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Die Nabe der Windräder des Typs Vestas V150, hier im dänischen Østerild, befindet sich 160 Meter über dem Boden.

© Vestas

Protest und Klimaschutz: Riesen-Windräder für die Mittelmark

Teltow gibt grünes Licht für 240-Meter-Anlagen, die Gemeinde Schwielowsee will den Vertrag mit einem Investor schließen. In Werder sollen hingegen keine Windräder mehr entstehen.

Von Enrico Bellin

Teltow/Ferch/Werder (Havel) - Neun Windräder, jedes vier Mal so hoch wie der Kirchturm von Glindow: Nahe der Glindower Autobahnabfahrt sowie am Rande des Teltower Ortsteils Ruhlsdorf sollen rund 240 Meter hohe Windkraftanlagen entstehen. Der Teltower Hauptausschuss hat am Montagabend mit sechs zu drei Stimmen für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zum Bau von zwei Anlagen durch die Potsdamer Firma Notus Energy gestimmt. Für weitere sieben Windräder nahe Glindow auf dem Gebiet des Schwielowseer Ortsteils Ferch berät der Hauptausschuss am heutigen Mittwochabend über einen städtebaulichen Vertrag mit der Notus Energy.

Während in Ferch der Ortsbeirat einstimmig für die Anlagen votierte, gibt es in Bliesendorf großen Protest. 
Während in Ferch der Ortsbeirat einstimmig für die Anlagen votierte, gibt es in Bliesendorf großen Protest. 

© Andreas Klaer

Ursprünglich wollte die Firma 18 Windräder auf Flächen in Ferch sowie Werder (Havel) und Kloster Lehnin errichten, die ein zusammenhängendes Gebiet bildeten. Wie es aus Unternehmenskreisen am Dienstagabend gegenüber den PNN hieß, habe man sich inzwischen aber von den Plänen verabschiedet: In Werder und Kloster Lehnin seien demnach keine Windräder mehr geplant, die entsprechenden Verfahren seien zurückgezogen. Man wolle nur noch die sieben Anlagen in Ferch errichten. Die könnten den Quellen zufolge realistisch betrachtet ab dem Jahr 2022 gebaut werden, je nach Länge des Genehmigungsverfahrens. Gegner des Windparkes haben den PNN gegenüber bereits angekündigt, Einwände gegen die Pläne geltend zu machen und nötigenfalls auch zu klagen.

Roland Büchner.
Roland Büchner.

© Privat

Die Pläne für den Windpark wurden mehrfach reduziert: Ursprünglich war von mehr als 40 Anlagen die Rede, dann von 18, nun sollen sieben Windräder des Typs V 150 des dänischen Herstellers Vestas errichtet werden. Zwar wurde der Regionalplan, der die Fläche als Windeignungsgebiet auswies, für ungültig erklärt. Bis Sommer 2021 darf so eigentlich einem landesweiten Moratorium zufolge keine Baugenehmigung erteilt werden. In Ferch gibt es allerdings einen gültigen Flächennutzungsplan, der das Areal explizit als Windradstandort benennt.

„Wir wollten die Windradflächen eigenständig ausweisen, um zu verhindern, dass uns die Regionalplanung Flächen vorgibt“, sagt der Fercher Ortsvorsteher Roland Büchner (Bürgerbündnis Schwielowsee). So habe man nicht nur auf die Standorte, sondern auch auf die Anzahl der Windräder Einfluss nehmen können: Eigentlich wollte Notus auf Fercher Gebiet acht Anlagen errichten, eine hätte jedoch einen Abstand von etwa 1300 Metern zur nächsten Wohnbebauung gehabt. Während selbst die neue Kenia-Koalition im Land nur 1000 Meter Abstand vorsieht, habe man so mehr für die Fercher erreicht. „Wir haben unsere Maximalforderungen durchgesetzt“, so Büchner.

So verpflichtet sich Notus zunächst für fünf Jahre zum Verzicht auf den Bau des achten Windrades. Der städtebauliche Vertrag sieht zudem vor, dass Notus ein Brandschutzkonzept für das gesamte Gebiet erstellen lassen muss. Auch muss die Firma Löschwasserbrunnen bohren lassen. Sollte das Brandschutzgutachten ergeben, dass die Technik der örtlichen Feuerwehren für die Brandbekämpfung nicht ausreicht, verpflichtet sich Notus, nötige Anschaffungen zu tätigen. Auch baut die Firma die Wege zu den Windrädern auf eigene Kosten aus und zahlt einen Abschlag für die Wegenutzung an die Gemeinde. Zudem erhält Schwielowsee von Notus für jedes Windrad eine Zahlung von 10,000 Euro.

Windräder für Klimaziele nötig

Ferchs Ortsvorsteher Büchner zufolge gebe es im Ort kaum Bedenken gegen die Windräder. Zwar seien die Anlagen sicher nicht schön für die Landschaft. „Bisher steht dort aber reiner Kiefernwald. Durch die Ausgleichsmaßnahmen, die Notus durchführen muss, könnte der in Mischwald umgewandelt werden.“ Der hauptberufliche Feuerwehrmann sieht auch Brandschutzbedenken, die bei Anlagen im Wald häufig geäußert werden, kritisch. Natürlich könne man einen Generator, der bei diesen Windrädern in 160 Metern Höhe ist, nicht löschen. Dafür reiche die Höhe der Leitern schlicht nicht. Durch die Löschbrunnen und weitere Investitionen würde die Sicherheit bei Waldbränden aber verbessert. „Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir nun einmal neue Windräder“, so Büchner. Zudem würde der Windpark umliegende Ortschaften kaum beeinflussen.

Sollte die zuständige Gemeindevertretung von Schwielowsee dem Vertrag in ihrer Sitzung am 4. Dezember zustimmen, bleibt aber noch ein langer Weg bis zur Baugenehmigung: Das Landesamt für Umwelt ist derzeit noch mitten im Beantragungsverfahren und sammelt Stellungnahmen aller beteiligten Behörden und Kommunen. Wann diese Phase abgeschlossen ist, ist derzeit noch offen.

Gegen die Teltower Windräder hatte das Landesamt bisher keine Einwände. Im Gegenteil: Die Stadt Teltow hatte ihr Einvernehmen zum Bau zweimal nicht erteilt. Das Amt hatte dann jedoch damit gedroht, das Einvernehmen zu ersetzen, da es keine Gründe gegen den Windradbau gebe. Daraufhin hat Teltow nun im besagten Hauptausschuss grünes Licht gegeben.

Winfried Ludwig
Winfried Ludwig

© Privat

Das auch nach erteilter Genehmigungen mehrere Jahre ins Land gehen können, ohne dass die Windräder gebaut werden, ist jedoch am Beispiel Beelitz zu sehen: Die Stadt, die Recura-Kliniken und der Verein Waldkleeblatt hatten gegen die bereits 2016 erteilte Baugenehmigung zunächst Widerspruch eingelegt. Der wurde abgelehnt, daraufhin haben die Beteiligten im April 2019 Klage gegen die Windräder eingereicht. Noch immer ist dazu kein Verhandlungstermin vor Gericht angesetzt, können die dort vom Unternehmen Juwi geplanten zwölf Windräder nicht gebaut werden. Winfried Ludwig, Vorsitzender des Vereins Waldkleeblatt, kündigte an, dass man auch gegen die Pläne auf Fercher Gebiet Einwände einlegen werde, wenn die Pläne öffentlich ausgelegt werden. Auch in diesem Verfahren werde man nötigenfalls bis zur Klage gehen.

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Hintergrund

Im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen ist der Ausbau der Windenergie auf eine Leistung von 10.500 Megawatt bis zum Jahr 2030 festgeschrieben. Zum Vergleich: Das Kohlekraftwerk Jänschwalde hat derzeit eine Leistung von 2000 Megawatt. Laut Vertrag darf der Ausbau von Windkraft nur außerhalb eines Radius von 1000 Metern zu bestehender Wohnbebauung erfolgen. Gleichzeitig soll das Regionalplanungskonzept überarbeitet werden, um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen. In diesem Zusammenhang sei eine Vergrößerung des Abstandes von Windrädern „zu besonders belasteten Siedlungen auf 1500 Meter zu prüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Das Konzept solle möglichst im ersten Halbjahr 2020 erarbeitet werden. Über die regionalen Planungsgemeinschaften sollen die betroffenen Kommunen stärker beteiligt werden. Auch soll dafür gesorgt werden, das Geld aus dem Ausbau erneuerbarer Energien in den betroffenen Orten bleibt. Konkrete Pläne dafür werden nicht genannt. Neben der Windenergie soll auch die Photovoltaik sowie die Wasserstofftechnologie ausgebaut werden. 

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