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Kleine Kostprobe. Zum Rübchenfest am Sonntag kommt die erste Ernte des Teltower Edelgemüses traditionell auf den Tisch. Bis zur Haupternte im Oktober sollen die Rübchen aber noch ein bisschen wachsen.

© Ralf Hirschberger/dpa

Rübchensaison in Teltow gestartet: Karamellisiert zu Entenbraten

Mit dem offiziellen Rübchenanstich ist in Teltow die Saison des regionalen Edelgemüses eingeleitet worden. Die Bauern erwarten jedoch nur eine mäßige Saison.

Teltow - Groß sind sie ohnehin nicht, aber diese hier könnten doch noch ein bisschen größer sein. Mit prüfendem Blick hält Landwirt Uwe Schäreke das erste offiziell geerntete Rübchen der Saison in die Sonne. Dann holt er das zweite und dritte aus dem Boden. „Es müsste mal regnen“, sagt er dann. Die beste Ernte wird es in diesem Jahr wohl nicht werden. Auch das Teltower Rübchen zolle dem heißen Sommer und der langen Trockenheit Tribut. Zudem haben die Maden der Kohlfliege dem pikanten Teltower Edelgemüse in diesem Jahr besonders zugesetzt. Nur von außen zwar, aber eine angefressene Pflanze sehe halt „nicht so schön aus“, urteilt der Bauer.

Dem frisch gekürten Rübchenprinzenpaar Anna und Louis ist’s fürs Erste egal. Sie schnappen sich die aus der Erde gezogenen Pflänzchen und halten sie ihrer Aufgabe gemäß freudestrahlend in die Kameras. Noch rutscht der Blumenkranz vom Kopf auf die Nase und auch die um Brust und Bauch geschwungene Schärpe sitzt ein wenig locker auf der Schulter. Nach einem Fototermin ist es der erste öffentliche Auftritt der beiden elfjährigen Teltower. Am Sonntag werden sie um 12 Uhr in Teltow-Ruhlsdorf das 17. Rübchenfest eröffnen und das Gemüse auch auf der Grünen Woche Anfang nächsten Jahres in Berlin präsentieren. Noch wissen sie nicht so recht, was sie erwartet, gesteht Louis.

Der Vorsitzende des Vereins Teltower Rübchen, Sören Kosanke, hat indes schon konkretere Vorstellungen. „Sie werden uns helfen, das Teltower Gemüse noch bekannter zu machen“, sagte er. Auch den Bewohnern der Region müsse man mitunter noch erklären, dass das Rübchen eben „keine Mohrrübe aus Teltow“, sondern eine eigene hochwertige Gemüseart mit eigenem Aussehen und eigenem Geschmack ist.

In der Tat ähnelt das Wurzelgemüse einer Pastinake oder Petersilienwurzel, grenze sich aber wegen der einzigartigen Mischung aus Süße und Schärfe, Kohlrüben- und Rettichnote klar von ähnlichen Kohlgemüse-Sorten ab. Am Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren wurde der typische Geschmack des Rübchens geprüft, sagt Kosanke und die Samen-Sorte „Teltower Echte“ für die Nachwelt gesichert. Seit 1994 ist auch der Name „Teltower Rübchen“ durch ein Patent geschützt.

Allerdings, die Rübe ist und bleibt eine Rarität. Ein lukratives Geschäft sei mit dem Anbau nicht zu betreiben, weiß der Vereinsvorsitzende. Die beiden Bauern Uwe Schäreke und Axel Szilleweit decken vor allem den Eigenbedarf heimischer Rübchenfans ab und beliefern regionale Brot-, Wurst- und Schnapsproduzenten. Anfragen kommen inzwischen aber auch aus ganz Deutschland und Europa.

Für das Fest am kommenden Wochenende, bei dem traditionell sämtliche Rübchenprodukte zu probieren und erstehen sind, sind die Rübchensamen schon im Juli und somit etwas früher als üblich in den Boden gesetzt worden. Wegen des ausbleibenden Regens mussten die Hobby-Landwirte in die Pflege der jungen Pflänzchen in diesem Jahr aber besonders viel Zeit investieren, vor allem um sie zu wässern. „Früher kamen wir nicht einmal mit dem Pferd aufs Acker, weil es so nass war, heute ist hier Wüste“, sagt Uwe Schäreke. Auch sein Vater und Großvater hätten schon die Rübe angebaut, erzählt der Ruhlsdorfer. Ihr Ursprung geht aber sehr viel weiter zurück.

Um im Winter zusätzliche Nahrung zu haben, hatten die Teltower Ackerbürger früher nach der Getreideernte Rübchensamen ausgebracht. Es dauerte jedoch nicht lange, bis das Gemüse vom Arme-Leute-Essen zur Delikatesse aufstieg. Zunächst an den Fürstenhöfen serviert, brachte es die Rübe zu Zeiten Napoleons bis an den Hof des Kaisers. Mit der Industrialisierung brach der Anbau in der Region ein, nur vereinzelte Hobbygärtner hielten an dem Gemüse fest und sorgten dafür, dass die 300-jährige Kontinuität nicht abriss.

Nach der Wende hatte es sich vor allem der Teltower Heimatverein zur Aufgabe gemacht, die Wiederbelebung des Teltower Rübchens zu fördern, 1999 gründete sich schließlich der Förderverein, der seitdem Freunde des Wurzelgemüses um sich versammelt. Doch „ohne die Bauern nutzt auch all die Folklore drumrum nichts“, weiß Sören Kosanke.

Auf einem halben Hektar seiner rund drei Hektar großen Ackerfläche baut Uwe Schäreke die Rübchen an. In guten Jahren holt er rund eine Tonne „verwertbare“ Rübchen von seinem Feld, sagt er. In diesem Jahr werde es wohl weniger sein. Wie viel, ließe sich im Moment noch nicht sagen. Bis zur Haupternte der Rübchen könnten noch etwa vier Wochen vergehen. Bis dahin sollen sie noch an Länge zulegen. Wachsen sie gut, erreichen sie im Schnitt bis zu zehn Zentimeter. Nach Feierabend wird Schäreke dann mit einem alten Kartoffelroder übers Feld fahren und die Rüben aus der Erde lösen.

Trotz der zu erwartenden mäßigen Ernte wollen die Landwirte die Preise für das Wurzelgemüse stabil halten. Sie sollen sich auch in diesem Jahr zwischen 5,50 und 6 Euro pro Kilogramm bewegen. Hervorragend eigne sich die Knolle zur Suppe. Landwirt Uwe Schäreke mag sein Gemüse jedoch am liebsten als karamellisierte Beilage zu Entenbraten, erzählt er.

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