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Doreen Engelhardt ist wichtig, dass sich die Kühe wohlfühlen. Auf der Weidelandfarm dürfen die Tiere von der Geburt bis zum Tod auf den Weiden grasen.

© Andreas Klaer

Beelitz: Weidelandfarm am Riebener See: Die Kuhflüsterer von Rieben

Auf der Weidelandfarm am Riebener See dürfen Rinder glücklich leben und stressfrei sterben. Am Tag der offenen Höfe in der Nuthe-Nieplitz-Region können Besucher den Hof besichtigen. 

Von Sarah Stoffers

Rieben - Langsam setzen sich die braun-weiß-gescheckten Kühe und Kälber in Bewegung und traben dem Geländewagen hinterher, der über die Wiese holpert. Immer wieder hält Ralf Engelhardt den Wagen an, öffnet die Fahrertür und ruft in einem hohen Singsang zur Herde „Komm, Mohrle, komm!, komm, Mohrle, komm!“ Wie auf Kommando folgen sie seiner Stimme.

Handzahm. Die Tiere kommen auf Zuruf an den Weidenzaun.
Handzahm. Die Tiere kommen auf Zuruf an den Weidenzaun.

© A. Klaer

Die Rinder bleiben auf dem Hof - von der Geburt bis zur Schlachtung

Warum die Tiere von dem Ruf angelockt werden und woher er kommt, weiß Engelhardt auch nicht so genau. „Wahrscheinlich ist es der Tonfall. Das kenn ich schon von meinem Vater und mein Schwiegervater hat das genauso gemacht“, erzählt er. Gemeinsam mit seiner Frau Doreen betreibt Engelhardt die Weidelandfarm am Riebener See in Beelitz. Auf ihrem rund 300 Hektar großen Hof im geschützten Naturpark Nuthe-Nieplitz haben sich die beiden der extensiven Haltung verschrieben. Die Mutterkühe, die die Stammherde bilden, leben ganzjährig auf den Weiden, bekommen einzig Gras und Heu zu fressen. Die Besamung erfolgt natürlich durch die Bullen auf den Wiesen. Ihre Nachkommen bleiben auf dem Hof, von ihrer Geburt bis zur Schlachtung. „Die Kälber werden natürlich auf der Wiese geboren und leben eine ganze Zeit lang bei der Mutter“, erklärt Doreen Engelhardt. Wenn sie rund acht Monate alt und damit geschlechtsreif sind, kommen sie in eine eigene Herde. Mit eineinhalb bis zwei Jahren werden die Ochsen und die Färsen – so heißen die weiblichen Kühe bis sie das erste Mal kalben – dann auf der Farm getötet, so Doreen Engelhardt. Das Fleisch wird vom Hof direkt vermarktet.

Ihr Mann hat die Weidelandfarm 2012 übernommen. Aufgebaut hat den Betrieb aber ursprünglich ihr Vater, Karsten Laudahn. In der DDR noch Agraringenieur hatte er die einstige LPG nach der Wende 1989 gekauft und in eine Rinderfarm umgewandelt, erzählt Doreen. Die ersten 25 Mutterkühe hatte er aus der Schweiz besorgt – Simmentaler Fleckvieh heißt die Rasse, wegen der charakteristischen weißen Köpfe und Beine und den braunen Flecken. „Er hat das mit viel Leidenschaft verfolgt. Im Prinzip war er ein Kuhflüsterer und hat sich liebevoll um die Tiere gekümmert“, so seine Tochter.

Doreen und Ralf Engelhardt wollen neben den Kühen bald auch Hühner halten.
Doreen und Ralf Engelhardt wollen neben den Kühen bald auch Hühner halten.

© Andreas Klaer

Nach dem Tod des Vaters übernimmt das Ehepaar den Hof

2011 verstarb ihr Vater mit nur 56 Jahren an Krebs. Ein schmerzlicher Verlust, der bei Engelhardt, wie sie sagt für ein Umdenken gesorgt hat. „Wir hatten dann plötzlich 200 Tiere und dachten uns, was machen wir denn jetzt damit.“ Doreen hat damals als Bauzeichnerin in der Landwirtschaftsplanung gearbeitet. Ihr Mann Ralf war bis dahin 23 Jahre lang Maschinenbauingenieur für Landmaschinen. Viele hätten zum Verkauf geraten. Das konnten sie und ihr Mann sich aber nicht vorstellen. „Ich habe schon immer davon geträumt, einen Hof zu haben. Nur das Ende der Tiere hat mir nie gefallen.“ Ihr Vater habe die Rinder noch auf konventionelle Art verkauft. Nach acht Monaten würden die Kälber in der Regel von den meisten Betrieben an Viehhändler gehen – und das an den meistbietenden und nicht unbedingt besten Betrieb, so Engelhardt. „Die Tiere fahren dann eingepfercht in den Transportern vom Hof. Danach gehen sie dann meistens von einem Mastbetrieb an den nächsten und werden irgendwann irgendwo in Europa über den Ladentisch regelrecht verramscht.“ Für sie sei klar gewesen, dass sie den Betrieb nur übernehmen würde, wenn kein Tier mehr den Hof verlassen müsse.

Mit viel Leidenschaft haben sich die beiden seither nicht nur um die Farm und die Tiere gekümmert, sondern auch mit Nachdruck daran gearbeitet, die Tötung auf ihrem Hof durchführen lassen zu dürfen – und das möglichst stress- und schmerzfrei. In der Schweiz sind sie nach längerer Suche bei einem anderen Bauern fündig geworden, deren Vorrichtung sie zu Hause in Eigenregie nachbauten. Die Tiere werden dabei zum Futtertrog gerufen und mit Hilfe eines sogenannten Sicherheits-Selbstfangfressgitters, durch das sie ihren Kopf zum Essen stecken, fixiert. Das Gitter wird sonst verwendet, um beispielsweise den Kühen die Hufe zu schneiden, erklärt Engelhardt. Mit einem Bolzenschussgerät werden die zum Schlachten vorgesehenen Rinder betäubt und dann innerhalb von 60 Sekunden mit einem Kran hochgezogen und die Kehle durchgeschnitten. Natürlich sei die Tötung nicht schön, so Doreen. Es falle einem aber nicht mehr ganz so schwer, wenn man die Alternative kennen würde. „Hier haben die Tiere glücklich gelebt, sind glücklich gestorben und liegen auf dem Teller von jemandem, der das auch wertschätzt.“

Mit Sondergenehmigung vom Veterinäramt

Das Veterinäramt konnte von der Methode überzeugt werden und hat dem Hof eine Sondergenehmigung erteilt. Die erste Probeschlachtung erfolgte im März. Die Stücke verkauft Doreen Engelhardt per Direktvermarktung in Fleischpaketen von drei bis sechs Kilo für 65 bis 125 Euro. In Trebbin lässt sie außerdem noch Wurst herstellen. Den Verkauf will sie jetzt peu à peu aufbauen, später auch Gulasch, Bouillon oder Frikassee selbst machen und anbieten. Bald wollen sich die beiden auch rund 350 Hühner in mobilen Hühnerställen anschaffen. Die sollen dann von Wiese zu Wiese gebracht und die Eier und das Fleisch dann auch im Hofladen verkauft werden.

Die Weidelandfarm Engelhardt ist am Sonntag, dem 4. November, beim „Tag der Offenen Höfe in der Nuthe-Nieplitz-Region“ mit dabei. Von 11 bis 17 Uhr können die Besucher den Hof bei Führungen kennenlernen und das Fleisch direkt vor Ort probieren.

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