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Zur Ehrung in Zivil. Seine Auftritte als Friedrich II. haben Hermann Lamprecht nicht nur in der Region bekannt gemacht. Sogar bis nach Niedersachsen und nach Westfalen ist er als Preußenkönig gereist. Dabei hat er auch immer das Wohl seiner Wahlheimat im Blick gehabt. Nun durfte er sich dafür im Goldenen Buch von Teltow verewigen.

© Johanna Bergmann, Peter Reichelt

Teltow: Mit Preußens Glanz und Teltows Gloria

Seit 25 Jahren schlüpft der Wahlteltower Hermann Lamprecht in die Rolle des „Alten Fritz“, hat damit auch seiner Stadt manchen Dienst erwiesen. Gestern durfte er sich dafür ins Goldene Buch eintragen.

Teltow – Für diesen Anlass musste es schon etwas ganz Besonders sein: Hermann Lamprecht öffnet seinen edlen, extra mit antiker roter Tinte gefüllten Füllfederhalter und setzt schwungvoll seine Unterschrift unter den kunstvollen Eintrag in dem vor ihm aufgeschlagenen Buch. Tausendfach hat er sie geübt. „Schon als Schüler“, erzählt er. Schließlich sei die Unterschrift ein Teil der Persönlichkeit und „es muss Gesicht haben, wenn der König etwas kritzelt“.

Seit fast 25 Jahren schlüpft der Wahlteltower in die Rolle Friedrich des Großen und bringt als Zeitreisender in einem handgefertigten Kostüm die deutsche Geschichte zu den Menschen. Mit seinem Enthusiasmus versetze er sie in Feuer und Flamme, lobte Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). „Ein Mann der Geschichte, der so viele Geschichten zu erzählen habe, dass es nicht nur eines Signets in einem Buch, sondern eines ganzen Buches bedürfe“, erklärte das Stadtoberhaupt in seiner Laudatio.

Denn gestern ging es nicht allein um den „Alten Fritz“, sondern um Lamprechts Verdienste. So habe er etwa 2009 mit Spenden, die er während seiner Auftritte als Preußenkönig gesammelt hatte, der Andreaskirche eine neue Glocke verschafft. 2012 habe er sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass die Stadt Teltow sich wieder eine Amtskette zulegte – die Schmidt gestern eigens für die Ehrung umgelegt hatte und als „wichtigen Traditionsbaustein“ bezeichnete. Und nicht zuletzt leitete Lamprecht vor zwei Jahren die Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des 750. Stadtjubiläums. Gestern nun brachte all sein Engagement dem gebürtigen Zehlendorfer die Ehre ein, sich anlässlich seines 80. Geburtstages, den er wenige Tage zuvor gefeiert hatte, im Goldenen Buch der Stadt zu verewigen.

Das Datum war ihm dabei fast noch wichtiger als sein eigener Geburtstag. „Friedrich II., mein Seelenbruder, wurde am 24.1.1712, also heute vor 305 Jahren, im Stadtschloss zu Berlin geboren“, erklärte er. Mit seinen etwas über 1,70 Meter zwar deutlich über den Kopf des relativ klein gewachsenen Idols hinausragend sowie mit weniger stechenden Augen, dafür mehr Sehschärfe ausgestattet, bemüht sich Lamprecht mit jedem Auftritt, der historischen Figur authentisch nah zu kommen. Gestern jedoch erschien Lamprecht ohne Montur, lediglich eine schwarz-weiße Hohenzollernschleife hatte er zu weißem Hemd um den Hals gebunden. „Ich kann hier ja nicht als Kasperle auftreten“, erklärte er, auch wenn er sonst „seine Mission, an die Geschichte zu erinnern“, sehr ernst nehme.

Ein Buch, geschenkt von einem Kollegen, brachte den Diplom-Verwaltungswirt Anfang der 1970er-Jahre auf die Spur des König. Das Werk über dessen Vater, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., habe ihn so sehr gefesselt, dass er fortan Dutzende Bücher über die Geschichte des Königs und den Preußischen Hofstaat verschlang, bis es 1993 zu einer weiteren Initialzündung kam. „Ich war mit meinem Enkel auf Studiotour in Babelsberg“, erinnert sich der 1997 in den Ruhestand verabschiedete Schutzpolizist. Die Ausstattung und Requisite aus dem Mehrteiler „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ beeindruckte ihn. Plötzlich sei ihm die Idee gekommen, sich ein Kostüm des „Alten Fritz“ zu besorgen, erzählt der vierfache Familienvater, der als Polizist und Vorsitzender eines Schützenvereins bereits gewohnt war, Uniform zu tragen. Schon kurz darauf ließ er sich einen maßgeschneiderten Anzug nach Original-Vorbild fertigen. Die Stiefel aus echtem Leder seien inzwischen mehrfach neu besohlt.

Den Gedanken, zunächst Gasthäuser, die den „Alten Fritz“ im Namen tragen, zu besuchen und zu überraschen, verwarf er schnell. In den „Schuppen, die nicht einmal eine Gipsbüste aufwiesen“, sah er das Antlitz des Königs beschmutzt. Den ersten Auftritt hatte er dennoch bei einem echten Fritz. Bei der Feier eines gleichnamigen Freundes erschien er erstmals in seinem neuen Outfit und schlug ein. „Es war der Hammer“, erinnert sich der 80-Jährige. Die Sorge einer möglichen Blamage erwies sich als völlig unbegründet.

Inzwischen hat Hermann Lamprecht in Gestalt des Preußenkönigs das ganze Land bereist, war in Potsdam, im Oderbruch, in Magdeburg, Niedersachen, selbst in Hagen (Westfalen) – einer Grafschaft der Mark, erzählt er. Alles hat er epochal geordnet und zwischen Aktendeckeln abgelegt. „Es ist wie ein zweites Leben“, das ihm gegeben sei.

Eine Schauspielschule besuchte Lamprecht, der vor 17 Jahren mit seiner Frau, die er liebevoll „Kleene“ nennt, nach Teltow gezogen war, nie. „Ich habe keine Scheu, gehe auf Menschen zu“, betont er. „Zu parlieren“, das liege ihm, sagt er.

Dass Gäste seiner Auftritte dem redegewandten, freundlich, aber dominanten Fritz Paroli bieten, hat er nicht allzu oft. Erst neulich gab es eine solche Begegnung, die ihm bei all dem Erlebten als besonders faszinierend hängen blieb. Der zu feiernde Jubilar verwickelte ihn in ein Wechselspiel, das neu für ihn war. „Ein Blick und Esprit wie Napoleon“, schwärmt Lamprecht, der sich noch viele solcher Auftritte erhofft. Und auch solche Ereignisse motivieren ihn: Als er kürzlich eine bettlägerige Patientin in einem Pflegeheim in ihrem Zimmer besuchte, richtete diese sich auf und blickte plötzlich mit hellwachen Augen zu ihm hin. „Der Alte Fritz“, rief sie und kicherte fröhlich. „Das hat mich zutiefst beeindruckt und berührt“, erklärt er. Schon allein wegen solcher Momente werde er, so lange „die Birne klar und ich körperlich beweglich bin“, weiter als Preußenkönig durch die Lande ziehen, sagt er. Solveig Schuster

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