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Tannenbäume auf dem Tannenhof in Werder (Havel).

© Monika Skolimowska/dpa

Nachhaltigkeit: Wie ökologisch ist ein Tannenbaum?

Ist der Tannenbaum-Kauf angesichts des Klimawandels ökologisch noch vertretbar – und gibt es eine nachhaltige Alternative? Gerald Mai vom Werderaner Tannenhof und der Berliner Urban-Gardener Andreas Frädrich geben Auskunft.

Von Sandra Dassler

Werder (Havel)/Berlin - Alle Jahre wieder beginnt in der Weihnachtszeit auch die Diskussion um den Weihnachtsbaum. Denn in Zeiten von Klimawandel, Baumsterben, giftigen Pflanzenschutzmitteln und Plastikmüll fragen sich viele, was sie sich nun Weihnachten in die gute Stube stellen sollen.

Über eines sind sich erstmal fast alle Experten einig: Der künstliche Baum ist keine Alternative. Das habe zum einen damit zu tun, dass man zu seiner Herstellung begrenzte fossile Rohstoffe verbraucht, die CO2 freisetzen, noch problematischer sei seine Entsorgung. Außerdem komme der Plastikbaum meist aus Fernost mit entsprechend langen Transportwegen. Von den teilweise verheerenden Sozial- und Umweltstandards in Produktionsstandorten wie China oder Indien ganz zu schweigen.

Der Tannenbaum als CO2-Speicher

Also doch einen echten Baum? Ja, sagt Gerald Mai, der gemeinsam mit seiner Frau Karin den Werderaner Tannenhof leitet: „Man darf nicht vergessen, dass der Weihnachtsbaum zu unserer Kultur gehört und dass er die Menschen auch in der kalten Jahreszeit daran erinnert, wie wichtig die grüne Natur für unser Wohlbefinden ist.“ Durch die Weihnachtstanne lernen Kinder von klein auf, Bäume als etwas Positives zu empfinden, argumentiert auch der Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger auf seiner Homepage: „Für viele ist erst Weihnachten, wenn der Baum aufgestellt und geschmückt ist.“

Ein schlechtes Gewissen müsse man deshalb nicht haben, sagt Gerald Mai. Schließlich schädige man mit dem Kauf eines Baumes nicht die Natur, denn die allermeisten Weihnachtsbäume werden nicht im Wald geschlagen, sondern auf extra angelegten Plantagen. Würden die Menschen komplett auf den Christbaum verzichten, gäbe es diese Plantagen nicht. Was schade wäre, sagt Gerald Mai: „Meine Plantage ist ein wunderschöner Wald mit Bäumen in allen Größen, denn es dauert Jahre, bis sie die richtige Höhe erreicht haben. Und dieser Wald produziert Sauerstoff, die CO2-Bilanz ist positiv“. Zudem biete sein Wald Schutz für Pflanzen, Insekten und seltene Vögel. 

Pestizide auf den Plantagen stehen in der Kritik

Gerald Mais Eltern hatten schon zu DDR-Zeiten eine kleine Gärtnerei in Werder, wo sie auch Schnittgrün für Grababdeckung und die Adventszeit produzierten. „Das mit den Weihnachtsbäumen war mehr so eine Eingebung von mir", sagt Mai. 1991 hatten sie die ersten Nordmanntannen eingepflanzt, heute bieten sie unter anderem Colorado- und Koreatannen, Serbische Fichten sowie Schwarz- und Bergkiefern und Douglasien an. Auf 35 Hektar kann man seinen Weihnachtsbaum selber schlagen.

Viele Kunden kämen seit Jahren mit mit der ganzen Familie, tränken einen Glühwein und stöberten im Hofladen – das gehöre einfach zum Fest. Und sie müssten keine Angst haben, dass sie einen Baum nach Hause bringen, der viele hundert Kilometer transportiert wurde.

Doch unumstritten sind auch die heimischen Weihnachtsbaumplantagen nicht. So kritisiert die Umweltorganisation Robin Wood, dass die meisten der etwa 28 Millionen in Deutschland verkauften Christbäume aus Plantagen stammen, die mit Pestiziden behandelt werden.

Gerald Mai hält dagegen, dass viele seiner Kollegen sehr verantwortungsbewusst mit Pflanzenschutzmitteln umgingen. „Wir leben hier im Betrieb und unser Boden ist unser wichtigstes Produktionsmittel“, sagt er. Er setze selbst auf nachhaltige Bodenbewirtschaftung: „Bei uns wird das Unkraut oder der Begleitwuchs, wie es jetzt politisch korrekt heißt, mechanisch beseitigt“. Das sei viel Arbeit, aber es lohne sich.

In Berlin kann man Bäume mieten

Wegen der langen Trockenperioden, die seit etwa zehn Jahren alle Landwirte in Brandenburg betreffen, hat er alle neu angelegten Flächen mit Bewässerungsanlagen ausgestattet. Da die meisten Bäume nach dem Fest in die großen Kompostieranlagen kommen und dann wieder auf den landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden, hat Gerald Mai auch keine Bedenken, geschlagene Bäume zu Weihnachten zu verwenden.

Gerald Mai ist Geschäftsführer auf dem Tannenhof in Werder (Havel).
Gerald Mai ist Geschäftsführer auf dem Tannenhof in Werder (Havel).

© Andreas Klaer

Ganz anders sieht das der Weihnachtsurwald-Betreiber Andreas Frädrich. „Ich habe es schon als Kind nicht verstanden, dass Weihnachtsbäume nach dem Fest einfach weggeschmissen wurden“, sagt der 50-jährige Berliner. „Und auch heute landen noch viele auf dem Müll, das finde ich schrecklich.“

Deshalb bietet Frädrich, der neben dem Weihnachtsurwald auch andere Urban-Gardening-Projekte in Berlin betreibt, lebende Weihnachtsbäume zum Mieten an. An verschiedenen Standorten können die Kunden seine Bäume im Topf abholen und nach zwei bis drei Wochen wieder zurückbringen. Die meisten seiner Weihnachtstannen sind nicht größer als zwei Meter und manche sehen lustig aus. „Ich hole mir die nicht so perfekt gewachsenen Bäume für einen nicht so hohen Preis aus Brandenburg oder auch aus Dänemark, allerdings müssen sie frei von Schadstoffen sein“, sagt Frädrich: „Für mich sind sie gerade wegen ihres nicht perfekten Wuchses besonders. Viele meiner Kunden sehen das genauso.“

Größer als 1,80 Meter kann die Tanne nicht sein

Knapp tausend Bäume hat Frädrich im vergangenen Jahr vermietet und 80 bis 85 Prozent der wieder zurückgebrachten Pflanzen seien in einem tadellosen Zustand gewesen. Die Kunden zahlen dafür zwischen 40 und 50 Euro plus 10 Euro Pfand, die sie zurückerhalten, wenn sie die Bäume unbeschädigt wieder bringen: „Wir empfehlen den Kunden, den Baum nicht direkt an die Heizung zu stellen, mit täglich etwa 300 bis 400 Milliliter Wasser zu versorgen und den Übergang von drinnen nach draußen moderat zu gestalten. Also nicht von Plus 35 Grad in der guten Stube in die Minus 20 Grad im Freien.“ Das gelte für alle lebenden Weihnachtsbäume, die im übrigen kaum eine Chance hätten, wenn sie erst kurz vor dem Fest eingetopft würden. „Dabei werden die Wurzeln irreparabel beschädigt.“ Deshalb müsse man nach einem Baum suchen, der im Topf gewachsen ist.

Dieser könne aber selten höher als 1,80 Meter sein, denn die unterirdischen Wurzeln müssten etwa so groß sein wie der oberirdische Baum. Eine drei Meter große Tanne benötige dann also einen derart überdimensionalen Topf, dass sie sich nicht mehr transportieren lasse. Diese Erfahrung hat auch Gerald Mai gemacht. „Nur ganz selten berichten Kunden, dass sie mal wieder einen lebenden Weihnachtsbaum erfolgreich angepflanzt haben“, erzählt er. Der Versuch lohne sich dennoch, meint Andreas Frädrich. Gerade weil er Hochachtung für die schwere Arbeit der Weihnachtsbaumzüchter habe, biete er ja seine Miet-Version an: „Diese Bäume können Hunderte von Jahren alt werden“, sagt er: „Da muss man doch einfach Ehrfurcht haben.“

Bäume kaufen oder selbst schlagen kann man unter anderem bei Gerald Mai täglich von 9 bis 17 Uhr, bis Heiligabend, 12 Uhr, Infos: www.werderaner-tannenhof.de

Bäume mieten kann man bei Andreas Frädrich unter anderem in der Markthalle IX , Kreuzberger Eisenbahnstraße, samstags von 10 bis 18 Uhr oder an der „Grünen Brücke“ am S-Bahnhof Greifswalder Straße, sonntags 10-18 Uhr, www.weihnachtsbaum-mitte.de.

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