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Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark: Besser wohnen in Teltow

Vor einem Monat konnten Flüchtlinge die Unterkunft in der Oderstraße beziehen. Der Umzug war ein Kraftakt, aber die Bedingungen im neuen Heim sind würdiger als in der vorigen Notunterkunft.

Von Enrico Bellin

Teltow - Die Hagia Sophia glänzt im Morgenlicht, der Himmel über der Stadtsilhouette wirkt noch dunkel. Statt am Bosporus befindet sich der Betrachter jedoch in der Teltower Oderstraße: Das Bild eines der prächtigsten Kirchenbauten der Welt ist an die Wand des Eingangsbereiches des neuen Übergangswohnheimes für Flüchtlinge gemalt. „Der Hausbesitzer ist türkisch“, erklärt Mariam Nebieridze, Leiterin der Unterkunft. Vor gut einem Monat ist sie mit 120 Flüchtlingen aus der Notunterkunft in der Wathestraße aus und wenige Hundert Meter ins renovierte frühere Bürogebäude eingezogen, etwa ein Jahr später als geplant. Grund für die Verzögerungen waren Probleme beim Brandschutz und bei der Parkplatzsatzung der Stadt Teltow, die für die vom Internationalen Bund betriebene Einrichtung zunächst genauso viele Parkplätze wie für ein Bürohaus gleicher Größe gefordert hat.

„Früher waren die Räume unzumutbar“, sagt die Leiterin selbst. Die Räume in der Warthestraße wurden ursprünglich als Schule gebaut, dementsprechend wenig Waschräume gab es für die Bewohner, die zudem in Spitzenzeiten zu zwölft in einem Zimmer hätten schlafen müssen. Thomas Kaminsky, Leiter der Wohnheime im Nachbarort Stahnsdorf, beschreibt die Situation in der Warthestraße sogar als katastrophal. „Es ist bemerkenswert, wie souverän die Leiterin und ihr Team das trotzdem gemanagt haben.“ Es habe allerdings das Angebot gegeben, die Notunterkunft zu schließen und die Bewohner auf die Standorte in Stahnsdorf, Brück und Bad Belzig zu verteilen. Das hätten sie jedoch abgelehnt, da oft die Kinder schon in Teltower Schulen und Kitas integriert waren und die Nähe zu Berlin zudem für viele als großer Vorteil gelte.

Wie sehr sich die Flüchtlinge, die oft schon seit einem Jahr in der Notunterkunft gelebt hatten, eingerichtet hatten, hatten anscheinend auch die Umzugsplaner vergessen. Wie eine Sozialarbeiterin, die nicht namentlich genannt werden will, den PNN mitteilte, habe es nur Lastwagen für die Waschmaschinen und andere Großgeräte gegeben, nicht aber für die Asylbewerber selbst. „Das war eine typische Entscheidung von jemandem, der keinen Kontakt mit den Menschen vor Ort hat“, so die Sozialarbeiterin. Die Bewohner sollten ihre Habseligkeiten selbst mehrere Hundert Meter tragen. Einige hätten sich dann privat einen Umzugswagen gemietet, was wiederum bei anderen für Unverständnis gesorgt hat, die das Gleiche auch für sich beanspruchen wollten. Der Umzug sei ein Kraftakt gewesen, der nun zum Glück überstanden ist.

Derzeit leben rund 90 Asylbewerber im Heim, etwa die Hälfte davon Kinder und Jugendliche. Sie teilen sich zu zweit oder zu dritt ein Zimmer. Dazu leben 14 Familien in der Unterkunft. Bis zu vier Personen teilen sich ein 36 Quadratmeter großes Zimmer. Wer mehr Kinder hat, bekommt zwei Zimmer. Damit bleibt die Unterkunft deutlich über den staatlichen Anforderungen von sechs Quadratmetern pro Flüchtling. Die Zimmer sind ansprechend renoviert, aber sehr schlicht eingerichtet mit einem Bett und einem Schrank pro Bewohner.

Am Vormittag ist es sehr ruhig im Haus: Die meisten Bewohner sind in der Schule oder bei Deutschkursen im benachbarten Oberstufenzentrum. Das Klopfen an Zimmertüren bleibt meist unbeantwortet. Dann öffnet Khadijeh Mohammadi die Tür, im Arm ihre Enkelin. Gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Frau teilt sie sich das Zimmer, es stehen aber nur drei Betten aufgebaut: Der Familienvater schläft auf dem Boden – freiwillig, das vierte Bett liegt auseinandergeschraubt unter den anderen. So bleibt mehr Platz im Raum. Mariam Nebieridze schaut sich um und wirft kurz einen strengen Blick auf Khadijeh, dann nimmt sie ihr eine Kochplatte aus der Hand. Kochen im Zimmer ist aus Brandschutzgründern verboten, eigentlich wissen das die Bewohner auch. Es gibt zwei Küchen im Haus mit mehreren Herden, die benachbarten Speiseräume sind aber noch unmöbliert. Die Möbel sollen in dieser Woche kommen. Über Weihnachten hatten sie es nicht mehr geschafft. Ist Khadijeh Mohammadi trotzdem froh über ihr neues Zuhause? „Hier gutes Zimmer, viel, viel gut“, sagt sie mit Nachdruck. Das Baby in ihrer Hand heißt Mariam, wie die Leiterin der Unterkunft.

Die 35-Jährige war selbst Flüchtling, ihr Heimatland Georgien hatte sie vor dem Fünf-Tage-Krieg mit Russland im Jahr 2008 verlassen. In Georgien und Deutschland hat sie Sozialpädagogik studiert. Ihr Hintergrund helfe ihr oft im Umgang mit den Bewohnern. „Man muss ständig hinterher sein. Meine Geschichte hilft mir, bei den Flüchtlingen auch auf Anpassung zu drängen“, so Nebieridze.

Meist würde sie auch von den männlichen Flüchtlingen akzeptiert. Nur zwei Mal seien Männer extrem gewesen, wollten weder ihr noch der Leiterin der Schule ihrer Kinder die Hand geben. „Nachdem ich ihnen erklärt habe, dass das so nicht geht, haben sie mit ihrem Imam gesprochen. Der hat ihnen das Händeschütteln auch sofort erlaubt“, sagt Mariam Nebieridze. Bei einem Wiedersehen hätten einer der beiden und sie sich sogar umarmt.

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