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Pias Tumor ist wieder gewachsen.

© privat

Siebenjährige Potsdamerin: Eltern in Sorge um krebskranke Pia

Viele Potsdamer nehmen Anteil an der Geschichte von Pia. Nun ist der Gehirntumor des sieben Jahre alten Mädchens aus dem Kirchsteigfeld wieder gewachsen – mit Folgen für ihren Alltag.

Von Carsten Holm

Es ist ein trauriger Augenblick am Samstagnachmittag. Ein Anruf wie schon mehrmals in größeren Abständen bei Jeanine Hillmann in Kirchsteigfeld und die Frage, wie es ihrer Tochter Pia gehe. Aber diesmal ist alles anders als bei den Anrufen zuvor: Dem Mädchen geht es nicht gut.

Seit dem 11. September vergangenen Jahres weiß seine Mutter, dass die Gefahr groß ist, dass die Siebenjährige den inoperablen Gehirntumor nicht überleben wird, den Ärzte der Charité an jenem Tag, einem Mittwoch, spät am Abend diagnostiziert haben. Es hat die 33 Jahre alte Potsdamerin und ihren gleichaltrigen Mann Sascha Tag für Tag all ihre Kraft gekostet, der Hoffnung mehr Gewicht als den Fakten zuzumessen. Sie glaubten trotz dieser Prognose an eine Wende zum Guten – daran, dass die vielen Bestrahlungen und ein neues, in Deutschland noch nicht zugelassenes Medikament wirken, den Krebs schrumpfen lassen würden.

Jeanine Hillmann war froh, wenn auch nicht fröhlich, als sie den PNN im Dezember von einer guten Nachricht berichtete: Der Tumor sei kleiner geworden. Eher leise, in demütigen Worten sprach sie damals von einer „berechtigten Hoffnung”.

Am Samstag ist Jeanine Hillmanns Stimme am Telefon gefasst, aber sehr ernst. Sie ist eine Frau, die keine Umschweife macht, sie sagt sofort, was sie und ihren Mann belastet: „Es gibt leider nichts Gutes von Pia zu erzählen.” Ende April sei ihre Tochter „plötzlich schlechter gelaufen”, inzwischen könne sie sich „ohne Gehhilfe und unsere Unterstützung nicht mehr allein fortbewegen”. Pias Sprache, sagt die Mutter, sei „verwaschener geworden, sie spricht undeutlich”. Ihre Tochter spüre, dass sich etwas verändert habe, sie sei „deswegen manchmal schlecht gelaunt”.

Niederschmetterndes Ergebnis Anfang Mai

Sascha Hillmann ist Elektromeister im Klinikum „Ernst von Bergmann“, seine Frau, eine kaufmännische Angestellte, ist in Elternzeit. Sie schildert, was passiert ist: Anfang Mai habe eine erneute Magnetresonanztomografie in der Charité ein niederschmetterndes Ergebnis gebracht. „Eindeutig” sei zu erkennen gewesen, „dass der Tumor gewachsen ist”. Jeanine Hillmann macht eine Pause, als würde sie einen Moment nachdenken über das, was nun auf die Familie zukommen könnte. „Ja, wir sind in sehr großer Sorge um Pia”, sagt sie dann.

Große Resonanz auf Spendenaufruf 

Das Schicksal der Hillmanns, zu denen auch der zwei Jahre alte Phil gehört, hat weit über Potsdam hinaus für überwältigende Anteilnahme gesorgt. Die leidenschaftliche Fußballspielerin hatte im Juli 2019 täglich über Kopfschmerzen im Hinterkopf geklagt, Ende August war ihre linke Körperhälfte wie gelähmt. Dann die Diagnose in der Berliner Charité: Ein sogenanntes Diffuses Intrinsisches Pinsgliom, kurz DIPG, hatte sich in ihrem Kopf eingenistet. Wegen der Nähe zum Stammhirn sei der Tumor inoperabel, hieß es, die Ärzte prognostizierten eine Lebenserwartung von sechs bis neun Monaten. „Es war ein Schlag ins Gesicht”, sagte Jeanine Hillmann. Dann kam die Stunde der Helfer. Freunde fanden im Internet heraus, dass es am Universitäts-Kinderspital in Zürich ein neues DIGP Centre for Expertise gibt, in dem Ärzte das in Deutschland noch nicht zugelassene Medikament ONC201 anwenden. Tumore waren dort bei erkrankten Kindern stabil oder rückläufig, in einem Fall sogar vollständig zurückgegangen.

Das Problem: Eine Behandlung würde über 100 000 Euro kosten. Die Krankenkassen der Eltern lehnten die Übernahme ab, obwohl die Deutsche Krebsgesellschaft das Medikament als möglicherweise „letzten Strohhalm für das Mädchen” bewertet hatte. Die Hillmanns entschlossen sich zu einem Spendenaufruf.

Flugs richteten die in Drewitz ansässigen Fußballer der Black Bears, bei denen auch Pia kickt, ein Spendenkonto ein. Was dann geschah, hat es womöglich in ganz Brandenburg noch nicht gegeben. Innerhalb von sechs Tagen wurden 122 010 Euro gespendet. Sascha Hillmann war „völlig überwältigt”. Was nach Pias Therapie übrigbleibt, soll gemeinnützigen Stiftungen zugunsten krebskranker Kinder überwiesen werden.

Pia schien auf einem guten Weg zu sein. Als die PNN die Familie kurz vor Weihnachten besuchten, war der Schülerin nichts von ihrer Krankheit anzumerken. Ausgelassen tollte sie mit der Mischlingshündin Dara und der Katze Daisy durchs Wohnzimmer und erzählte von ihren Weihnachtswünschen: „Zaubersand und ein paar unechte Dino-Knochen”. Auf ihrer Homepage „Helft-pia.de” ist nachzulesen, wie das Mädchen die Highlights im Leben einer Siebenjährigen genoss: Besuch bei einem Konzert der Kelly Family, „Einlaufkind” in Begleitung der Stars von Hertha BSC im Olympiastadion, ein Wochenende an der Ostsee mit Oma und Opa, Fasching in der Schule, ein Aufenthalt im Resort Mark Brandenburg als Geschenk von Hertha BSC. Und dann, in der Coronazeit, Unterricht daheim von ihrer Mutter, auf Neudeutsch: Homeschooling.

Im Oktober soll Pias achter Geburtstag gefeiert werden

Und nun der Rückfall. Ständige Bestrahlungen in der Charité, immer vier Minuten. Ein neues, zusätzliches Medikament, das die Kasse immerhin bezahlt. Ende November hatte Jeanine Hillmann in einem Interview mit den PNN offen über die gewaltige Last gesprochen, die sie und ihr Mann tragen müssen. Auf die Frage, wie sie das alles aushalte, hatte sie ruhig geantwortet: „Eltern wissen: Wenn man Kinder hat, muss man funktionieren, egal, was passiert. In solchen schwierigen Lebenssituationen hilft das manchmal durch die tiefsten Täler.“ Jetzt schreiten die Hillmanns wieder durch ein tiefes Tal. „Aber wir werden die Hoffnung nicht aufgeben, dass Pia den Kampf gegen den Tumor gewinnen und dass sie überleben wird”, sagt Jeanine Hillmann. Am 15. Oktober will die Familie Pias achten Geburtstag feiern.

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