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Die Familie von Eva Berning, deren Vater sie für das Foto in den Himmel hebt, lebte nach dem Krieg in Deutschland und den USA. Eva Berning wurde 1947 geboren, ihre Familie stammt aus Bremen, heute lebt sie in Glindow.

© privat

Persönliche Geschichten: Erinnerungen an das Kriegsende aus Glindow

Zeitzeugen aus Glindow berichten über das Kriegsende vor 75 Jahren: 21 sehr persönliche Berichte gibt es jetzt in einem Buch des Heimatvereins. 

Von Eva Schmid

Glindow - Es herrschte Aufbruchsstimmung, große Erleichterung – und immer wieder Hunger. Die Freude und die Sorgen lagen in den Tagen und Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren nah beieinander. Wie sich das anfühlte, daran haben sich Zeitzeugen aus Glindow jetzt erinnert. Ihre Geschichten haben sie aufgeschrieben oder Mitgliedern des Glindower Heimatvereins erzählt, entstanden sind 21 sehr persönliche Berichte.

„Ohne den Krieg wäre ich nie geboren“, schreibt die 72-jährige Brigitte Wilhelm. Viele Zufälle hätten dazu geführt, dass sich ihre Eltern fanden. Die Mutter war aufgrund schwieriger Verhältnisse von zuhause ausgerissen, nach mehreren Jobs kellnerte sie in einem Ausflugslokal, in das der Vater nach der Kriegsgefangenschaft zufällig einkehrte. Brigitte Wilhelm ist ein Nachkriegskind, der Krieg gehört dennoch zu ihrer Biografie. Die zugezogene Glindowerin hatte eine einfache, aber glückliche Kindheit. „Ich fühlte mich geliebt und entbehrte nichts.“ Im Sommer waren die Gleise ihr Spielplatz. Im Winter sorgte die Mutter dafür, dass der Kachelofen warm blieb. Dafür kletterte sie auf die mit Kohle beladenen Waggons haltender Güterzüge und warf solange Briketts herunter, bis das Signal die Weiterfahrt freigab. „Es war verboten, aber daran störte sich unsere mutige Mutti nicht.“

Nach dem Krieg blühte der Schwarzmarkt

Die Rolle der jungen Mütter, die ihre Kinder durchbringen mussten, wird in dem Buch des Heimatvereins immer wieder thematisiert. Die Zeitzeugen beschreiben, wie beherzt und vehement die Frauen das Schicksal ihrer Familie in die Hand nahmen. Viele von ihnen kamen bei ihren Eltern unter, suchten dort Hilfe und Schutz. Auf den Obsthöfen rund um Werder versuchten manche Frauen, das Leben alleine zu meistern, zum Teil mit Kriegsgefangenen als Helfern.

Kurz nach dem Krieg blühte der Schwarzmarkt: „Hungern musste man auf dem Land nicht, aber manche Dinge waren kaum aufzutreiben“, erzählt Helmut Gauert. Also fuhren viele aus Glindow nach Berlin, Butter wurde gegen Zigaretten getauscht, Kirschen und Erdbeeren gegen Fahrradersatzteile. „Der Rückweg bei den Schiebertouren ging häufig über die Avus. Mit dem Fahrrad! Heute unvorstellbar“, so Helmut Gauert. Auch geschlachtete Kaninchen wurden regelmäßig nach Berlin zu Bekannten geschmuggelt, heißt es in einem anderen Zeitzeugenbericht.

Geschirrklappern vor der Tür

Die 81-jährige Monika Krone erinnert sich noch, wie die Glindower ihre Häuser vor Bombenangriffen schützten, in dem sie die Glindower Alpen zur Ablenkung mit Scheinwerfer beleuchteten. Trotzdem fielen Bomben auf Wohnhäuser an der Klaistower Straße kurz vor Kriegsende. Später waren im Wohnzimmer der Familie Krone in der Alpenstraße russische Soldaten einquartiert. „Das Haus platzte aus allen Nähten.“ Kartoffel- und Kohlsuppe für die Glindower Kinder gab es in der Großküche für die russischen Soldaten in der Alpengaststätte, dafür musste man vor der Tür mit seinem Geschirr klappern, erinnert sich Monika Krone. Auch sie bezeichnet ihre Kindheit rückblickend als froh und glücklich. Denn endlich war der Krieg vorbei, das war das Wichtigste. 

— Heimatverein Glindow (Hrsg.): Das Leben geht weiter. 173 Seiten, 10 Euro. Verkauf an jedem ersten Sonntag des Monats von 11 bis 15 Uhr vor dem Heimatmuseum, Kietz 3. ISBN: 9783000653803

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