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Gruseltourismus in den Beelitzer Heilstätten: Die Geister, die sie riefen

Beelitzer fürchten Randalierer in dem historischen Gebäudekomplex durch einen Film über die Heilstätten. Der ist durfte allerdings gar nicht dort gedreht werden.

Von Enrico Bellin

Beelitz - Der Gruseltourismus in den Beelitzer Heilstätten könnte in den nächsten Wochen neuen Schub bekommen. Das fürchten zumindest die Beelitzer Stadtverwaltung und der Betreiber des örtlichen Baumwipfelpfades, in dessen Besitz sich ein Großteil der noch ruinösen Heilstätten-Gebäude befindet. Der Grund: Der Film „Heilstätten“, der am 22. Februar deutschlandweit in die Kinos kommen wird.

Wie berichtet wurde der vom Filmriesen 20th Century-Fox vertriebene und von Till Schmerbeck produzierte Film, in dem YouTuber einen Ausflug als Geisterjäger in eine verlassene Klinik unternehmen, sich dabei filmen und blutige Horrorszenarien erleben, zwar in der Heilstätte Grabowsee in Oranienburg (Oberhavel) gedreht. Auf der Facebook-Seite des Films mit dem Untertitel „Traust du dich?“ wird aber schon kommentiert, dass ein Kinobesuch ja mit dem nächtlichen Besuch des vermeintlichen Drehortes in den Beelitzer Heilstätten verbunden werden könnte.

„Wallfahrtsziel für Subszenen“

„Gegen eine Nutzung des wie ein Markenname bekannten und mit dem Ort Beelitz eng verbundenen Begriffes Heilstätten können wir uns kaum wehren“, sagt Holger Klementz, Sprecher des Grundstückseigentümers HPG Projektentwicklungs GmbH. Den Dreh vor Ort – Produzent Schmerbeck hatte auch in den Heilstätten angefragt – habe man jedoch bewusst untersagt. „In Beelitz hat niemand ein Interesse daran, dass die mühsam aus dem Schlaf des Verfalls erweckten Gebäudeensemble erneut Wallfahrtsziel für Subszenen werden“, so Klementz. Die Heilstätten sollten nicht für „billigen Grusel“ stehen. Ähnlich sieht das der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth (Bürgerbündnis): „Wir sind heilfroh, dass der Grusel- und Partytourismus, der uns allen bis vor wenigen Jahren noch das Leben schwergemacht hatte, durch das entschiedene Vorgehen der Polizei und die Entwicklung der Heilstätten beendet werden konnte.“ Der Name des Films und auch Aspekte der Handlung würden viele zu der Annahme verleiten, dass der Streifen in den Beelitzer Heilstätten produziert worden sei.

Beim Eigentümer HPG Projektentwicklungs GmbH ist sogar die Rede davon, dass der Film „vorsätzlich“ das Image der Heilstätten beschädige. Der Bürgermeister betont jedenfalls, nächtliche Besuche in den Heilstätten seien nicht nur nicht mehr möglich – seit das Gelände mit der Errichtung des Baumkronenpfades 2015 schrittweise wiederbelebt wird, würden sie auch strafrechtlich geahndet.

Vor und während der Errichtung des Pfades 20 Meter über den Heilstätten hatte es wie berichtet nachts oft illegale Besuche in den Heilstätten-Gebäuden gegeben. Das um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtete Ensemble, das der Heilung von Tuberkulose-Patienten dienen sollte, wurden in beiden Weltkriegen als Lazarett genutzt. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ist einem Mythos zufolge auch ohne Betäubung operiert worden. Im Jahr 2008 soll ein Fotograf sein Modell bei Sadomaso-Spielen getötet haben, er wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Geisterjäger glauben, dass die Seelen Verstorbener nachts durch das alte Chirurgiegebäude streifen.

Suche nach verlorenen Seelen

Einer, der den Gruseltourismus heftig anregte, führt Sprecher Klementz zufolge heute als Mitarbeiter selbst offiziell im Namen des Eigentümers durch die Ruine der Chirurgie. Er habe einst mit Freunden die historischen Bauten vor Verfall, Vandalismus und Materialdieben schützen wollen und den Zustand dokumentiert – im Gebäude, ohne Erlaubnis der Besitzer. Als er gerade im Keller gewesen sei, hätten sich Geisterjäger im Gebäude bewegt. Offenbar warteten er und seine Freude auf deren Verschwinden, was so lange dauerte, dass ihnen langweilig wurde und sie beschlossen, selbst durchs Haus zu spuken. Das wiederum hatten die Geisterjäger bemerkt. Der Geister-Mythos der Heilstätten war geboren – es folgten viele „lost places“-Besucher auf der Suche nach den verlorenen Seelen. Mit ihnen kam der Vandalismus. Der Höhepunkt: Ein Bagger wurde entwendet, mit ihm das historische Vordach der Chirurgie eingerissen. Das Kupferdach wurde teils Diebesbeute, es sei ein Schaden von rund 90 000 Euro entstanden.

Das könne genau beziffert werden, da die Gebäude inzwischen begutachtet wurden. Da der Baumkronenpfad in das Konzept zur Landesgartenschau in Beelitz im Jahr 2022 integriert ist, wolle man in diesem Jahr mit Arbeiten zur Herrichtung des Hauses beginnen. Am Mittwoch hätten Arbeiten für die Errichtung eines neuen Servicecenters im Pförtnerhäuschen am Eingang zum Gelände begonnen. Das Café dort gibt es nicht mehr. Im Pförtnerhaus sollen künftig die geführten Touren von Reisegruppen beginnen. Der Umbau soll im März fertig sein. Im Mai soll auch ein neues Restaurant zwischen dem alten großen Küchengebäude und dem Laborhaus eröffnen. 

Diese beiden großen Gebäude des Ensembles sollen in den nächsten Jahren ein abgedichtetes Dach bekommen, um ihren Verfall zu stoppen. Auch die Innenräume sollen nutzbar gemacht werden: Im alten Hörsaal des Laborgebäudes könnte beispielsweise ein Kino für die Vorführung historischer Filme entstehen, so Klementz. Womöglich können Gartenschau-Besucher während der Renovierungen Rundgänge durch die Häuser machen. Auch geführte Rundgänge durch die frühere Frauenklinik wird es wohl geben. Die bewaldete Ruine ist die Hauptattraktion der Heilstätten. Derzeit würden Begehungen mit Sachverständigen laufen, um herauszufinden, welche Räume zugänglich sein sollen. Betreten werden darf die Ruine schon jetzt nur noch mit Helm auf dem Kopf.

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