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Potsdam-Mittelmark: Ein Magier des Kinofilms

Der Trickkameramann Erich Günther verrät, wie die Tricks in alten Kinderfilmen funktionierten

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Katzen konnte er zum Sprechen bringen, Teekannen zum Tanzen und Hunde zum Feuer speien. Er war ein Magier. Monatelang tüftelte der Kleinmachnower Trickkameramann Erich Günther mit seiner vierköpfigen Trickfilmcrew von der DEFA an seinerzeit spektakulären Filmtricks. Alles, um das Publikum zum Staunen zu bringen. „Ich wollte das Unmögliche möglich machen“, sagt der ehemalige Leiter des Animationstricks bei der DEFA, der vor wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag feierte. Seine Arbeit wäre heute mit wenigen Klicks am Computer erledigt, doch der Charme würde dabei auf der Strecke bleiben. Auch wenn die alten Tricks für den heutigen Geschmack zu vorhersehbar, langsam und auch etwas holprig sind – ihr Reiz liegt in deren aufwendiger Erstellung und dem Ideenreichtum der Trickfilmer. Aber wie funktionierte das eigentlich mit dem Trick?

Ein Blick in die Trickkiste des vergangenen Jahrhunderts: Erich Günther blättert durch einen Ordner mit handgezeichneten Plänen. Darauf sind mehrere Kameras zu sehen, kleine Zahlen markieren, in welchem Winkel sie aufgestellt wurden. „Ich musste den Trickaufbau den Regisseuren aufzeichnen, um ihnen das verständlich zu machen“, erklärt der Kameramann. Selbst nach seiner Zeit bei der DEFA brauchte er die Zeichnungen noch: Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen erklärte er den Trick des Analogfilms. Günther war bei der DEFA Spezialist für den Kombinationstrick, bei dem Schauspieler mit animierten Gegenständen im Film gemeinsam agieren. Die Katze aus dem Kinderfilm „Moritz in der Litfaßsäule“ von Rolf Losansky ist so ein Beispiel.

Angefangen hatte er mit einfachen Animationen, also Stop-Motion, doch das reichte ihm nicht mehr: „Die Einzelbildtechnik hatte ich im Griff, ich suchte nach Herausforderungen.“ In Stop-Motion hat sich übrigens auch das Sandmännchen über den Bildschirm bewegt. Der DDR-Kinderfilm „Konzert für Bratpfanne und Orchester“ vor 40 Jahren brachte den Durchbruch.

„Das war damals bahnbrechend“, sagt Günther. Eine kleine Teekanne sollte tanzen und laufen können, so hatte sich das die Regisseurin Hannelore Unterberg ausgedacht. Ihre Nase, also den Ausguss, konnte die Kanne rümpfen, ihren Kopf, den Deckel, geschmeidig bewegen. Dafür arbeitete die Trickfilmcrew mit einer präparierten Kanne aus leichtem Metall, deren Henkel und Füße aus dünnen Drähten bestand.

Für die Aufnahmen teilte Erich Günther das Bild: Erst wurden mit einer Spezialkamera die Schauspieler aufgenommen, dann kamen auf der anderen Seite des Filmstreifens die Tricksequenzen dazu. Schauspieler und Kanne waren nach der Entwicklung gemeinsam zu sehen. „Die Aufnahmen müssen deckungsgleich sein. Ein kleiner Unterschied und der Trick funktioniert nicht mehr“, so Günther.

Eine lebendige Teekanne – das sprach sich bei der DEFA rum. Als der Kinderfilmregisseur Rolf Losansksy davon hörte, war er entmutigt und begeistert zugleich: „Da kann ich mit meinem Schneemann ja einpacken“, erinnert sich Günther an seine Worte. Ende der 70er-Jahre steckte Losansky in der Produktion zu seinem Kinderfilm „Ein Schneemann für Afrika“. Um mit Günther und seiner Crew zusammenzuarbeiten, wurde die Produktion für den Kinderfilm um ein Jahr verschoben.

In der Zwischenzeit bauten die Trickspezialisten über 20 Schneemänner in verschiedenen Größen. So viele brauchte man, um das langsame Schmelzen in Szene zu setzen. Alle Schneemänner waren so präpariert, dass sie mit einer mechanischen Fernsteuerung bewegt werden konnten. „Ursprünglich wollte man kleine Schauspieler in die Schneemann-Kostüme stecken.“ Danach arbeitete Günther bei fast allen Losansky-Filmen mit. Er drehte mit ihm unter anderem „Moritz in der Litfaßsäule“ und „Das Schulgespenst“.

Trickfilme zu machen war früher mühsam: „Für einen 300-Meter-Film brauchten wir ein Vierteljahr“, sagt Günther. Ein Meter Film entspricht zwei Sekunden. Einer von Günthers schwierigsten Tricks waren umherschwirrende Glühwürmchen im Märchenfilm „Die Geschichte vom goldenen Taler“. Den Trick konnten andere nicht realisieren, Günther war herausgefordert. „Wir mussten das schaffen, sonst hätte die DEFA international nichts mehr zu Sagen gehabt.“ Also erfand Günther eine Matrizenkamera.

Dafür filmte er mit zwei synchron geschalteten Kameras schwarzweiß und in Farbe. Das belichtete Schwarzweißmaterial wurde in einem kniffligen Verfahren genutzt, um den Trick später genau ins unbelichtete Farbbild projizieren zu können. Seine Filmcrew konnte so direkt um den Kopf eines Schauspielers die Glühwürmchen aufleuchten lassen.

Auch Schauspieler schrumpfen lassen, dass sie in Marmeladegläser passten, machte Erich Günther Spaß. Dafür setzte er konkav geschliffene Linsen vor die Kameras. Jeder Trick war für ihn ein neues Rätsel, das gelöst werden wollte. Den Wunsch, seinen Zuschauern ein Staunen zu entlocken, hatte er schon früh. Schon als junger Mann munterte er seine Freunde mit Zaubertricks auf.

Zum 90. Geburtstag des Trickspezialisten werden am 14. Januar im Kinosaal des Mediencampus Babelsberg in der Großbeerenstraße 189 ab 19 Uhr die Tricks aus alten DEFA-Filmen gezeigt

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