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Verfallen, beschmiert, heruntergekommen: Die Friedrichshöhe in Werder (Havel) im Jahr 2021.

© Ottmar Winter PNN

Mutmaßlicher Anlagebetrug in Werder (Havel): Staatsanwalt ermittelt gegen Eigentümer der Friedrichshöhe

Die Traditionsgaststätte auf dem Kesselberg in Werder (Havel) ist eine von etwa 100 Immobilien im Zentrum eines internationalen Finanzskandals.

Werder (Havel) - Seit Jahren steht die Gaststätte Friedrichshöhe in Werder (Havel) leer. Die Immobilie gehört einer dubiosen Unternehmensgruppe, die im Zentrum eines internationalen Finanzskandals steht. Der Vorwurf: Betrug in Milliardenhöhe. Auch mit der Werderaner Höhengaststätte könnten Anleger hinters Licht geführt worden sein. 

Noch 2010 gab es auf der Friedrichshöhe immerhin noch einen bewirtschafteten Biergarten.
Noch 2010 gab es auf der Friedrichshöhe immerhin noch einen bewirtschafteten Biergarten.

© Andreas Klaer

Das Ausflugslokal auf dem Kesselberg war Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet worden, als eines von fünf Höhenrestaurants in Werder. Seinen Namen verdankt es dem damaligen Betreiber Friedrich Schmahlfeldt. Die Gaststätte war beliebt, Touristen und Einheimische ließen es sich auf dem Aussichtspunkt gut gehen. 1913 wurde ein großer Tanzsaal mit Bühne gebaut, und 1937 kam noch ein verglaster Anbau mit einem kleineren Saal hinzu. Auch zu DDR-Zeiten wurde weiter getrunken und getanzt über den Dächern der Blütenstadt. Wer nach dem Zechen keine Lust hatte, den Berg hinunterzulaufen, konnte auf einer Rutsche aus 71 Metern Höhe hinunterrutschen. 

Mehrere Versuche nach der Wende, den Ort zu beleben

In der Wendezeit kaufte ein Berliner Unternehmer die Friedrichshöhe, um sie zu verpachten. Doch 1998 ging er pleite und das Gebäude an einen Insolvenzverwalter. Einige Jahre später übernahm der Bauunternehmer Detlef Haase die Gaststätte und eröffnete den Biergarten wieder. Die marode Bausubstanz wollte er mit den Einnahmen aus Tanzveranstaltungen und Konzerten nach und nach sanieren. Doch der Plan scheiterte, auch weil Genehmigungen des Vorbesitzers abgelaufen waren. 

Die Höhengaststätte gehört zu den Traditionslokalen von Werder (Havel), hier eine Postkarte aus dem Jahr 1914. 
Die Höhengaststätte gehört zu den Traditionslokalen von Werder (Havel), hier eine Postkarte aus dem Jahr 1914. 

© Sammlung Erhard Schulz; Repro: PNN

2018 schließlich kaufte der Projektentwickler Dolphin Trust das ehemalige Ausflugslokal. Recherchen von NDR, BR und der Süddeutschen Zeitung zufolge hat diese Investmentgesellschaft mit Sitz in Langenhagen bei Hannover deutschlandweit historische Immobilien angeworben und in Projektentwicklungsgesellschaften überführt. Dann seien Beteiligungen daran an Anleger im Ausland vermarktet worden. Tausende von Privatanlegern von Irland über Russland bis Singapur ließen sich demnach mit dem Versprechen sicherer Renditen locken. Ihnen sei versprochen worden, das Geld sei über die eingetragene Grundschuld abgesichert. Doch das stimmte offenbar nicht. 

Verästeltes Firmengeflecht einer "German Property Group"

Einem Bericht der ARD-Sendung "Report München" zufolge sollten die Gebäude saniert werden, um sie dann zu höheren Preisen zu verkaufen. Das sei aber nur in wenigen Fällen tatsächlich geschehen. Über die Jahre entstand ein verästeltes Firmengeflecht, das ab Mitte 2019 als “German Property Group” (GPG) auftrat. Begründer und Gesicht der GPG war der Deutsch-Brite Charles Smethurst. Doch Anleger gaben Journalisten und Behörden gegenüber an, versprochene Zinszahlungen nicht erhalten zu haben. 

Die Zukunft der Friedrichshöhe ist ungewiss.
Die Zukunft der Friedrichshöhe ist ungewiss.

© Ottmar Winter PNN

Ende 2019 wurde die erste Strafanzeige gegen Smethurst gestellt, inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover. Ein Bremer Insolvenzverwalter hat im Sommer 2020 die Eröffnung von Insolvenzverfahren beantragt. Im Dezember übernahm die Berliner Kanzlei BBL Brockdorff & Partner den Fall, in dem es nach deren Angaben um über 200 Unternehmen geht. Deutschlandweit sollen Medienberichten zufolge bis zu 100 Immobilien vom Skandal betroffen sein. 

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Zum Smethurst-Imperium gehört auch eine Firma namens AS Friedrichshöhe Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH. Deren Unternehmensgegenstand ist dem Registerportal Northdata zufolge “Entwicklung, Betreiben und Verwaltung der Immobilie Friedrichshöhe in Werder (Havel)”. Als Geschäftsführer ist dort Falk Holtmann aufgeführt, der vom Insolvenzverwalter auch als Geschäftsführer der GPG eingesetzt wurde.

Vermutung über Schneeballsystem

“Die meisten dieser Gebäude sind stark sanierungsbedürftig”, sagt der Münchner Anwalt Peter Mattil den PNN. Mattils Kanzlei vertritt Anleger aus verschiedenen Ländern. Bis zu eine Milliarde Euro könnte veruntreut worden sein, schätzt Mattil. Das gesamte Ausmaß sei noch nicht bekannt. Der Anwalt vermutet, dass es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem handeln könnte. Diese illegalen Geschäftsmodelle erwirtschaften keine echten Gewinne, sondern basieren allein darauf, dass immer wieder neue Menschen in einen Topf einzahlen. Wie konnte es sein, dass das dubiose Treiben der German Property Group so lange unbemerkt blieb? Diese Frage beschäftigt inzwischen auch den Bundestag. Das Bundesfinanzministerium musste sich kürzlich vor dem Finanzausschuss rechtfertigen, weil die Aufsichtsbehörden nicht eingeschritten waren. 

Was der Skandal am Ende für die Friedrichshöhe bedeutet, ist noch unklar. Der Rechtsanwalt Peter Mattil vermutet, dass der Insolvenzverwalter die Gaststätte ebenso wie andere GPG-Immobilien verkaufen könnte, um zumindest einen Teil der verschwundenen Gelder an die Anleger zurückzahlen zu können. Wann das geschehen könnte, sei jedoch noch nicht abzusehen. 

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