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Übergabe. Nuthetaler Mütter am Donnerstag bei der KVBB in Potsdam.

© A. Klaer

Nuthetal: 30 Kilometer bis zum Doktor

Mütter aus Nuthetal überreichen mehr als 1600 Unterschriften für einen Kinderarzt in der Gemeinde.

Nuthetal - Mit einem kranken Kind ins Auto steigen und 20 bis 30 Kilometer zur Arztpraxis fahren – für viele Nuthetaler Eltern ist das Realität. In der Gemeinde gab es noch nie einen Kinderarzt und die Kinderärzte in Potsdam und umliegenden Gemeinden sind fast immer komplett ausgelastet, so die Erfahrung vieler Eltern. Eine Mütterinitiative hat darum über einen Zeitraum von vier Wochen rund 1600 Unterschriften von Nuthetaler Einwohnern gesammelt. Am gestrigen Donnerstag übergaben Vertreterinnen der Initiative die Liste an Christian Wehry, den Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB).

„Es kann nicht sein, dass bis auf einen Kinderarzt in Potsdam keiner mehr neue Patienten aufnimmt“, sagte Barbara Krecklow, die die Situation auf der Familienkonferenz der Gemeinde Ende Februar erstmals öffentlich kritisiert hatte, bei der Übergabe. Christian Wehry verwies hingegen darauf, dass sowohl Potsdam als auch Potsdam-Mittelmark laut Bedarfsplanung medizinisch überversorgt seien: „In Potsdam herrscht offiziell eine Versorgung von 160 Prozent, in Potsdam-Mittelmark sind es sogar über 200 Prozent.“ Die KVBB habe nicht das Recht, die Bedarfsplanung selbstständig zu ändern, sondern sei an Bundesvorgaben gebunden. Allerdings, räumte der Sprecher ein, stamme die Bedarfsplanung noch aus den 1990er Jahren, als Horst Seehofer Gesundheitsminister war. „Da muss man gucken, ob das noch so stimmt“, so Wehry. Die KVBB werde die Lage analysieren und mit Ärzten in Potsdam und Potsdam-Mittelmark sprechen, um herauszufinden, wie sich die Situation aus ihrer Sicht darstelle.

Claudia Hilbert, die in Nuthetal die Sonnen-Apotheke leitet, sagte, sie wundere sich über die gesetzlichen Vorgaben. „Die KVBB ist ja schon seit Jahrzehnten dabei, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern“, so Hilbert. „Aber davon merken wir im Berliner Speckgürtel bisher nichts.“ Eltern müssten teilweise bis nach Bad Belzig fahren, um einen Kinderarzt zu erreichen, der ihre Kinder behandle. Diese Erfahrung hat auch die dreifache Mutter Dona Döring gemacht: „Mit einem fiebernden Baby im Auto ist das eine Zumutung.“

Einige Eltern gingen bereits mit ihren Kindern zu Allgemeinmedizinern, doch die seien nicht auf Kinderkrankheiten spezialisiert, sagt Claudia Hilbert. „Außerdem sind die durch die zusätzlichen Patienten auch an ihrer Belastungsgrenze. Wartezeiten von über zwei Stunden für die Patienten sind bereits der Normalfall.“ Hilbert sammelte auch in ihrer Apotheke Unterschriften für die Initiative. Die Liste habe in der 9200 Einwohner starken Gemeinde viel Zuspruch aus allen Generationen erhalten, sagt sie. Und auch aus anderen Gemeinden wie Werder (Havel) und Michendorf habe sie gehört, dass Eltern mit der kinderärztlichen Versorgung unzufrieden seien.

Bürgermeisterkandidatin Katrin Krumrey (parteilos) überreichte die Unterschriftenliste im Namen der Mütterinitiative an Wehry. Gemeinsam mit anderen Initiatoren hatte sie zu Beginn der Aktion einen Infostand am Markt aufgebaut und dort 120 Unterschriften gesammelt. Als nächsten Schritt habe sie ihre politischen Kontakte aktiviert und werde nun gemeinsam mit den übrigen Initiatorinnen Schreiben an die zuständigen Minister in Land und Bund versenden, so die Bürgermeisterkandidatin. „Wir freuen uns, dass wir eine so attraktive Gemeinde für junge Familien sind“, sagt Krumrey. „Damit das so bleibt, ist eine ausreichende kinderärztliche Versorgung ein sehr wichtiges Kriterium.“

Die amtierende Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke) nahm nicht an dem gestrigen Übergabetermin teil, zeigte aber ihre Unterstützung für die Initiative mit einem Brief an die KVBB. Unter den Einwohnern Nuthetals seien viele junge Familien und durch geplante Wohnbauprojekte sei mit weiterem Zuzug zu rechnen, so Hustig. „Für die Familien ist es schlicht unzumutbar, zu den bereits überfüllten Kinderarztpraxen nach Potsdam fahren zu müssen“, schreibt die Bürgermeisterin in ihrem Brief und bittet um ein Gespräch mit zuständigen Ansprechpartnern bei der KVBB. Julia Frese

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