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Stahnsdorf und Kleinmachnow: Weiter Streit um Kontrollen wegen Windpocken

Nach mehreren Windpockenfällen in Stahnsdorf und Kleinmachnow dürfen jetzt die ersten Kinder wieder zurück in ihre Schulen und Kitas. Die Eltern einiger geimpfter Kinder fühlen sich angefeindet. 

Von Eva Schmid

Kleinmachnow/Stahnsdorf - Mehrere an Windpocken erkrankte Kinder in Kleinmachnow, Stahnsdorf und Bad Belzig heizen die bundesweite Debatte zum Thema Impfpflicht weiter an. Das mittelmärkische Gesundheitsamt hat auf die jüngsten Fälle der Krankheit mit Impfbuchkontrollen an Schulen und Kitas reagiert und zahlreiche Besuchsverbote verhängt. Die PNN geben einen Überblick. 

Wie viele Kinder wurden ausgeschlossen? 

Das Gesundheitsamt hat meist am nächsten Arbeitstag nach der Meldung die Impfpässe in den betroffenen Einrichtung kontrolliert. Außer im Fall der Kleinmachnower Waldorfschule: Die Schulleitung gab gegenüber den PNN an, bereits am 14. März den Fall gemeldet zu haben. Die Behörde bestätigt eine Meldung für den 18. März – kontrolliert wurde dennoch erst drei Tage später. Von den kontrollierten an diesem Tag 240 Kleinmachnower Waldorfschülern wurden am vergangenen Donnerstag zunächst 66 vom Unterricht ausgeschlossen. 400 Schüler hat die Schule. Auch noch am gestrigen Donnerstag blieben laut der Geschäftsführerin der Schule, Katrin Falbe, rund 62 Kinder zuhause. Eltern haben wie berichtet die Möglichkeit auch noch nachträglich der Behörde Unterlagen einzureichen, die einen ausreichenden Schutz vor Windpocken belegen. 

In der Stahnsdorfer Waldorfkita wurden 20 der 38 anwesenden Kinder am Montag wieder nach Hause geschickt. Mittlerweile gilt das Besuchsverbot nur noch für elf Kinder, wie die Leiterin der Kita, Margit Landau bestätigte. Bei der evangelischen Hoffbauer-Grundschule, die ebenfalls am Montag aufgrund eines Verdachtsfalls kontrolliert wurde, erhielten von 299 Kindern zunächst zehn Kinder Besuchsverbote, bei 22 war der Impfstatus noch unklar. Von den 432 am Mittwoch kontrollierten Grundschülern der kommunalen Geschwister-Scholl-Schule in Bad Belzig wurden 64 vorerst ausgeschlossen. 

Wie lange gilt das Besuchsverbot?

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt bis zu 16 Tage, das ist die mittlere Inkubationszeit. Das mittelmärkische Gesundheitsamt schließt derzeit die Kinder für rund zehn Tage aus. 

Was fordern die Behörden? 

Nur Kinder, die zweifach gegen Varizellen geimpft sind, dürfen Schulen und Kitas weiterhin besuchen. Diejenigen, die zunächst ausgeschlossen wurden, können nachträglich ein ärztliches Attest vorlegen, das bestätigt, dass das Kind die Krankheit bereits hatte. Mittlerweile lässt die Behörde auch eidesstattliche Erklärungen der Eltern gelten, um Familien, die durch Umzüge nicht mehr an die Atteste kommen, nicht unnötig zu belasten. Weiterhin wird eine Blutunterschung (Titerbestimmung) akzeptiert, die beweist, dass das Kind ausreichend Antikörper hat. Wer sein Kind nur einmal gegen Varizellen hat impfen lassen, dem wird empfohlen, die zweite Impfung schnellstens nachzuholen. Da der Impfschutz aber dennoch nicht sofort umfassend greift, gilt weiterhin das Besuchsverbot. Das führt bei vielen Eltern zunächst zu Unverständnis. 

Sind die Kontrollen überzogen?

Das ist derzeit der große Streitpunkt. Die Kleinmachnower Waldorfschule sagt ja und verweist darauf, dass all die Jahre zuvor so nicht vorgegangen wurde. Die anderen Einrichtungen äußern sich dazu nicht. Viele Eltern sind überrascht, dass wegen eher harmlos wirkenden Windpocken ein solches Aufheben gemacht wird. Verärgert sind auch viele Eltern geimpfter Kinder, dass sie vor allem in den sozialen Medien angefeindet und per se als Impfgegner gelten, nur weil sie Waldorfeinrichtungen besuchen. Auch stehen Eltern ungeimpfter oder nicht ausreichend geimpfter Kinder vor dem Problem, ihre Kinder zuhause betreuen zu müssen. Krankschreibungen für gesunde Kinder gibt es nicht. 

Warum wird am Schultor kontrolliert? 

Die Einlasskontrollen an der Kleinmachnower Waldorfschule haben für reichlich Wirbel gesorgt. Gegenüber den PNN betont die Kreisverwaltung, dass das so nicht hätte ablaufen müssen. In der Kleinmachnower Waldorfschule sei den Behörden zunächst der Zugang verweigert worden, so Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert. Er verweist auf das Vorgehen an der Hoffbauer-Grundschule – dort und in der Waldorfkita sei man „sehr kooperativ“ gewesen. So wurden in der Hoffbauer-Einrichtung die Impfpässe von der Schulleitung eingesammelt, die Behörden kontrollierten sie dann in einem separaten Raum. Die Störung sei somit auf ein Minimum reduziert worden, so Schwinzert. „Wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, so vorzugehen“, sagt Katrin Falbe von der Waldorfschule den PNN. Für die Schule schienen die Kontrollen am Eingangstor „eine geringere Beeinträchtigung unseres Schulbetriebs“. So wurden Schüler ohne Unterlagen wieder nach Hause geschickt. Hätten sie aus dem Unterricht herausgenommen werden müssen, war für Falbe auch unklar, was passiert wäre, wenn die Eltern die Kinder nicht hätten abholen können. Die Idee der Behörde, die Kinder in einem Raum warten zu lassen, lehnte Falbe ab. 

Auf welcher gesetzlichen Grundlage wird kontrolliert? 

Das Gesundheitsamt bezieht sich auf das seit Juli 2017 bestehende Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten und einer dazugehörigen Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die vom RKI genannten Maßnahmen würden „Empfehlungen darstellen, die der konkreten Situation und den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend angepasst werden müssten“, so RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Letztendlich obliege es dem Gesundheitsamt, über das Vorgehen zu entscheiden. Das RKI empfiehlt Maßnahmen im Sinne des Gemeinschaftsschutzes. 

Wie wurde früher mit Windpocken umgegangen?

Vor 2017 überprüfte das Gesundheitsamt lediglich, wer erkrankt ist und gab die Information an die Einrichtungen weiter. Die Einrichtungen informierten daraufhin die Eltern. Ausgeschlossen wurde niemand. 

Wie sind die Impfquoten der Schulanfäger?

In den vergangenen acht Jahren hat sich die Anzahl der Kinder, die gegen Windpocken geimpft sind, erhöht. Waren 2011 von den rund 2000 mittelmärkischen Schulanfängern 77 Prozent geimpft, waren es es im vergangenen Jahr 88 Prozent. Die Quote war aber schon mal höher: in den Jahren 2014, 2015 und 2016 lag sie bei über 90 Prozent. Konstant indes ist die Impfquote für Masern, Mumps und Röteln – sie liegt bei 94 Prozent. 

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