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Vollständige Identitätspapiere fehlen: Landkreis lässt Ausbildung von Flüchtlingen nicht zu

Die Ausländerbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark hat in zwei Fällen die Ausbildungsduldung verweigert und somit zwei Geflüchteten die Chance genommen, eine Lehre zu beginnen.

Von Eva Schmid

Saarmund/Werder - Eigentlich sind die Voraussetzungen gut. Der 20-jährige Mohammed Sowe und der 19-jährige Alpha Diallo aus Gambia und Guinea sprechen Deutsch, sie sind gut integriert und wollen weiterkommen. Und vor allem: Beide habe eine Ausbildung als Lageristen in Aussicht, zwei Unternehmen wollen die jungen Flüchtlinge unbedingt in die Lehre nehmen – der Fachkräftemangel ist schließlich groß. Doch obwohl Mohammed Sowe und Alpha Diallo, die sich ungern für die Zeitung fotografieren lassen wollten, sogar einen entsprechenden Ausbildungsvertrag vorweisen können, dürfen sie diese nicht antreten. Der Grund: Die Ausländerbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark stellt sich quer.

Unterstützt werden die beiden von den Ehrenamtlichen Ulrike Rauh und Martin Kühn. Die Frau aus Wilhelmshorst und der Mann aus Saarmund kämpfen seit Jahren dafür, dass ihre Paten in Michendorf beziehungsweise Teltow die Ausbildung beginnen dürfen. Doch es ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Mohammed Sowe liegt bereits seit Sommer 2017 ein Ausbildungsvertrag der Michendorfer Medizintechnik Firma "meetB" vor, der 19-jährige Alpha Diallo hat von Pflanzen Kölle in Teltow seit September vergangenen Jahres einen Ausbildungsvertrag vorliegen. Weil die beiden offiziell ausreisepflichtige Flüchtlinge sind, brauchen sie eine sogenannte Ausbildungsduldung. Eine solche soll Rechtssicherheit während der Ausbildung geben, die Abschiebung wird aufgeschoben. So sieht es seit 2016 das Integrationsgesetz vor.

Ohne Papiere keine Ausbildung

Doch die zuständige Ausländerbehörde des Kreises mit Sitz in Werder (Havel) will den zwei Geflüchteten keine Ausbildungsduldung genehmigen. Der Grund: Es fehlen Papiere, die die Identität der beiden klären. Wer sich nicht ausweisen kann, kann auch keine Ausbildung anfangen, heißt es aus der Behörde mit Verweis auf das Asylgesetz. Darin steht, dass Flüchtlinge eine Mitwirkungspflicht bei der Identitätsfeststellung haben. Rückendeckung hierfür gibt es vom brandenburgischen Innenministerium: Ohne Papiere keine Duldung während der Ausbildung, heißt es auch von dort.

Ulrike Rauh blättert durch Papiere aus einem großen Stapel vor sich. Sie wirkt verzweifelt. Aus ihrer Sicht habe sie zusammen mit ihrem Schützling Mohammed Sowe, der bereits als 15-Jähriger sein Land verließ und erst in Deutschland lesen und schreiben lernte, alles getan, was in ihrer Macht steht. Rauh zählt auf: Da Gambia keine Botschaft in Deutschland hat, sind sie zu den zuständigen Konsulaten in Berlin und Stuttgart gereist. In Berlin konnte man ihnen nicht weiterhelfen, in Stuttgart erklärte der Honorarkonsul, dass er keine Pässe ausstellen könne. Mühsam und über viele Umwege kamen Rauh und Sowe dann doch zu einem Auszug aus dem Geburtenregister. Doch die Ausländerbehörde in Werder (Havel) lehnte das Dokument ab: Ein Bild von Mohammed Sowe würde darauf fehlen, so die Begründung.

Ähnlich ist auch der Fall von Alpha Diallo. Der Asylantrag des jungen Mannes aus Guinea wurde abgelehnt, dennoch hat er eine Arbeitserlaubnis. Er ist bei Pflanzen Kölle in Teltow beschäftigt, verdient sein eigenes Geld. Diallo habe sich den Job und die Ausbildung selbst ausgesucht, erzählt sein Pate Martin Kühn. Er habe eine Ausbildungsmesse besucht und auch die Termine auf der Asylbehörde selbstständig gemeistert. Regelmäßig fahre er nach Werder (Havel) und frage immer wieder, wann er denn mit der Ausbildung anfangen darf. Doch auch hier das Problem: Es fehlt an Ausweisdokumenten.

Erst Ausreise, dann Einreise - und dann Ausbildung

Die Empfehlung der Behörde: Sowe und Diallo könnten freiwillig ausreisen, um dann über ein Visumverfahren zur Ausbildung wieder nach Deutschland einzureisen. „Wir wissen wohl, dass das vorgeschlagene Verfahren nicht sehr beliebt ist, dies ist aber die einzige Möglichkeit, die Verfahren auf ein ordentliches Fundament zu stellen.“ Mit diesem Satz schließt ein Antwortschreiben von Landrat Wolfgang Blasig (SPD) an die Grünen-Chefin und Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock. Sie hatte ihn im Oktober vergangenen Jahres um Klärung der beiden Sachverhalte gebeten, nachdem Rauh und Kühn ihre Hilfe erbaten. Auch zum sogenannten Bürgerdialog von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) waren die beiden am 19. Februar nach Potsdam gefahren, um vorzusprechen – doch dort verwies man sie nur an Woidkes Bürgerbüro.

An dieses hatte sich auch eine der betreffenden Firmen gewandt, meet B. Doch das Bürgerbüro verwies an das Innenministerium und dieses wiederum an die Ausländerbehörde des Kreises. Dort heißt es auf PNN-Anfrage: „Wir handeln hier nach Recht und Gesetz. Trotzdem wird uns vorgeworfen, nicht korrekt zu entscheiden.“ Aus ihrer Haltung macht die Behörde keinen Hehl, so heißt es weiter: „Weiterhin muss es geradezu typisch gelten, dass ausreiseunwillige Ausländer die gesetzlich normierten Pflichten bzw. behördlichen Forderungen hinsichtlich der Mitwirkung lediglich zum Schein erfüllen und dabei äußerst kreativ vorgehen.“ Rauh und Kühn können dazu nur noch den Kopf schütteln. „Auf die Frage, was genau zur Identitätsfeststellung benötigt werde, bekommen wir von der Asylbehörde keine Antwort“, so Rauh.

Könnte Auszug aus Geburtenregister reichen?

Dass Flüchtlingen ohne Asylbescheid eine Ausbildungsduldung verwehrt wird und die Behörden bei der Identitätsfeststellung besonders genau sind, ist auch andernorts ein Problem – ähnliche Berichte gibt es etwa aus Baden-Württemberg. Doch andersherum soll es auch Ämter geben, die sich mit einer Bestätigung der Staatszugehörigkeit durch das Generalkonsulat oder die Botschaft zufriedengeben oder eben – wie in Sowes Fall – mit einem Auszug aus dem Geburtenregister. Doch in der Ausländerbehörde des Landkreises in Werder (Havel) stellt man sich offenbar quer. Mittlerweile werden die Fälle der beiden jungen Männer juristisch ausgefochten. „Dabei wäre es so einfach, sich gemeinsam zu einem klärenden Gespräch an den Tisch zu setzen“, sagt Kühn.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Beitrag am 18.3.2019 geringfügig verändert, um deutlich zu machen, dass nicht die Stadt Werder (Havel) agiert, sondern die Ausländerbehörde des Landkreises mit Sitz in Werder (Havel).

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