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Retter in Grün. Die Werderaner Schüler zogen vor der Mahd über die Wiese, um versteckte Tiere zu retten.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Nasse Socken für den Tierschutz

Kinder der Werderaner Waldorfschule streifen durch feuchte Wiesen, um Feldhasen und Rehkitze vor dem Tod bei der Mahd zu retten

Werder (Havel) - Nichts übersehen. So lautet die wichtigste Regel für die kleinen Retter, die sich am Freitagmorgen am Wiesenrand aufgereiht haben und mit den Händen ein rot-weißes Absperrband umklammern. Das ist so breit wie die Wiese, die am Nachmittag gemäht werden soll. „Kids for Kitz“ heißt die Aktion, bei der auf einer Kemnitzer Wiese Wildtiere vor dem Tod durch Mäharbeiten gerettet werden sollen.

Organisiert wird die Aktion von einer freiwilligen Interessengemeinschaft, zu der die Jägerschaft Potsdam-Mittelmark, die Landwirte Marco Hintze und Manfred Schulz sowie Schüler der Werderaner Waldorfschule gehören. Silke Byl ist die Initiatorin und seit einem Jahr Jägerin. Rehkitze, junge Hasen und Bodenbrüter sollen mit der Aktion vor dem Tod durch Mähmaschinen gerettet werden, hat sie den Kindern noch einmal erläutert. Die Schüler wissen bereits aus einer Infoveranstaltung, dass Ende Mai und Anfang Juni immer wieder große und kleine Wildtiere unter scharfe Mähmesser geraten. Rund 500 000 werden bundesweit so zu jeder Saison „ausgemäht“, so die traurige Bilanz der schnellen Technik. Denn zum gleichen Zeitpunkt wie die Mahd stattfindet kommt bei vielen Wildtieren der Nachwuchs zur Welt.

Den richtigen Platz für das Setzen der neugeborenen Kitze wählen die Ricken – so der Fachbegriff für weibliche Rehe – meist im hohen Gras, weil die Jungen dann fast unsichtbar sind. Um sich vor Fressfeinden wie Fuchs und Waschbär zu schützen, haben junge Feldhasen und Rehkitze eine besondere Strategie: Sie drücken sich ins hohe Gras und verharren dort regungslos. Das wird ihnen bei der Mahd zum Verhängnis. Silke Byl weiß von anderen Jägern, dass auf der Wiese jüngst Rehe gesichtet wurden, Jungtiere also in der Nähe sein müssten. Wird ein Kitz gesichtet, darf es nicht berührt werden, hatte sie den jungen Rettern erklärt. Wenn es nach Mensch riecht, werde die Ricke es nicht mehr annehmen. Um es für die Dauer des Mähens sicher unterzubringen, würden Jäger mehrere Grasbüschel zwischen Hände und Kitz nehmen und es an einer geschützten Stelle wieder ablegen.

Mit grünem Käppi und Trillerpfeife geht es dann in zwei Gruppen rein in die Wiese. „Getrillert werden darf nur, wenn ihr etwas seht“, hatte die Jägerin den Schülern zuvor noch eingeschärft. Manchmal sind im hohen Gras nur noch die Käppis der Kitz-Retter zu sehen, die wellenförmig über die Wiese zu treiben scheinen. Einige Kinder haben Fußspuren von Rehen entdeckt, aber kein Kitz weit und breit. Nur ein hochgeschreckter Fasan flüchtet durch die Reihe der Retter zum Wiesenrand.

Kurz darauf entdecken die Kinder ein Ei, das allerdings schon kaputt ist. „Achtet auf die Kette!“, mahnen die Lehrer immer wieder, wenn einige zu schnell voranpreschen. Immer höher wird das Gras, durch das sie sich ihre Wege bahnen. Hosenbeine und Schuhe sind am Ende durchnässt, manche Kinder können ihre Strümpfe auswringen. Barfuß hüpfen sie über einen Kurzrasen und finden das „echt cool“. Fünf Kinder mussten die Suche jedoch vorzeitig abbrechen, weil plötzlich allergische Reaktionen wie geschwollene Augenlider auftraten. Aber für die meisten steht fest, dass sie vor der nächsten Mahd wieder dabei sein wollen.

Zufrieden mit der Aktion sind am Ende auch die Bauern, die nun mähen können, ohne Tiere zu gefährden. Und Silke Byl dankte den Schülern, dass sie so lange durchgehalten haben. Zufrieden mit der Aktion ist auch Tino Erstling, Pressesprecher des Landesjagdverbandes: „Kinder an die Natur heranzuführen und sie zu motivieren, sich dafür auch einzusetzen, das ist schon ein Erfolg.“ Auch wenn heute keine Kitze in Sicherheit gebracht werden mussten. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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