zum Hauptinhalt
Mehrgeschossigen Wohnungsbau sieht man in Kleinmachnow eher selten.

© A. Klaer

Bürgermeisterwahl in Kleinmachnow: Idylle unter Druck

Kleinmachnow wählt am Sonntag seinen Bürgermeister. Die Kernfrage für die Zukunft des Ortes: Mehr günstige Wohnungen - oder mehr Einfamilienhäuser? Eine Analyse.

Von Eva Schmid

Kleinmachnow - Vor den Toren Berlins, grün, idyllisch, mit Kultur und netten Nachbarn. Kleinmachnow ist beliebt, wird ein Einfamilienhaus mit Garten zum Kauf angeboten, ist es in kürzester Zeit weg. Leerstand kennt man hier nicht. Es herrscht Platzmangel, die Gemeinde hat nur noch wenige Flächen, auf denen gebaut werden kann. Kleinmachnow geht es gut, vor allem finanziell. Das gilt auch für den Großteil seiner Bewohner. Wer dorthin zieht, kann es sich leisten. Doch soll es immer so weitergehen? Soll Kleinmachnow nur für gutsituierte Akademiker Wohnraum bieten oder sind hier auch Taxifahrer, Krankenschwestern oder Bauarbeiter erwünscht? Zur Gretchenfrage im bisher sehr ruhigen, nahezu unbemerkten Wahlkampf um den Chefsessel im Rathaus – Bürgermeisterwahl ist am Sonntag – wird der Wohnungsbau.

Vor rund drei Wochen kam es zu einer richtungsweisenden Entscheidung. Eine knappe Mehrheit stimmte in der jüngsten Gemeindevertretersitzung für den Geschosswohnungsbau auf Kleinmachnows größter Industriebrache am Stahnsdorfer Damm. Bis zu 140 günstige Mietwohnungen sollen dort entstehen. Auch Bürgermeister Michael Grubert (SPD), der eine zweite Amtszeit anstrebt, stimmte zu. Seine einzige Kontrahentin, die Christdemokratin Uda Bastians, war dagegen.

Bürgermeister-Kandidaten wollen "soziale Durchmischung" - und haben unterschiedliche Vorstellungen davon

Und das, obwohl beide Bürgermeister-Kandidaten in ihren Programmen eine „soziale Durchmischung“ des Ortes versprechen. Ihre Auffassungen davon könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Grubert will durch günstige Mietwohnungen – von denen es bisher weniger als 1200 gibt – Kleinmachnow auch für weniger Verdienende attraktiv machen. Er will kein „Beverly Hills“; so sagt er das zwar nicht, darauf könnte man es aber zuspitzen. CDU-Kandidatin Bastians hingegen versteht unter sozialer Durchmischung die Erhaltung des Status quo, Kleinmachnow soll weiter Einfamilienhaus-Idyll sein. Auch sie sagt das so nicht, plädiert aber für kleinteiliges Bauen. Sie will Wohnraum für junge Familien schaffen, die sich auf der Industriebrache in Baugruppen zusammenschließen. Ein derartiges Angebot spricht mittel- bis gut situierte Akademiker an, die in Berlin nichts mehr finden. Der Zuzug der bisherigen Einwohnerklientel bleibt bestehen.

Die Position der 44-jährigen Christdemokratin ist durchaus nachvollziehbar, sie will genau bei dieser Wählergruppe punkten. Die Newcomerin im Gemeindeparlament – sie ist erst seit 2014 dabei – hat sich durch ihr Engagement im Schulbereich hervorgetan. Gut vernetzt hofft sie auf die Unterstützung vieler Eltern im Ort. Ein intelligenter Schachzug der Kleinmachnower CDU, eine derartige Kandidatin dem politisch schwergewichtigeren Grubert entgegenzusetzen. Dennoch wird es sicher nicht leicht für Bastians. Viel Angriffsfläche bietet der 57-jährige Grubert ohnehin nicht. Sein Stand als Vorsteher des Wasser- und Abwasserzweckverbands „Der Teltow“ war in den vergangenen Jahren zwar nicht immer einfach. Durchaus wirsch, bisweilen arrogant wirkend, konnte er Bedenken von besorgten Kleinmachnowern vom Tisch fegen. Doch Grubert kann bei vielen Wählern mit den großen Themen punkten, unter anderem schob er die Kulturentwicklung fleißig mit an.

Kleinmachnower sind Gestalter, die Politik schaut zu

Da hat Kleinmachnow, schon immer eine Heimstatt der Künstler, sich zu einer ansehnlichen Adresse entwickelt. Mittlerweile kommen auch Berliner, die meisten aus dem angrenzenden Zehlendorf. Um den Status zu erhalten, schwebt Grubert unter anderem der Kauf des ehemaligen Kulturhauses samt Kino vor, in das die Kammerspiele sich bisher eingemietet haben. Nur so könne die Spielstätte langfristig saniert und gesichert werden. Kulturpolitisch bleibt seine Kontrahentin sehr vage, sie spricht unter anderem von einem modernen Museumskonzept.

Was für die Kultur gilt, setzt sich beim Thema Ehrenamt fort. Kleinmachnower sind Gestalter, die Politik schaut zu, kann dankbar sein. So wie beim großen Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer für Flüchtlinge. Sie übernehmen Patenschaften, organisieren wöchentlich ein Begegnungscafé. Der Zulauf ist enorm. Dabei hat Kleinmachnow bisher keinen einzigen Flüchtling aufgenommen, die Heime stehen in Stahnsdorf und Teltow. Was gut läuft, muss offenbar nicht besser gemacht werden. In Gruberts Wahlprogramm steht zur Unterstützung von Ehrenamtlichen nichts weiter. Seine Herausforderin spricht zumindest davon, die Flüchtlinge bestmöglich integrieren zu wollen. Wie genau das vonstattengehen soll, bleibt erneut offen.

Seniorengerechtes Wohnen ein Schwerpunkt

Was beide Kandidaten eint und was der Gemeinde regelrecht unter den Nägeln brennt, ist der Bau von seniorengerechten Wohnungen. Gibt es davon nicht bald mehr, werden viele Kleinmachnower in ihren Einfamilienhäusern, die nach dem Wegzug der Kinder zu groß geworden sind, weiter wohnen. Fluktuation gibt es jetzt schon kaum, auch weil die wenigsten älteren Kleinmachnower freiwillig in Nachbargemeinden ziehen, um dort altersgerecht zu wohnen. Dann doch lieber das Haus entsprechend herrichten lassen. Wenig strittig ist für die Kandidaten daher auch, dass im Zentrum, etwa an der Förster-Funke-Allee barrierefreies Wohnen ermöglicht werden soll.

Wohnungsbau, Bildung, Kultur – hinter die großen Themen einer Gemeinde können Häkchen gesetzt werden. Doch was ist mit der Kriminalität? Im vergangenen Jahr sind 109 Einbrüche registriert worden, ein Anstieg zum Vorjahr um 33 Fälle. Der Wahlkampf mitten in der dunklen Jahreszeit wäre bestens geeignet, um neue Wege vorzuschlagen, Bilanz zu ziehen, den vielen Verunsicherten etwas an die Hand zu geben.

Einbruchshochburg Kleinmachnow

Für Grubert ist das Thema kein Ruhmesblatt. Seine Gemeinde warnt Diebe am Ortseingang und verweist auf den Einsatz von künstlicher DNA. Mithilfe des speziellen Lacks, der auf Wertgegenstände gepinselt wird, kann aufgespürtes Diebesgut ihrem rechtmäßigen Besitzer zugeordnet werden. Der Lack soll vor allem abschrecken – nur leider funktioniert das nicht so wie gewünscht. Zumindest nicht in der Einbruchs-Hochburg Kleinmachnow. Auch der Verkauf von DNA-Lack-Sets durch das Rathaus verläuft mehr als zäh. Überraschend auch, dass gerade die CDU bei dem Thema hinterm Berg hält. Bastians verspricht, für mehr Polizeipräsenz zu kämpfen, und will „mithelfen, die Ursachen für die dramatisch geringe Aufklärungsquote aufzuklären und abzustellen“. Das klingt wenig überzeugend. Zumal erneut offen bleibt, wie sie das schaffen will.

Die Kleinmachnower haben am Sonntag keine leichte Wahl – beide Kandidaten hätten mehr aus der Deckung kommen können.

Zur Startseite