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Die Werderaner Insel.

© Enrico Bellin

Neue Ausstellung in Werder (Havel): So hat sich Werder in 30 Jahren verändert

Im Werderaner Kunst-Geschoss wird am Mittwoch eine neue Ausstellung eröffnet. Sie zeigt, wie sich die Inselstadt seit der Wende verändert hat.

Von Sarah Stoffers

Werder (Havel) - In der Nacht zum 11. September 1989 öffnet Ungarn seine Westgrenzen zu Österreich. Tausende DDR-Bürger reisen noch am selben Tag aus. „Wir weinen denen keine Träne nach“, kommentiert die DDR-Regierung damals das Geschehen. „Ich war fix und fertig“, erzählt der Künstler und Kurator des Kunstgeschosses, Frank W. Weber. So seien damals die beiden Zeichnungen „Skeptiker“ und „Schrei“ entstanden: Ein Gesicht, das zunächst ungläubig blickt, dann voller Enttäuschung und Trauer einen Schrei ausstößt.

Der Kurator des Kunst-Geschosses, Frank Weber.
Der Kurator des Kunst-Geschosses, Frank Weber.

© Andreas Klaer

Der Blick auf die Historie soll lokal sein

Zu sehen sind die beiden Werke in der neuen Ausstellung „30 - Eine Generation. Werder (Havel) vor 30 Jahren - Fakten. Fragmente. Fotografien“ die am Mittwoch in der Werderaner Stadtgalerie Kunst-Geschoss eröffnet wird. 30 Jahre sind seit der politischen Wende vergangen. In der Ausstellung werden sowohl die ereignisreiche Umbruchphase in der Stadt beleuchtet als auch die Entwicklungen, die sie seither gemacht hat. Bereits 2009 kuratierte Weber im Kunst-Geschoss eine große Ausstellung zum Thema Wende mit Künstlern aus dem ehemaligen Osten und Westen. Dieses Mal sollte der Blick auf die historischen Ereignisse lokal sein, so Weber beim Presserundgang am Montag. Damit sich diejenigen, die die DDR und den Mauerfall nur aus den Geschichtsbüchern kennen, ein Bild vom damaligen Werder machen können. Aber auch für die Werderaner, die diese Umbruchszeit miterlebt haben.

Eine historische Aufnahme der Torstraße um 1989/90.
Eine historische Aufnahme der Torstraße um 1989/90.

© Stadtarchiv Werder (Havel)

Die Gebäude wie hier in der Torstraße sind in den vergangenen Jahrzehnten aufwendig restauriert worden.
Die Gebäude wie hier in der Torstraße sind in den vergangenen Jahrzehnten aufwendig restauriert worden.

© Jürgen Steinberg

Neben einigen gezeichneten Werken sind vor allem Fotografien von Stadtansichten aus den 70er Jahren bis zur Wendezeit zu sehen. Alte Aufnahmen hängen neben erst kürzlich geschossenen Fotos, um die Veränderungen in der Stadt deutlich zu machen: das alte heruntergekommene Scharfrichterhaus oder das Haus am Markt, von dem die Fassade bereits halb abplatzte. Inzwischen sind die historischen Gebäude aufwendig restauriert worden.

Große: Damals wurde wenig in Infrastruktur gezahlt

Man sehe anhand der Bilder, wie wenig damals in die Infrastruktur der Stadt investiert worden sei, so Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU). „Wenn man sieht, wie die historische Altstadt heute im Vergleich zu damals wirkt, ist das schon sehr beeindruckend.“ Neben den ausgestellten Fotos werden zwei Diashows mit alten Aufnahmen gezeigt. Bilder der im vergangenen Jahr verstorbenen ehemaligen Deutsch-, Kunst- und Heimatkundelehrerin Ilse Hahn, die sie Ende der 60er und 70er Jahre in Werder aufnahm, und Fotos der Wendezeit aus dem Stadtarchiv.

Auch Fakten werden präsentiert: 1989 waren etwa nur 35 Prozent der Haushalte in Werder an das Abwassernetz angeschlossen und nur 50 Prozent der Straßen befestigt. Nach Berlin ging es für die Werderaner damals mit dem „Sputnik“, wie die Doppelstockzüge auf dem Berliner Außenring genannt wurden. Länger als 80 Minuten dauerte eine Fahrt.

1989 waren 50 Prozent der Straßen unbefestigt.
1989 waren 50 Prozent der Straßen unbefestigt.

© Stadtarchiv Werder (Havel)

Die Silhouette des Stadtzentrums auf der Insel hat sich gewandelt.
Die Silhouette des Stadtzentrums auf der Insel hat sich gewandelt.

© Jürgen Steinberg

Zwei Tafeln sind besonders interessant

Besonders interessant sind zwei Tafeln mit alten Zeitungsartikeln, Dokumenten und Fotos aus der Wendezeit. Sie seien mit drei weiteren Tafeln 1999 entstanden, erklärt Weber. Dort finden sich Unterschriftenlisten der Bürgerbewegung Neues Forum, die sich in Werder zum ersten Mal am 29. Oktober im Evangelischen Gemeindehaus traf, ein Flyer der am 8. Dezember 1989 gegründeten Werderaner SPD, die sich zu Beginn noch SDP nannte, ein Brief an den damaligen Bürgermeister Lothar Schäfer, in dem ein „Runder Tisch“ in Werder gefordert wurde.

Die Bürgerbewegung Neues Forum, die einen Dialog und gesellschaftlich-politische Veränderungen forderte, wurde am 9./10. September 1989 in Berlin ins Leben gerufen. Für Unmut hatten damals die Kommunalwahlen im Mai gesorgt, die nachweislich von der SED gefälscht worden waren, erklärt Weber. Viele unterschrieben den Aufruf der Bewegung, die viele Ableger in der DDR fand. Auch der Name von Großes Schwester findet sich auf der Liste in Werder. Bis zur Ausstellung wusste er davon nichts. „Da bekomme ich richtig Gänsehaut“, so Große.

Ausstellung eröffnet am Mittwoch

Auch wenn die Mauer am 9. November geöffnet wurde, seien die Zusammenkünfte des Neuen Forums und die Demonstrationen während der Wendezeit nicht ungefährlich gewesen, erklärt Weber. So habe die Staatssicherheit beim Treffen am 29. Oktober, bei dem auch Weber dabei war, noch alle Autokennzeichen der Teilnehmer aufgeschrieben. „Wir wussten damals nicht, was kommt“, so Weber. Die Menschen damals hätten eine Grenze überschritten, so Große. „Unter sehr großem Risiko sind sie für etwas eingestanden. Für die Freiheit muss immer gekämpft werden.“ Es sei beeindruckend, wie sich die Stadt seit dieser unsicheren Zeit entwickelt habe.

Die Ausstellung „30 - Eine Generation“ eröffnet am Mittwoch um 19 Uhr im Kunst-Geschoss Werder, Uferstraße 10. Die Schau läuft bis zum 22. April und ist donnerstags, samstags, sonntags und am Ostermontag zwischen 13 bis 18 Uhr geöffnet. Bei einem Quiz können die Besucher unter anderem die Werder-Chronik gewinnen.

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