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Neues Geschichts- und Architekturbuch: Der Gropiusbau von Wilhelmshorst - und andere Kuriositäten

In einem neuen Buch werden Wilhelmshorster Denkmale und Geschichtsorte vorgestellt.

Wilhelmshorst - Im ersten Stock des Gemeindezentrums Wilhelmshorst stehen drei Schränke voll mit Bauplänen. Die Mitglieder des Vereins der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte haben sie aus Archiven und Bibliotheken kopiert, ein paar der Pläne haben ihnen Privatleute geschickt. Sie waren die Grundlage für das neue Werk „Wilhelmshorster Denkmale und Erinnerungsorte. Ein Begleitbuch zur Erkundung von Architektur und Ortsgeschichte“, das am Samstag um 16 Uhr im Gemeindezentrum vorgestellt wird.

„Die meisten der Gebäude sind heute Wohnhäuser“, sagt der Vereinsvorsitzende Rainer Paetau. Doch auch die Kirche, eine Friedhofskapelle, ein Mahnmal und selbst eine Garage sind dabei. Das Buch setzt mehr auf Bilder als auf lange Texte. Von den 45 vorgestellten Denkmälern und Erinnerungsorten zeigt der Band jeweils eine aktuelle und – sofern vorhanden – eine historische Aufnahme. Daneben haben die 15 ehrenamtlichen Autoren jeweils steckbriefartig zusammengetragen, wann der Bau entstanden ist, wer Architekt und Bauherr war und welche baulichen Besonderheiten es gibt. In einem kurzen Text erläutern sie auch, wozu die Räume in der Vergangenheit dienten. Finanziert wurde der Band über Spenden und einen Druckkostenzuschuss der Gemeinde.

Auch Schul- und Kitagebäude aus der DDR-Zeit kommen vor

Autorin Juliane Brauer erklärt, warum manche der Gebäude keine Denkmäler, wohl aber Erinnerungsorte sind: „Nicht jedes der vorgestellten Gebäude steht auf der Landesdenkmalliste“, sagt die Historikerin. „Einige der Gebäude stecken aber für die Wilhelmshorster voller persönlicher Erinnerungen.“ Brauer hat sich auf Schul- und Bildungsgeschichte spezialisiert und stellt im neuen Werk mehrere ehemalige Schul- und Kitagebäude aus der DDR-Zeit in Wilhelmshorst vor.

Zusätzlich zeigt der Band alte Parzellierungspläne des Kaufmanns Wilhelm Mühler und des Architekten Albert Gessner, die die Wilhelmshorster Gebiete nördlich und südlich der Bahntrasse Bad Belzig-Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts in Baugrundstücke einteilten. Die Genehmigung des Bebauungsplans von Wilhelm Mühler im Jahr 1907 gilt als Gründungsdatum Wilhelmshorsts. Der ortshistorische Verein besitzt aus jener Anfangszeit eine Kopie eines Werbeplakats, mit dem wohl den Hauptstädtern Ruhe und Naturnähe des Orts schmackhaft gemacht werden sollte: „20 Minuten hinter Wannsee“ steht dort und „Gartenstadt“. „Schon damals kamen die Berliner mit dem Zug nach Wilhelmshorst, um sich vom Trubel zu erholen“, erzählt Paetau. Wilhelmshorst entwickelte sich zur Villenkolonie, besser Betuchte bauten sich dort ihre Sommerhäuschen.

In Wilhelmshorst lebten zahlreiche NS-Funktionäre

Während des Nationalsozialismus machte sich der Ort einen unrühmlichen Namen als „braunes Nest“. Nicht wenige der Denkmäler und Erinnerungsorte wurden von NS-Funktionären bewohnt. Interessant ist dabei, dass manches Wohnhaus eines überzeugten Nationalsozialisten von außen ganz anderes vermuten lassen würde, wie Rainer Paetau erklärt. „Die Nationalsozialisten bevorzugten den sogenannten Heimatstil, nach dem das Dach eines Hauses spitz zu sein hatte“, so der Historiker. Man sprach damals vom „Dächerstreit“, der sich über ganz Europa erstreckte.

Zeitgleich hatte sich in den 1930er Jahren der Bauhausstil zu etablieren begonnen, also eine funktionale, kastenförmige Architektur mit Flachdächern. Für das nationalsozialistische Verständnis von Kunst war diese Art der Architektur „entartet“, das Bauhaus musste 1933 schließen. In Wilhelmshorst wohnten jedoch Anfang der 1930er Jahre auch ein paar NS-Funktionäre in Bauhaus-Architektur. „Es gab den kuriosen Fall, dass ein NSDAP-Ortsgruppenleiter in einem ,Kupferhaus’ wohnte, das nach Plänen von Walter Gropius persönlich entworfen und von einer Baufirma errichtet wurde, deren Eigentümer jüdischen Glaubens waren“, sagt Paetau. Geschichten wie diese erzählen die Vereinsmitglieder immer wieder gern auf den historischen Ortsspaziergängen, die sie für Interessierte anbieten und für die das neue Werk ein guter Begleiter ist.

Die Nazis bestimmten über den Standort der Kirche

Zu den Orten, die das Buch vorstellt, gehört auch die Wilhelmshorster Kirche. Mitte der 1930er errichtet musste auch sie dem architektonischen Diktat der Nationalsozialisten folgen. In den 1920ern war geplant gewesen, die Kirche auf dem zentralen Goethe-Platz zu errichten, dann kam jedoch die Hyperinflation dazwischen und als wieder genug Geld für den Bau vorhanden war, waren bereits die 1930er Jahre angebrochen. Die Nationalsozialisten bestimmten, dass die Kirche im Heimatstil erbaut wurde und am Ortsrand stehen solle.

Im Kirchengebäude regte sich jedoch bald Widerstand. Über dem Altar ließ der amtierende Pfarrer den Bibelspruch „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“ anbringen, die erste These des Barmer Bekenntnisses. „Das Barmer Bekenntnis von 1934 ist Fundament der Bekennenden Kirche, die sich in Opposition zu den 'Deutschen Christen' stellte, wie sich die nationalsozialistisch geprägten Mitglieder der Evangelischen Kirche bezeichneten", sagt Paetau. Auch in diesem Fall verbarg sich also hinter den Mauern etwas ganz anderes, als man es von außen vermuten könnte.

Wilhelmshorster Denkmäler und Erinnerungsorte. Ein Begleitbuch zur Erkundung von Ortsgeschichte. 144 Seiten, 19,50 Euro. Erhältlich im Gemeindezentrum Wilhelmshorst, Dr.-Albert-

Schweitzer-Str. 9

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