zum Hauptinhalt

Teltow: „Alles ist ausgereizt“

Solveig Haller, Leiterin des Teltower Kita-Eigenbetriebs, spricht im PNN-Interview über Raumnot und vergebliche Hilferufe.

Frau Haller, Teltow sucht Tagesmütter. Sie haben sich mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt. Wo liegt das Problem?

Wir sehen, dass unsere Kapazitäten in den Kindergärten und Krippen immer knapper werden. Fast überall arbeiten wir mit genehmigten Sonderkapazitäten, das heißt, wir liegen niedriger als der pro Kind festgelegte Raumbedarf von 3,5 Quadratmetern Spielfläche. Alle Möglichkeiten sind ausgereizt. Tagesmütter könnten hier für Entlastung sorgen. Auch wissen wir, dass einige der langjährig bei uns beschäftigten Tagesmütter bald in den Ruhestand gehen, darauf wollen wir vorbereitet sein.

Wie erfolgreich war Ihr Aufruf?

Die Resonanz war bisher leider gleich Null. Es ziehen sehr viele junge Mütter nach Teltow, die wegen der eigenen Kinder noch zu Hause sind. Es war schon unsere Hoffnung, einige von ihnen für diese Tätigkeit zu gewinnen. Aber wir geben noch nicht auf.

Was muss man denn mitbringen, wenn man Tagespflegeperson werden will?

Ein mehrtägiger Kurs zur Qualifikation für diese Aufgabe ist Grundvoraussetzung und wird vom Landkreis angeboten und gefördert. Für die Betreuung der Kinder reichen ein bis zwei Räume mit der vorgegebenen Spielfläche pro Kind, wo sich die Kinder gefahrlos bewegen und spielen können. Ein Erste-Hilfe-Kurs für Kleinkinder muss vor Beginn der Tätigkeit erfolgreich absolviert worden sein. Bei der Erstausstattung, etwa Wickelkommode oder Spielzeug, helfen wir, wobei es nicht die teure rosa Barbie-Küche sein muss. Besser ist kreatives natürliches Material.

Wie finden sich Eltern und Pflegepersonen?

Auf der Homepage der Stadt Teltow ist eine Liste mit allen für uns tätigen Tagesmüttern und -vätern veröffentlicht. Eltern können sich direkt dort melden. Am Ende entscheidet Bauchgefühl auf beiden Seiten, die Bedürfnisse müssen passen.

Können Sie noch jedem Kind einen Platz anbieten?

Im Moment noch, ja. Aber ich sehe auch an der Statistik, die ich quartalsweise für den Landkreis erstelle, wie viele Teltower Kinder in anderen Gemeinden oder Berlin betreut werden. Aktuell sind das mehr als 70 Krippen- und Kitakinder.

Der Zuzug junger Familien hält an ...

Ja, der Trend in Teltow ist ein anderer als anderswo im Land, wo die Bevölkerung zurückgeht oder das Alter ansteigt. Wir sind gerade dabei, einen Kitabedarfsplan zu erstellen, aufgeteilt nach Stadtteilen oder Quartieren. Wir drücken hier auf die Tube, in maximal zwei Jahren werden wir neue Kitas brauchen. Und hier nenne ich bewusst die Mehrzahl.

Die baulichen Voraussetzungen sind das eine, aber jede neue Kita braucht auch Personal. Reichen Ihnen die Erzieher?

Ja. Wir hatten in den vergangenen Jahren einen Babyboom in den eigenen Reihen, über 20 Mitarbeiterinnen haben selbst Kinder bekommen, kehren jetzt aber zurück. Auch bilden wir selbst aus, in fast allen Einrichtungen qualifizieren wir Quereinsteiger. Wir wissen, was wir brauchen und können so gut vorplanen.

Erzieher in Brandenburg werden besser bezahlt als in Berlin. Auch ein Plus für Teltow?

Es liegt nicht unbedingt am Geld. Das Problem ist die Menge Erzieher, die fehlen. Der Erzieher-Kind-Schlüssel hat sich verbessert, damit wächst zusätzlich der Bedarf an Erziehern. Bei uns werden jetzt in der Krippe fünf Kinder von einem Erzieher betreut, vorher waren es sechs. Wenn die Bedingungen und die Arbeitsatmosphäre stimmen, bleiben die Mitarbeiter auch gerne bei dem Träger. Man muss heute mehr tun und attraktiv sein, um Personal zu halten. Zu uns kommen die Bewerber inzwischen auf Empfehlung. 

 

Schafft der verbesserte Schlüssel nicht auch Raum für mehr Qualität?

Wir müssen realistisch bleiben. Baden-Württemberg hat im Vergleich einen Erzieher-Kind-Schlüssel von eins zu 3,1. Unsere Gruppen sind immer noch sehr groß, aber wir müssen sie auch füllen, weil wir die Plätze brauchen. Bei den Neuplanungen werden wir aber darauf achten, dass wir die Menge der Kinder in der Einrichtung überschaubar halten. Wir werden keine 300-Kinder-Kita bauen.

Lässt sich das alles noch finanzieren?

Es wird schwieriger. Durch Zuschüsse des Landkreises können wir als Träger unsere Personalkosten nur zu 85 Prozent refinanzieren. Das liegt an den vergleichsweise langen Öffnungszeiten unserer Einrichtungen von in der Regel 6 bis 18 Uhr und Anwesenheiten des Personals, die wir dem Bedarf entsprechend vorhalten. Das bleibt dann an der Kommune hängen. Wir werden hier aber sehr gut durch die Stadt Teltow unterstützt.

Teltow hat gerade die Kita-Gebühren-Satzung geändert, war das auch ein Grund?

Nein. Das liegt an der Sozialgesetzgebung, die vorschreibt, wie Eltern mit geringen Einkommen bei Kita-Gebühren herangezogen werden dürfen. Unsere Sätze waren zu hoch. Unser Ziel bei der Umgestaltung des Gebührenmodells war es, so viel einzunehmen wie bisher. Das ist uns gelungen. Nach aktuellen Berechnungen liegen wir nur 6000 Euro über dem Vorwert.

Besserverdienende sollen jedoch mehr bezahlen, ist das gerecht?

Es wäre es nicht, wenn einer den Platz des anderen mitbezahlt. So ist es aber nicht. Jeder zahlt den gleichen prozentualen Anteil seines Einkommens. Das ist das Gerechteste, was wir haben umsetzen können. 70 Prozent der Eltern werden aber weniger oder gleich viel bezahlen.

Ist die kostenfreie Kita für alle realistisch?

Ja, anhand der Diskussion auf Landesebene denke ich, dass das kommen wird. Nicht unbedingt schon 2018, aber in wenigen Jahren sehe ich sie realisiert. Allerdings dürfen nicht einzelne Kommunen ausgeschlossen werden, weil sie sich das nicht leisten können. Hier muss für das ganze Land gedacht werden, damit alle Einrichtungen ihren Bildungsauftrag gut erfüllen können. Bildung beginnt mit dem ersten Tag und die muss kostenfrei sein.

Das Interview führte Solveig Schuster

Solveig Haller, 53, ist seit 2003 Leiterin des Teltower Kita-Eigenbetriebs „MenschensKinder Teltow“. Die Sozialpädagogin stammt aus dem Landkreis Uckermark.

Zur Startseite