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Ein durch Sprengung der Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg beschädigtes Hausdach in Stahnsdorf.

© Ottmar Winter

Bombe in Stahnsdorf: Ist alles korrekt gelaufen?

Nach der Sprengung eines Blindgängers sind viele Fragen offen: Wurden alle Regeln beachtet? Hätten Schäden vermieden werden können? Die Antworten sind eindeutig.

Von Enrico Bellin

Stahnsdorf - Auch zwei Tage nach der Sprengung einer 500-Kilogramm-Fliegerbombe in Stahnsdorf waren die Folgen der Explosion Thema Nummer eins in der Gemeinde und darüber hinaus. Die PNN geben einen Überblick über das Geschehen und die wichtigsten Fragen.

Wie konnte die Bombe dort überhaupt liegen – wurde das Grundstück nicht abgesucht?

Doch. Das Bauland, auf dem die Bombe am Freitagnachmittag von einem Baggerfahrer gefunden wurde, ist untersucht worden. Das sagte Gemeindesprecher Stephan Reitzig den PNN. Dass dabei nichts gefunden wurde, liege an topografischen Besonderheiten vor Ort: Früher habe es dort eine Kiesgrube gegeben. Die Bombe sei vermutlich deshalb nach dem Abwurf sehr weit in den Erdboden eingesackt und mit den üblichen Messmethoden nicht gefunden worden.

Wie Sprengmeister Mike Schwitzke vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes den PNN sagte, soll ab jetzt vor Ort eine Firma die Bauarbeiten überwachen. Spezialisten sollen den Boden überprüfen, bevor ein Bagger ins Erdreich eindringt. Gegenüber der „Märkischen Allgemeinen“ hatte Schwitzke geäußert, dass dies von Anfang an eine Auflage für den Bauherrn Bonava gewesen sei, da die Firma vom Landkreis bei der Erteilung der Baugenehmigung keine sogenannte Munitionsfreigabe bescheinigt bekommen habe. Gegenüber den PNN wiederholte er dies am Montag nicht. Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert konnte am Montagabend nur bestätigen, dass die Munitionsfreigabe 2018 nicht erteilt worden sei, sondern es die Auflage zu weiteren Untersuchungen gab. Ob diese erfüllt wurde, blieb unklar.

Der Gemeinde Stahnsdorf liege in Kopie aber die vom Kreis erteilte Baufreigabe vor, wie Stephan Reitzig den PNN am Montagabend bestätigte. Demnach müssten alle nötigen Unterlagen eingereicht worden sein. Das Innenministerium, dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst und damit auch Sprengmeister Schwitzke untersteht, konnte am Montag auf Anfrage einen Verdacht, dass die Bonava Auflagen nicht erfüllt habe, nicht bestätigen.

Die Bonava machte zu dem Vorwurf am Montag auf Anfrage keine Angaben.

Woher kam die Bombe?

Sprengmeister Schwitzke schloss am Montag aus, dass die Bombe englischer Herkunft im Zweiten Weltkrieg gezielt über Stahnsdorf abgeworfen worden war. „Wir haben heute noch einmal Luftbilder ausgewertet, dabei sind keine weiteren Bombentrichter in der Nähe zu sehen.“ Womöglich wurde die Bombe vom Flieger im Anflug auf Berlin versehentlich abgeworfen oder um Ballast loszuwerden.

Wie war die Lage vor Ort am Montag?

Schadensbegutachtung und -reparatur waren am Montag die Hauptbeschäftigungen rund um die Baustelle am Stahnsdorfer Hof, auf der die Bombe gesprengt worden war. An einem der beiden nun unbewohnbaren Häuser in der Ruhlsdorfer Straße waren Handwerker zugange. An den Häusern rings herum waren noch einige Schäden an den Dächern zu sehen. Hart getroffen hat die Druckwelle der Detonation das Haus in der Wilhelm-Külz-Straße 52, in dem sich eine Tierarztpraxis und mehrere Wohnungen befinden.

Besitzer Frank Lemke war am Montagnachmittag mit der Schadensaufnahme beschäftigt. 21 kaputte Fenster hatte er bereits gezählt, in einer Wohnung war er noch gar nicht. Meist sind es die Halterungen, die gebrochen sind. „Da könnte jetzt ein Windstoß die Fenster öffnen, theoretisch könnten sie beim Öffnen auch den Mietern entgegenfallen.“ Ein Fenster der Tierarztpraxis ist gesplittert. Bei einem Schuppen kamen Teile der Decke herunter, jetzt regnet es dort hinein. „Ich habe bereits mit meiner Versicherung telefoniert. Der Sachbearbeiter war nicht sicher, ob sie den Schaden übernehmen“, so Lemke. Die Sprengung selbst hatte er nicht mitbekommen, er war im Urlaub und kam erst Sonntag zurück. Mieter Dennis Koppe hatte ihn informiert. Der wohnt erst seit einer Woche in dem Haus und konnte am Freitag nach der Arbeit nicht mehr in seine Wohnung, sondern musste bei den Eltern unterkommen.

Wer zahlt? Glaser Dirk Breitenbach hat den Erker des Hauses am Samstag nur von innen abgedichtet. Scheiben will er erst ersetzen, wenn klar ist, wer das zahlt.
Wer zahlt? Glaser Dirk Breitenbach hat den Erker des Hauses am Samstag nur von innen abgedichtet. Scheiben will er erst ersetzen, wenn klar ist, wer das zahlt.

© Ottmar Winter

Wurden Schäden durch den Sturm größer?

Anwohner wie Dennis Koppe hatten sich vorbereitet. Er hatte seine defekten Fenster mit Holzbalken gesichert. Auch Glaser Dirk Breitenbach, dessen Firma im Haus nebenan sitzt, war am Samstag im Dauereinsatz, um das Gebäude sturmsicher zu machen. Zerbrochene Erkerfenster wurden noch nicht ersetzt. „Dafür müssen wir noch klären, ob die Versicherung den Schaden wirklich übernimmt.“ Allerdings wurden Türen zum Erker hin repariert, sodass keine Kälte ins Haus eindringen konnte. An den Häusern hat der Sturm keine weiteren Schäden angerichtet. Auch der Gemeinde ist kein Fall bekannt, bei dem beschädigte Häuser weiter zerstört wurden, sagte Stahnsdorfs Sprecher Stephan Reitzig den PNN. Allerdings sei eine Garage abgedeckt worden, zudem seien mehrere Bäume auf Straßen gestürzt, unter anderem an der Ruhlsdorfer Straße. Die Feuerwehr sei wieder im Dauereinsatz gewesen, wie auch schon nach dem Bombenfund am Freitag.

Wie groß sind die Schäden durch die Detonation des Blindgängers?

Wie viele Häuser genau durch die Detonation beschädigt wurden, ist der Gemeinde derzeit noch nicht bekannt. Sprecher Reitzig zufolge sind hauptsächlich Häuser in der ersten Reihe um den Fundort in der Wilhelm-Külz-Straße betroffen, also in der Straße selbst, der Ruhlsdorfer Straße und Mühlenstraße. Betroffene, die sich bei der Gemeinde melden, bekommen von der Verwaltung eine offizielle Bestätigung, dass die Schäden auf die Bombensprengung zurückzuführen sind, so Reitzig. Dies gilt laut Kleinmachnows Sprecherin Martina Bellack auch für die Betroffenen auf Kleinmachnower Seite der Wilhelm-Külz-Straße.

Schadensaufnahme. Frank Lemke prüft am Montagnachmittag Haus und Schuppen.
Schadensaufnahme. Frank Lemke prüft am Montagnachmittag Haus und Schuppen.

© Ottmar Winter

Wie viele Kleinmachnower von Schäden betroffen sind, konnte Bellack nicht sagen. Im Rathaus, das in der Nacht zu Samstag als Notunterkunft diente, hätten gut 80 Menschen übernachtet. Auch im Rathaus sei die Vibration der Sprengung zu spüren gewesen. Schäden an den drei Schulen, die im 1000-Meter-Sperrkreis um den Fundort auf Kleinmachnower Gebiet liegen, gibt es nicht, wie der Landkreis und die Hoffbauer-Stiftung am Montag auf Anfrage sagten. In Teltow, das ebenfalls teilweise im Sperrkreis lag, sind laut Sprecher Jürgen Stich keine Schäden zu verzeichnen.

Hätten die Schäden geringer ausfallen können?

Viele Stahnsdorfer haben sich in sozialen Netzwerken oder gegenüber Medien kritisch zur Sprengung geäußert. So kam die Frage auf, warum die Bombe, deren Entschärfung misslungen war, vor der Sprengung nicht besser abgeschirmt wurde. „Es wäre unverantwortlich gewesen, noch jemanden an diese Bombe heranzulassen“, sagte Sprengmeister Mike Schwitzke den PNN am Montag. Da die Bombe schon von einem Bagger berührt worden war und es anschließend den Versuch der Entschärfung gegeben habe, habe man den Blindgänger nicht mehr mit Sand oder anderem abdecken können. Stattdessen wurde er mit einem Wasserbehälter überbaut, der die Wucht der Detonation mindern sollte. „Wir haben nur noch die Ladung zur Sprengung an der Bombe befestigt, was schon sehr risikoreich war, und dann unser Equipment in Sicherheit gebracht“, so Schwitzke. Die Zündung erfolgte dann aus sicherer Entfernung vom Stahnsdorfer Hof aus. Man könne froh sein, dass die Sprengung so ablief und es zwar Sachschäden gab, aber niemand verletzt wurde. „Die Bombe hatte einen Langzeitzünder. Früher oder später wäre sie hochgegangen“, sagte der Kampfmittelexperte. Das hätte schließlich im Berufsverkehr passieren können oder wenn eine Kitagruppe am Grundstück vorbeiläuft – mit dramatischen Folgen.

Am Montag waren Handwerker in den Häusern. Auf der Baustelle wurden die Rohbauten auf Schäden überprüft. Fotos: Ottmar Winter
Am Montag waren Handwerker in den Häusern. Auf der Baustelle wurden die Rohbauten auf Schäden überprüft. Fotos: Ottmar Winter

© Ottmar Winter

Bis wann müssen Schäden gemeldet werden?

Auch wenn Versicherungen am Montag zum Teil noch keine Aussage treffen konnten, ob sie die Schäden an Gebäuden übernehmen, könnten die Stahnsdorfer unbesorgt sein. Das sagte Christian Ponzel, der Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, am Montag den PNN. Es gebe sehr selten Schäden durch gesprengte Bomben, da in den meisten Fällen eine Entschärfung möglich ist. Deshalb könnten die Sachbearbeiter der Versicherungen am Telefon oft keine direkte Zusage geben. „Uns ist kein Fall bekannt, dass ein solcher Schaden nicht übernommen wird“, so Ponzel. Schäden außen am Haus übernehme die Gebäudeversicherung, Schäden im Inneren die Hausratversicherung. Betroffene müssten sich „ohne schuldhafte Verzögerung“ bei der Versicherung melden, so Ponzel. Am besten sollten Betroffene ein Handyfoto machen und das gleich an die Versicherung schicken, bevor sie Schäden, bei denen Gefahr im Verzug ist, beheben. „Ob die Versicherung aber moniert, wenn die Schadensmeldung drei bis vier Tage dauert, wage ich zu bezweifeln“, so der Sprecher. Und auch wer etwa nach einem Urlaub erst nach mehreren Tagen einen Schaden bemerkt und meldet, handele nicht schuldhaft. Wenn erst nach mehreren Tagen Beschädigungen sichtbar werden, sei das auch selten problematisch. Meist müsse ein Gutachter die untersuchen.

Sprengmeister Mike Schwitzke
Sprengmeister Mike Schwitzke

© Julian Stähle/dpa (Archiv)

Wie geht es auf der Baustelle weiter?

Am Montag waren Statiker der Bonava vor Ort, um die Rohbauten auf der Baustelle auf ihre Standsicherheit zu überprüfen. Wann die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden, ist Bonava-Sprecherin Katja Kargert zufolge noch unklar. Einer der beiden Kräne auf dem Gelände war am Sonntag bereits abgebaut worden. Auch der zweite hat sich nun als irreparabel geschädigt erwiesen, so Gemeindesprecher Stephan Reitzig.

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