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Rabbiner Walter Homolka.

© Ottmar Winter

Südwestkirchhof Stahnsdorf: Homolka fordert Aufklärung nach Neonazi-Bestattung

Nach der Beisetzung eines Neonazis in einer früheren jüdischen Grabstätte in Stahnsdorf fordert der Potsdamer Rabbiner Walter Homolka Antworten von der Evangelischen Kirche.

Stahnsdorf - Nach der Beisetzung eines Holocaustleugners auf dem evangelischen Südwestkirchhof in Stahnsdorf hat der Rektor des Potsdamer Rabbinerseminars Abraham Geiger Kolleg, Walter Homolka, weitere Aufklärung über die Hintergründe angemahnt. In der Debatte über die Bestattung in einem vermeintlich jüdischen Grab sei der Fokus meist falsch gesetzt, sagte Rabbiner Homolka dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam. 

Antisemitische Provokation 

Religionsgesetzlich betrachtet sei der Rechtsextremist und Antisemit nicht in einem jüdischen Grab beigesetzt worden, sagte Homolka: „Das Skandalon ist nicht, dass hier ein jüdisches Grab geschändet worden sei. Die Schande besteht darin, dass ein rassisch Verfolgter, dem die Nazis alle Ämter entzogen hatten, nicht vor der Demütigung einer antisemitischen Provokation bewahrt worden ist.“ 

Max Friedlaender war ein bekannter Musikwissenschaftler 

Die sterblichen Überreste des Neonazis wurden am 8. Oktober im früheren Grab des Musikwissenschaftlers Max Friedlaender (1852-1934) beigesetzt. Der seinerzeit bedeutende Volkslied-Experte wurde 1934 nach kirchlichen Angaben evangelisch bestattet, das Grab war seit 1980 aufgelöst. Bei dem Grab handle es sich um keine jüdische Grabstätte mit Ewigkeitsrecht, sagte Homolka. Bei christlichen Bestattungen sei davon auszugehen, dass das Recht zur Grabnutzung nur für eine bestimmte Zeit gekauft werde. „Man kann davon ausgehen, dass dies schon 40 Jahre lang nicht mehr die Grablege von Herrn Friedlaender gewesen ist“, sagte der Rabbiner. 

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Hat die Friedhofsverwaltung die Problematik nicht erkannt? 

Die eigentliche Frage sei, warum die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz die Bestattung des Neonazis überhaupt zugelassen hat, sagte Homolka: „Hat die Friedhofsverwaltung die Problematik nicht schon erkannt und deshalb das Konsistorium angerufen? Warum wurde dort diese erneute Demütigung Friedlaenders ohne Not in Kauf genommen, obwohl es genügend Alternativen gegeben hätte, den Mann zu bestatten - sei es in Berlin oder seinem Wohnort in Nordrhein-Westfalen?“ „Da stehen noch Antworten aus“, sagte Homolka. Dies habe jedoch nichts mit der Frage zu tun, ob die Grabstelle jüdisch ist oder nicht. Tragisch sei vielmehr, dass Friedlaender, der von den Nazis bereits aus „rassischen Gründen“ verfolgt wurde, nun erneut eine Schändung seines Andenkens erfahren habe, betonte der Professor für jüdische Theologie: „Das Konsistorium hätte deutlich machen müssen, dass für Nazipropaganda und antisemitische Provokationen auf diesem kulturgeschichtlich bedeutenden Friedhof kein Platz ist.“ (epd)

Yvonne Jennerjahn

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