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Leben auf der Bismarkhöhe: Flüchtlinge in Werder haben ein neues Zuhause

Seit einem Monat leben Familien aus Syrien, Tschetschenien und Afghanistan in Werder (Havel). Wie es ihnen geht, was zu tun bleibt: Ein Besuch im Wohnheim.

Von Eva Schmid

Werder (Havel) - Ivana Popova schaut von der breiten Fensterfront ihrer Wohnung hinaus auf die Havellandschaft. Werder (Havel) sei schön und ruhig, sagt die 27-jährige Ukrainerin und lächelt. Sie ist erleichtert. „Wir hatten anfangs Bedenken, weil es in der Stadt zunächst Skepsis gab“, erzählt die Frau mit dem braunen Kopftuch. Doch seit ihrem Einzug vor vier Wochen laufe es gut, Nachbarn würden schon grüßen. Auch der junge tschetschenische Familienvater Magomea-Bashir Isaev beschreibt die Situation ähnlich.

34 Flüchtlingsfamilien mit 80 Kindern sind vor vier Wochen aus Heimen in Teltow, Stahnsdorf und Brück in die Havelstadt umgezogen. Das ehemalige Lehrlingsheim auf der Bismarckhöhe wurde saniert, jetzt können dort bis zu 240 Menschen wohnen. Zwölf Wohnungen mit einem bis vier Zimmern stehen zur Verfügung. 143 Bewohner zählt das Heim derzeit. Betrieben wird es vom Internationalen Bund. Jede Wohnung hat Dusche, Toilette und Balkon, die Küchenzeilen sollen demnächst kommen. Vor den Wohnungstüren sind Klingeln. Der Dreigeschosser gleicht eher einem Mietshaus, als einem Flüchtlingsheim.

Platz für Schulkinder

Es ist auffällig ruhig – und das, obwohl die kleinen Kinder bei ihren Familien sind. Kitaplätze sind in Werder rar, der Kreis hat beschlossen, die Betreuung der Jüngsten im Heim zu organisieren. Das entspräche auch den Wünschen der ausländischen Familien, heißt es. Bei den Plätzen für Grundschüler indes kam es  kurz vor dem Einzug der Flüchtlingsfamilien zum Streit zwischen der Stadt und dem Landkreis. Zwar stand schon länger fest, dass das ehemalige Lehrlingswohnheim als Unterkunft für Geflüchtete dienen soll, doch der erst kurzfristig bekanntgegebene Einzugstermin machte es der Stadt unmöglich, ausreichend pädagogisches Personal zu finden. Am Ende wurde dann doch für alle Schüler ein Platz gefunden, manche Oberschüler müssen dennoch täglich bis nach Brück fahren. Die Kitakinder sollen demnächst vor Ort von pädagogischem Personal betreut werden. Zumindest ein Spielzimmer gibt es schon, das Mobiliar gesponsert von der Werderaner Kita „Anne Frank“.

„Für die Familien gibt es hier wieder ein normaleres Leben“, sagt Juliane Böhme, eine der zwei Heimleiterinnen. Viele der Bewohner hätten zuvor unter der Situation in den Heimen gelitten. In Brück lebten sie in Containern, in Teltow zum Teil in Notunterkünften. Toiletten und Duschen gab es dort nur auf dem Gang. Es gab keine Rückzugsmöglichkeiten, die Familien – egal wie kinderreich – lebten in einem Zimmer zusammen.

Die Wunschliste für einen Platz in Werder (Havel) war lang. Einziehen durften nur „wohnfähige“ Familien, wie die zweite Heimleiterin Marian Nebieridze sagt. Das seien Familien, die vieles schon selbstständig erledigen könnten. „Es sind Familien, die schon mindestens zwei Jahre in Deutschland leben.“ Und die jetzt nach Arbeit, Ausbildungsplätzen oder Praktika suchen.

Endlich deutsche Freunde

Leiterin Nebieridze klingelt an der Tür einer afghanischen Großfamilie mit sechs Kindern. Jahrelang hat die Familie, deren Mitglieder mittlerweile alle als Flüchtlinge anerkannt sind, nach einer größeren Wohnung gesucht. Zuvor lebten sie in einem großen Raum in Teltow. In Werder (Havel) haben sie vier Zimmer, „und einen Adventskalender und Weihnachtskugeln“, wie die jüngste Tochter Roghaye stolz erzählt. Die Weihnachtsdeko hängt auf dem Balkon – und auch Balkone gibt es in keinem anderen Heim. Das Lächeln der Siebenjährigen wird noch breiter, als sie von ihrer neuen Schule, der „Ossizi“-Schule erzählt. Sie meint die Carl-von-Ossietzky-Schule. Endlich habe sie viele deutsche Freunde. Mit den Nachbarskindern tollt sie am Wochenende in den Vorgärten herum, es wird gespielt. Die Stimmung bei den Kindern ist gut, auch die Eltern wirken erleichtert. Sie wollten nun endlich ankommen, wie Roghayes Mutter sagt.

Der Mietvertrag zwischen dem Landkreis und dem privaten Vermieter läuft fünf Jahre. Der Kreis hat der Stadt angeboten, die noch freien Wohnungen auch an Familien aus Werder (Havel) zu vermieten. Die Bewohner, die meisten von ihnen aus Tschetschenien, würde es freuen, wenn Deutsche einziehen würden. „Wir wollen uns integrieren“, sagt ein grauhaariger Mann auf dem Flur. Dabei helfen bereits die Ehrenamtlichen des Netzwerks Neue Nachbarn, sie veranstalten Malaktionen, demnächst werden Plätzchen gebacken. Am Montag kommt Sozialministerin Susanna Karawanskij (Linke) zu Besuch. Und für den Sommer ist bereits ein großes Nachbarschaftsfest geplant. Darauf freut sich Ivana Popova jetzt schon.

» Im Heim werden gern Spielzeug-Spenden entgegengenommen

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