhliche Zeitgenossen sind. „Uns verbindet sicher auch”, sagt Vater Wolenski, „dass wir schon sehr viel Weine probiert haben, unseren  eigenen aber wirklich am liebsten trinken.”

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Weinberg bleibt zu

Die gerade bei Ausflüglern beliebte Besenwirtschaft auf dem Töplitzer Weinberg, die in den vorherigen Saisons zum Weintrinken zwischen den Reben eingeladen hatte, bleibt weiterhin geschlossen. Das sagt die Betreiberfamilie Wolenski. Der Ausschank mit Blick auf die Havellandschaft ist aufgrund der Corona-Einschränkungen geschlossen. 

Man wisse zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht, wann wieder geöffnet werden könne, so die Betreiber. Mit einer Wiedereröffnung der Besenwirtschaft in diesem Jahr sei jedoch nicht mehr zu rechnen. Der Flaschenweinverkauf außer Haus findet wie bislang direkt am Weinkeller in Töplitz statt, hieß es. Eine vorherige telefonische Anmeldung unter Tel.: (033 20) 6 18 41 ist allerdings erforderlich.

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