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Simone Frey ist seit 2011 Geschäftsführerin der BioAnalyt GmbH in Teltow - gemeinsam mit Firmengründer Florian Schweigert. Die 37-Jährige studierte Ökotrophologie in Gießen und Wien. An der Universität Potsdam schrieb sie ihre Doktorarbeit, danach forschte sie an der Columbia University in New York City. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Berlin.

© Sebastian Gabsch

BioAnalyt in Teltow: Brandenburgs beste Biotech-Chefin

Vorbilder finden und Vorbild sein: Beides spielt in der Karriere von Simone Frey eine große Rolle. Die 37-Jährige ist seit 2011 Geschäftsführerin des Biotech-Unternehmens BioAnalyt in Teltow.

Teltow - Den roten Faden ihrer Karriere, sagt Simone Frey, den erkennt sie selbst erst im Rückblick. Eigentlich sei die eigene Apotheke ihr Traum gewesen, als sie das Abitur machte. Dann kam alles anders - aber irgendwie auch nicht. Die 37-Jährige ist nach Stationen an Hochschulen in Wien, Gießen, der Promotion in Potsdam und einem Forschungsaufenthalt an der Columbia University in New York City heute Geschäftsführerin der BioAnalyt GmbH in Teltow. Das Unternehmen, das als Ausgründung der Universität Potsdam startete, hat sich auf dramatisch vereinfachte Lebensmittel- und Bluttests spezialisiert. Die von Firmengründer und Geschäftsführer Florian Schweigert entwickelten und patentierten Schnelltest-Sets im Minikoffer werden unter dem Namen „iCheck“ weltweit vertrieben. In ärmeren Regionen können die Labore im Koffer beim Kampf gegen Mangelernährung eingesetzt werden, in reicheren Ländern denen helfen, die sich gesund ernähren wollen. Den früheren Berufswunsch mit der eigenen Apotheke sieht Simone Frey heute als ein Bild - dafür, Geschäftsführerin zu sein, in der Gesundheitsbranche zu arbeiten und Menschen zu helfen: „Ich tue genau das jetzt.“

Und sie ist damit erfolgreich. Als Simone Frey 2009 zu BioAnalyt kam, gab es erst ein fertiges Produkt und einen Konzern als Kunden. Heute sind bereits acht der Koffer-Labore im Angebot - Testsets für jeweils einen speziellen Mikronährstoff, zum Beispiel Vitamin A, Eisen oder Jod. BioAnalyt hat 100 Kunden in 80 Ländern - darunter Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen wie die Unicef und internationale Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé und Kraft-Mondelez. Statt der anfänglich fünf Mitarbeiter gibt es heute 20. Die Firma wurde mit dem Brandenburgischen Innovationspreis im Bereich Ernährungswirtschaft ausgezeichnet und erhielt wegen der enormen Wachstumsraten zwei Jahre in Folge den Deloitte Technology Fast 50 Award, mit dem die Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte die 50 am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen in Deutschland ehrt. 2011 ist Simone Frey in die Geschäftsführung aufgestiegen, neben Firmengründer Florian Schweigert.

"Heute merke ich, dass mich mein Bauch geführt hat"

Studiert hat sie Ökotrophologie, ein Fach, das die naturwissenschaftlichen Elemente der Ernährungswissenschaft mit soziologischen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekten kombiniert. Und das sie damals nach dem Abitur in Augsburg einfach interessiert hat, wie sie erzählt. Wie viel diese und andere Entscheidungen auf ihrem Berufsweg mit dem zu tun haben, was man Bauchgefühl nennt, das sei ihr erst über die Jahre klar geworden. „Heute im Nachhinein merke ich, dass mich mein Bauch geführt hat“, sagt sie. Auch das ein roter Faden, den sie im Rückblick erkennt.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass ihr bei ihrer Karriere Mentoren zur Seite gestanden haben - Menschen, die sie inspirieren und unterstützen. „Ich habe hart gearbeitet und mich dabei immer an Menschen gehalten, die ich mochte - und die mich mochten“, sagt Simone Frey. Das habe in der Schule angefangen und setzte sich an der Universität fort. Mittlerweile ist Simone Frey selbst Mentorin für junge Frauen, auch ein Karrierenetzwerk für Ernährungswissenschaftler hat sie mitgegründet. Mentoring sei keine Einbahnstraße, sondern ein Geben und Nehmen, betont sie.

Von New York City nach Teltow geholt

Als wichtigen Mentoren für ihre Karriere nennt Simone Frey ihren Doktorvater und BioAnalyt-Gründer Florian Schweigert. Der holte sie 2009 mit dem Jobangebot aus New York City, wo sie an der renommierten Columbia University eine Post-Doc-Stelle innehatte und hätte bleiben können, ins beschauliche Teltow und zurück nach Berlin, wo sie heute lebt.

Von New York nach Teltow, von einer traditionsreichen Hochschule in die Existenzgründer-Szene - ein radikaler Schritt. Schwer sei ihr die Entscheidung aber nicht gefallen, erinnert sich Simone Frey. „Ich bin jemand, der das Leben mag und die Energie einer Stadt wie New York“, sagt sie. Aber dann war da eben auch ihr Bauchgefühl, das ihr sagte, dass die Wissenschaft allein sie nicht erfüllen wird: „Ich kann nicht immer im Labor stehen, dafür bin ich zu ungeduldig, ich muss rausgehen in die Welt.“

Viel schneller und günstiger als Tests im Labor

Schnelle Ergebnisse, mit denen weltweit Veränderungen angestoßen werden können - dafür steht der „iCheck“, das Labor im Koffer, das bei BioAnalyt enwickelt wurde. Der Koffer selbst sieht unspektakulär aus, in hellgrauem Plastik. Im Inneren finden sich eine Packung Glasröhrchen mit einer durchsichtigen Lösung, eine Waage, Batterien mit Ladegerät und das eigentliche iCheck-Gerät. Es erinnert an ein EC-Karten-Lesegerät, wie man es von der Supermarktkasse kennt: Es hat eine Digitalanzeige, anstelle des Nummernblocks Pfeiltasten und dort, wo man beim Kartengerät die Karte hineinstecken würde, eine Art Joystick. In den wird das Glasröhrchen mit der klaren Lösung und ein paar Tropfen der Testsubstanz gesteckt, nachdem das Ganze gut geschüttelt wurde. Ein paar Minuten später kann das Testergebnis abgelesen werden - viel schneller und günstiger als Tests im Labor. Das Koffer hat einen weiteren Vorteil: Testen kann nach einer Schulung praktisch jeder.

Das Potenzial der Technologie zeigt sich am Beispiel Indonesien: Dort konnte die Regierung Maßnahmen gegen den verbreiteten Vitamin-A-Mangel in der Bevölkerung ergreifen - das Vitamin wird mittlerweile dem Speiseöl zugesetzt. Die Laborkoffer aus Teltow helfen den Behörden vor Ort dabei, zu überwachen, dass die Öle tatsächlich den versprochenen Vitamin-Gehalt aufweisen. Außerdem wurde mit Blut-Untersuchungen kontrolliert, ob die Maßnahme auch wirklich die erhofften positiven Effekte hat.

Als Simone Frey 2009 zu BioAnalyt kam, ging es aber zunächst darum, die Unternehmensstruktur zu entwickeln. Eine willkommene Herausforderung für die Wissenschaftlerin, die sich schon während des Studiums besonders für wirtschaftliche Fragen interessierte: „Kurse zu Präsentationstechniken, Projektmanagement, Jahresabschlüssen“, sagt sie. Außerdem sei sie ein Mensch, der Systematik liebt: „Das heißt nicht, dass es bei mir immer ordentlich ist. Aber ich habe eine Systematik - auf dem Computer, in der Küche, im Schuhregal.“ Ebenfalls geholfen habe ihr das Vertrauen in Ratschläge von anderen, wenn sie selbst nicht auf Anhieb weiterkommt. „Ich habe immer gefragt - meinen Vater, der auch in der Wirtschaft war, oder im Bekanntenkreis. Das mache ich immer noch so“, sagt Simone Frey: „Das geht einfach schneller.“

Mehr Frauen als Männer bei BioAnalyt

Dass ihr Karriereweg für Frauen immer noch kein selbstverständlicher ist, erlebt die 37-Jährige täglich. Wenn sie mit Vertretern von Lebensmittelkonzernen verhandelt, „dann sitze ich sehr oft Männern gegenüber“. Bei BioAnalyt ist es eher umgekehrt: Von den 20 Mitarbeitern aus neun Nationen sind nur fünf Männer. Auf Messen errege das Team daher oft Aufmerksamkeit - einfach, weil es mit Frauen vertreten ist.

Chefinnen als Vorbilder für Mädchen und junge Frauen

Ob sie anders behandelt wird als ihre männlichen Manager-Kollegen, darüber will Simone Frey gar nicht spekulieren. Wichtig ist ihr, dass mehr Frauen den Weg in Führungspositionen wagen. Als Schulabgängerin, erinnert sie sich, sei eine solche Karriere schwer vorstellbar gewesen: „Ich hatte praktisch keine Vorbilder.“ Aus diesem Grund hält sie auch die Frauenquote für unabdingbar: Damit Mädchen und junge Frauen Chefinnen als Vorbild erleben können - auch, wenn es um die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht.

Auch dieser Spagat ist Simone Frey gelungen, 14 Monate alt ist ihr Töchterchen. „Als ich in der Firma gesagt habe, ich bekomme ein Kind, war das erst mal ein Schock für alle Beteiligten“, erinnert sie sich und lächelt. „Ich wusste auch nicht, was auf mich zukommt.“ Geholfen habe ihr die Unterstützung des Firmengründers, aber auch der Kontakt zu gleichgesinnten Frauen. „Ich habe einfach gefragt: Wie hast Du das gemacht? Das hat mir sehr gut getan.“ Bei Simone Frey, deren Mann wochentags in Hamburg arbeitet, klappt das dank Kindermädchen und Kita. Drei Monate blieb sie nach der Geburt zu Hause, ab dem vierten stieg sie schrittweise wieder in den Arbeitsalltag ein. Die engagierte Managerin will auch andere Frauen ermutigen, sich mit mehr Selbstbewusstsein im Berufsleben zu bewegen. Seit 2010 begleitet sie Studentinnen als Mentorin.

Wissenschaftlerinnen vernetzen sich

Gemeinsam mit Gleichgesinnten startete sie ein Netzwerk für junge Experten in den Ernährungswissenschaften - das „Nutrition Hub“. Das Ziel ist ambitioniert: Bis zum Jahr 2050 sollen Ernährungswissenschaftler weltweit eine Schlüsselrolle spielen, wenn es um die Frage nach einer nachhaltigen und gesunden Ernährung der Weltbevölkerung geht. Dass sie das nicht längst tun und die Wissenschaft immer noch von manchen als Weg zur „studierten Hausfrau“ belächelt wird, ärgert die 37-Jährige - und ist ihr Ansporn. „Ich möchte für Frauen in den Ernährungswissenschaften das Rad herumdrehen“, sagt sie. Sie weiß schon viele hinter sich: Mehr als 4500 Expertinnen sind über das „Nutrition Hub“ vernetzt.

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Dieser Text erschien zuerst in der PNN Wirtschaft März/April 2017. Im Fokus: Frauen in der Wirtschaft in Potsdam und Brandenburg lesen Sie hier >>

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