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Seit 1996 steht Kleinmachnows Lokalheilige Phryne (l.) auf dem Schulhof der Eigenherd-Schule. Sie sollte eigentlich eingeschmolzen werden.

© A. Klaer

Vergessene Denkmäler in Kleinmachnow: Dem Gedenken auf der Spur

Geschichten von rund 60 vergessenen Denkmälern und Kunstwerken hat der Heimatverein Kleinmachnow zusammengetragen. Einige von ihnen sollen nun wieder aufgestellt werden

Kleinmachnow - Verscherbelt, zerstört, überwuchert – jede Zeit sieht Denkmäler mit ihren Augen. So werden sie Jahrzehnte später oft ganz anders wahrgenommen, als dies die einstigen Stifter beabsichtigten. Der Kleinmachnower Heimatverein beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Wandel von Denkmälern. Jüngst hatte Vereinschef Rudolf Mach zu einer Bestandsaufnahme eingeladen, die für Kleinmachnow rund 60 Objekte auflistet, darunter viele Kunstwerke, von denen jedoch ein großer Teil verschwunden ist.

Mach interessieren vor allem die Veränderungen, die ein solches Denkmal, eine Skulptur oder Büste, erfahren haben. „Auch das ist Zeitgeschichte“, so Mach. Geradezu eine Metamorphose hat Mach zufolge das einstige Panzerdenkmal an der Autobahn A115 durchlaufen, nachdem die Russen bei ihrem Abzug 1992 den T34 nach Belgien „verrubelten“. Das Kriegsgerät wurde über Nacht vom Künstler Eckhart Haisch durch eine rosa Schneefräse ersetzt. „Die Debatte zu diesem Eigenleben eines Denkmals hat gezeigt, dass es nicht wirkungslos und die Unterschutzstellung durchaus gerechtfertigt ist“, sagte Mach.

Nicht mehr am Platz sind seit der Zeit der Wende auch diverse Büsten, wie die von Thälmann und Eisler, die vor zwei Schulen standen. Der Thälmannkopf lagert noch im Schulkeller der Steinwegschule, recherchierte der Heimatverein. Auch die Marx-Plakette existiert noch. Einst vor der Parteischule angebracht, lagert sie jetzt in einem Schularchiv. Das Auftragswerk modellierte 1953 der Kleinmachnower Bildhauer Otto Maerker (1891–1967). Auch Tierskulpturen gehörten zu seinem Repertoire, wie die Plastik eines Seelöwen, die vor der Sparkasse stand und auch spurlos verschwand.

Plastik von Kleinmachnows Lokalheilige Phryne sollte eingeschmolzen werden - entkam aber diesem Schicksal

Manche Bronzeplastiken wurden schon im Krieg eingeschmolzen. Diesem Schicksal entging Kleinmachnows Lokalheilige Phryne. Bis 1944 stand sie auf einer Liegewiese in Berlin-Schlachtensee. Von dort wurde die Schöne auf einen Lastwagen verladen und zum Einschmelzen durch Kleinmachnow gefahren. Ein Bombenangriff bremste den Transport. Die Skulptur fiel in einen Graben, wo Kleinmachnower sie fanden und aufbewahrten.

Ob ihre Finder um ihre eigentliche Herkunft wussten, ist nicht bekannt. Ihr Schöpfer Ferdinand Lepcke (1866–1909) schuf die Skulptur 1900 in seinem Kleinmachnower Atelier. Modell soll seine Haushälterin gestanden haben. Bekannt ist der Bildhauer für seine Plastik Bogenspannerin, die im Hof der Berliner Nationalgalerie steht. Mit Skulpturen unverhüllter Körper bediente Lepcke auch den Zeitgeschmack. Die griechische Sagengestalt Phryne war vielen Kleinmachnowern als „Badende“ ein Begriff, denn seit 1959 stand sie am Düppelteich – lange Jahre unbelästigt, bis nach der Wende Vandalen sie demolierten. Seit 1996 steht sie auf dem Schulhof der Eigenherd-Schule, nahe der Skulptur des Götterboten Hermes. Bislang unbelästigt, aber seither ist eine Debatte über den Standort im Gange.

Nur einige moosüberwachsene Fragmente verweisen auf das Kunstwerk

Ein weiteres Denkmal beschäftigt den Heimatverein ebenso: die Hoene-Säule. Zwar blieb das Werk von Max Hoene (1884–1965) unvollendet und nur einige moosüberwachsene Fragmente verweisen auf das Kunstwerk, das 1939 von Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge in Auftrag gegeben wurde. Augenzeugen sahen etwa vier Steinschichten bereits auf dem Seeberg – damals noch Nazi-Forschungsstätte – aufgereiht. Doch die fegten die Sieger davon. Thema der Säule soll laut Recherchen von Vereinsmitglied Axel Mueller die Post im Wandel der Zeiten gewesen sein. Die noch vorhandenen Relieffragmente will der Heimatverein aufstellen lassen.

Vollendet wurde dagegen ein weiterer Auftrag des Postministers und ist noch immer auf dem Seeberg sichtbar, trotz verblassender Farben der Mosaiksteine. Aber die Themen Feuer, Wasser, Luft und Erde sind noch erkennbar. Charles Crodel (1894–1973) gestaltete die Mosaiken aus kleinen farbigen Keramikriemchen. Crodel war ein von den Nazis geächteter Künstler, der bis März 1933 als Professor an der Kunstschule Burg Giebichenstein gelehrt hatte. Die Nazis entließen ihn, stempelten seine Werke als „entartet“ und entfernten seine Bilder aus den Museen. Mehrere seiner Wandbilder wurden zerstört oder überstrichen.

Ab 1951 lehrte Crodel an der Kunsthochschule Charlottenburg und war auch in den USA ein geschätzter Gastprofessor. Mit Künstlern wie Edvard Munch, Max Liebermann, Gerhard Marcks und Hedwig Bollhagen war er bekannt und befreundet. Aus der Werkstatt von Bollhagen sollen die Keramikriemchen stammen. Material lieferten die HB-Werkstätten auch für die Putzkeramiken im Vorraum zum Speisesaal der Hakeburg, die Crodel 1937/38 mit Darstellungen der Grazien nach der griechischen Mythologie ausgestaltete. Der Künstler und sein Werk wurden im Ort bislang wenig beachtet, dessen Wert gilt es noch zu erkennen. Dafür will sich der Heimatverein nun starkmachen: „Wir werden uns für die Restaurierung einsetzen“, erklärte Rudolf Mach.

Kirsten Graulich

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