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Ein Thema, das den Ort bewegt: Mehr als zehn Jahre lang soll die SRS-Verwaltung die Gemeinde um einen Teil ihrer Mieten geprellt haben.

© Andreas Klaer

Millionenbetrug in Michendorf: Skandal um Michendorfer Hausverwaltung: Kontrolle hat auf allen Ebenen versagt

Das Michendorfer Gemeindeparlament zieht Konsequenzen aus dem Betrugsfall mit der SRS-Hausverwaltung. Auch wenn der Schaden von 1,5 Millionen Euro nicht wiedergutzumachen ist, will man sich bei allen Michendorfern entschuldigen.

Von Eva Schmid

Michendorf - Es ist ein Skandal, der Michendorf tief erschütterte: Mehr als zehn Jahre lang hat die SRS-Hausverwaltung Gelder veruntreut. Der Schaden wird auf rund drei Millionen Euro beziffert, davon gehörte etwa die Hälfte des Geldes der Gemeinde. Auch zwei Jahre nach Bekanntwerden des Skandals ermittelt noch immer die Potsdamer Staatsanwaltschaft. Das Gemeindeparlament hat den Skandal politisch aufgearbeitet. Am gestrigen Montag wurde in einer Sondersitzung der Abschlussbericht (Link: Download Abschlussbericht) der Arbeitsgruppe SRS bestätigt und Konsequenzen beschlossen. Die PNN geben einen Überblick

Wie kam es zu dem Skandal?

Michendorf hat seinen Mietwohnbestand seit 1999 von der SRS-Hausverwaltung betreuen lassen. Laut dem Potsdamer Rechtsanwalt Ingo Zeutschel, der die Gemeinde in dem Betrugsfall vertritt, soll es sich zunächst um eine solide Firma aus Michendorf gehandelt haben. Wie die Ermittlungen jetzt zeigen, war der einstige Geschäftsführer E. Schneider spielsüchtig. Das hat er gegenüber dem Insolvenzverwalter zugegeben. Um Spielschulden begleichen zu können, hat er demnach über Jahre Treuhandkonten geplündert. 

Ein interessantes Detail: Der Gemeindevertreter Peter Pilling (Linke) war bis 1999 auch Gesellschafter der SRS, nach seinem Ausstieg soll er bis zur Insolvenz noch in dem Unternehmen weiterhin beschäftigt gewesen sein und laut dem Potsdamer Rechtsanwalt ein Gehalt von deutlich über 1000 Euro bezogen haben. Gegen ihn laufen aber keine Ermittlungen.

Kistenweise Unterlagen. Verwaltungsmitarbeiter haben im Frühjahr 2016 nach Bekanntwerden des Ausmaß des Betrugsskandals alle SRS-Unterlagen ins Rathaus gebracht. 
Kistenweise Unterlagen. Verwaltungsmitarbeiter haben im Frühjahr 2016 nach Bekanntwerden des Ausmaß des Betrugsskandals alle SRS-Unterlagen ins Rathaus gebracht. 

© Michael Helbig/dpa

Wie wurde der Fall aufgeklärt?

Wirklich aufgefallen ist der Betrug erst im Sommer 2016. Laut dem Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) hatte seine Kämmerin zuvor, im Frühjahr 2016, Probleme bei den Abrechnungen auf den Mietkonten festgestellt und vergeblich versucht den Geschäftsführer der SRS zu erreichen. Mirbach berichtete damals von massiven Problemen. Dass es sich nicht nur um Kommunikationsschwierigkeiten, sondern auch um veruntreute Gelder in Millionenhöhe handelte, war der Verwaltung aber erst im Sommer klar. Da war es schon zu spät: Der ehemalige Geschäftsführer der SRS merkte, dass man ihm auf die Schliche kam und soll weitere, erhebliche Beträge von den Konten abgehoben haben. Die Gemeinde stellte Strafanzeige, das Unternehmen ging pleite. Kämmerin und der Chef der Bauabteilung seien laut Mirbach mit einem Wagen aus dem Bauhof zur SRS gefahren, um dort Kisten voller Unterlagen sicherzustellen. Die Unterlagen gehörten der Verwaltung. 

Parallel zum strafrechtlichen Verfahren haben die Michendorfer Gemeindevertreter beschlossen auch politisch den Fall aufzuarbeiten. Sie gründeten im Frühjahr 2017 eine Arbeitsgruppe, die klären sollte, warum der Betrug so lange unentdeckt bleiben konnte. Die Potsdamer Wirtschaftsprüfer der Acco GmbH wurden mit ins Boot geholt. 

Wer ist schuld?

Unbestritten ist, dass der SRS-Geschäftsführer die Hauptschuld trägt. Jedoch konnte er sich so lange und so reichlich an fremdem Geld bedienen, weil die Kontrollmechanismen laut dem Bericht der Wirtschaftsprüfer (Link: Download des Berichts) auf allen Ebenen versagten. So hat weder der Bürgermeister, als Chef seiner Verwaltung, genauer hingesehen, noch haben die Gemeindevertreter genauer hinterfragt, warum die Mieteinnahmen über Jahre immer weniger wurden. Mirbach verließ sich auf seinen zuständigen Abteilungsleiter, dem mittlerweile gekündigt wurde. Er habe Mirbach und den Gemeindevertretern immer wieder erklärt, dass die sinkenden Mieteinnahmen durch Leerstand und erhöhte Instandsetzungmaßnahmen sowie Schönheitsreparaturen zustande gekommen seien, verlas der Rathauschef am Montagabend aus einer neunseitigen Stellungnahme. So habe die Praxis der SRS, 1000 Euro pro Monat für kleinere Schönheitsreparaturen einzubehalten, schon zu Mirbachs Amtsantritt 2011 gegolten und sei auch vom Gemeinderat nicht kritisch hinterfragt worden. Keiner hat demnach überprüft, ob die Reparaturen und Instandhaltungen je durchgeführt wurden. Eine Mitschuld geben die Gemeindevertreter auch der Commerzbank, die dem Angeklagten die Gelder auszahlte. Er soll wohl regelmäßig Bargeld – oft auch größere Mengen – am Schalter abgehoben haben. Auch das Rechnungsprüfungsamt des Kreises hat laut den Gemeindevertretern bei der Kontrolle der Haushaltspläne versagt.

Was sind die Konsequenzen?

Bürgermeister Mirbach bekräftigte am Montag erneut, dass er sich für eine lückenlose und umfängliche Aufklärung einsetze. Er stimmte daher auch einem umfassenden Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, Grüne, Linke und FDP zu, der unter anderem eine dienstrechtliche Überprüfung seines Postens fordert. Laut dem Bericht der Wirtschaftsprüfer ist nämlich die von Mirbach vorgenommene Neuordnung der Verwaltung rückblickend ein „gravierender Fehler“ gewesen, weil die Kämmerei dadurch die direkte Kontrolle über die Mieteinnahmen verloren hat. 

Auch will der Gemeinderat künftig, dass die Verwaltung ihre Einnahmen und Ausgaben besser kontrolliert, die Mitarbeiter für ihre Aufgaben stärker qualifiziert und die Korruptionsprävention ausbaut. Bis Ende des Jahres soll zudem geprüft werden, ob Regressansprüche gegen Verwaltungsmitarbeiter – auch ehemalige –, den Bürgermeister sowie Gemeindevertreter bestehen. Auch vom Landkreis wird Schadensersatz gefordert, weil deren Rechnungsprüfer versagten. Und ein Zeichen der Güte wurde vereinbart: Die Gemeindevertreter wollen sich bei allen Michendorfern für den eingetretenen Schaden entschuldigen.

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