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Die Bismarckhöhe, angestrahlt bei der Veranstaltung „Werder klingt und leuchtet“ 2019.

© Andreas Klaer

Traditionsreich, aber unrentabel: Werder prüft Verkauf der Bismarckhöhe

Die Stadt sucht nach Ideen für künftige Nutzung der Höhengaststätte, Stadtverordnete sind aber gegen einen Verkauf. Die Zukunft des Morgenstern-Museums ist offen.

Von Enrico Bellin

Werder (Havel) - Die Stadt Werder (Havel) könnte in den kommenden Jahren eines ihrer Sorgenkinder verkaufen: Wie aus dem aktuellen Haushaltsentwurf hervorgeht, möchte die Stadt die Bismarckhöhe im Jahr 2022 für mindestens vier Millionen Euro verkaufen. Laut Werders 1. Beigeordneten Christian Große (CDU) ist dieser Haushaltsposten „als Denkanstoß zu verstehen. Die Stadt möchte den Markt erkunden, um Impulse für die Zukunft der Bismarckhöhe zu bekommen“, so Große auf PNN-Anfrage. Zuerst hatte die „Märkische Allgemeine Zeitung“ berichtet.

Wegen des Lärmschutzes ist die Bewirtschaftung schwierig

Die Stadt hatte die frühere Höhengaststätte im Jahr 2002 vom Nachfolger der Treuhand gekauft. Das ab 1896 unter dem Bauherrn Gustav Altenkirch errichtete Gebäude diente seit den 70’er Jahren nur noch als Lager für Möbel und Textilien, ab 1990 stand es leer und verfiel. Im Jahr 2007 konnte der erste Baumblütenball im sanierten Saal der Höhe, der rund 500 Gäste fasst, gefeiert werden. Auch die Fassade des Denkmals wurde größtenteils saniert. Allerdings ist die Bewirtschaftung seit Jahren schwierig: Aus Lärmschutzgründen dürfen pro Jahr nur zehn große Veranstaltungen im Ballsaal stattfinden. Es gibt keine Küche vor Ort und so gut wie keine Parkplätze.

Betreiber der Bismarckhöhe ist die Firma Wohlthat Entertainment. Ihr Vertrag verlängert sich nach Jahresfrist automatisch, wie die Stadt den PNN mitteilte. Es gibt einen Bistro-Pavillon, den bis 2016 Ronny Pietzner betrieben hat und der nun ebenfalls von Wohlthat bewirtschaftet wird. Die letzte Veranstaltung im Saal war der Rosenmontagsball der örtlichen Karnevalsvereine. Nach PNN-Informationen gab es Beschwerden der Gäste, weil das Essenangebot hauptsächlich aus Würstchen und Kartoffelsalat bestanden habe. Firmenchef Rainer Wohlthat war am Freitag nicht zu erreichen.

Stadt will mit Interessenbekundungsverfahren den Markt sondieren

In einem Interessenbekundungsverfahren will die Verwaltung nun ermitteln, „welche Möglichkeiten auf dem Markt für die Standortentwicklung gesehen werden“, so Christian Große. Nach PNN-Informationen hat die Stadt für die Sanierung von Saal und Fassade mehr als 3,5 Millionen Euro ausgegeben, genaue Zahlen nannte die Verwaltung am Freitag auf Nachfrage nicht. Große sprach jedoch von „erheblichen Mitteln“. Auch Unterhalt und Betrieb würden hohe Kosten für die Stadt verursachen.

In den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung wird ein möglicher Verkauf des Hauses unterschiedlich bewertet. CDU-Fraktionschef Hermann Bobka zufolge sei der Eintrag im Haushaltsentwurf nur als Vorbemerkung zu verstehen. Es gehe jetzt darum, die Meinungsbildung zu beschleunigen, schließlich sei die Bismarckhöhe seit Jahren schlecht genutzt, obwohl sich viele Werderaner mit der Höhengaststätte identifizieren würden. „Wir Stadtverordnete müssen uns nun Gedanken machen, was da oben passieren kann“, so Bobka. Er persönlich könne sich etwa einen Hotelbetrieb vorstellen, dazu müsste noch eine Tiefgarage angelegt werden. Im Rahmen des Hotelbetriebes wäre dann auch der Saal öfter nutzbar, hofft Bobka. Allerdings: Schon vor dem Kauf der Stadt hatte der Treuhand-Nachfolger Gespräche mit Investoren zu einem Hotelbetrieb geführt, vergeblich.

Die Mehrheit der Stadtverordneten will keinen Verkauf 

Die CDU stellt mit ihren zwölf Abgeordneten noch immer die Mehrheit der Stadtverordneten, SPD und Grüne folgen mit jeweils vier. Gemeinsam mit der Linken, den Freien Bürgern und der Fraktion Stadtmitgestalter/Ingo Krüger haben sie aber die Mehrheit. Und in den Fraktionen ist die Mehrheit nach PNN-Informationen gegen einen Verkauf. „Wir wollen das nicht“, so SPD-Fraktionsmitglied Joachim Lindicke. Das Verhältnis zur Stadtspitze sieht er derzeit als extrem gestört an, Gespräche seien kaum möglich. Es könne auch nicht sein, dass Christian Große gegenüber Medien schon von einem Verkauf durch die Stadt spreche, wenn noch kein entsprechender Antrag von den Stadtverordneten beschlossen wurde. Es sei „doch Käse“, dass der Verkauf 2022 schon im jetzigen Doppelhaushalt 2020/21 erwähnt werde. „Wenn es die Bürgermeisterin so reinschreibt, wird es auch so passieren, da sie sich später darauf berufen wird“, so Lindicke.

Offen ist derzeit anscheinend auch, was bei einem Verkauf aus dem Museum zum Dichter Christian Morgenstern wird, das im Aussichtsturm der Bismarckhöhe untergebracht ist. Betrieben wird es vom Freundeskreis Bismarckhöhe, der es 2014 eröffnete. Der 2004 gegründete Freundeskreis hatte mehrere hunderttausend Euro für die Sanierung des Turms bei privaten Spendern und Stiftungen eingesammelt oder an staatlichen Fördermitteln akquiriert. Gründer Wolfgang Kagel zufolge habe die Stadt noch nicht mit dem Freundeskreis über Verkaufsabsichten gesprochen. Mit der Stadt gebe es einen unbefristeten Mietvertrag. Kagel sieht kaum Chancen, dass das Museum nach einem Verkauf noch im Turm bleiben kann.

Freundeskreis Bismarckhöhe fürchtet Mitgliederschwund

Der Freundeskreis Bismarckhöhe habe derzeit rund hundert Mitglieder. Kagel fürchtet, dass viele angesichts der ungewissen Zukunft abspringen. Man könne als Verein derzeit nicht mehr für das Haus tun, da die Mitgliedsbeiträge schon gerade so für die Ausrichtung der Veranstaltungen vor Ort ausreichen würden. Eine Beteiligung an einer Sanierung sei da kaum denkbar. Und die ist Kagel zufolge wieder nötig. Die historischen Fenster seien zuletzt vor vielen Jahren vom Verein neu verglast worden, es sei wieder Zeit. Auch Joachim Lindicke sieht hohen Sanierungsbedarf. Angesichts dessen und einer Kaufsumme von mindestens vier Millionen Euro hält er die Suche nach Investoren für wenig aussichtsreich.

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