zum Hauptinhalt
Abgesägt: Der Baumbestand von Wildpark-West soll sich in den vergangenen Jahren um 40 Prozent reduziert haben. Gegen die Fällungen protestieren rund 100 Schwielowseer der Bürgerinitiative Waldsiedlung Wildpark-West.

© AFP

Baumfällungen in Wildpark-West: Eine Waldsiedlung ohne Bäume?

Streit um gefällte Bäume in Wildpark-West: Der Nabu verklagt die Gemeinde Schwielowsee, weil sie Widersprüche gegen Fällgenehmigungen nicht bearbeitet haben soll.

Von Sarah Stoffers

Wildpark-West - Ist Schwielowsees Verwaltung nicht schnell genug? Der Naturschutzbund Brandenburg (Nabu) hat am Donnerstag beim Verwaltungsgericht in Potsdam eine sogenannte Untätigkeitsklage gegen die Gemeinde Schwielowsee eingereicht. Grund sind die seit Langem kritisierten Baumfällungen in der Waldsiedlung Wildpark-West. Die Gemeindeverwaltung weist indes auf PNN-Anfrage alle Vorwürfe zurück.

Wie berichtet werfen der Nabu und die Bürgerinitiative „Waldsiedlung Wildpark-West“ der Gemeinde vor, seit Oktober 2016 in größerem Umfang unrechtmäßige Baumfällungen in der Siedlung genehmigt zu haben. Gegen die Genehmigungen hatte der Naturschutzbund Widerspruch eingereicht. „Bislang hat die Gemeinde nicht darauf reagiert, obwohl seither vier Monate vergangen sind“, so Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender des Nabu Brandenburg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bürgerinitiative am Donnerstag. Mit der Untätigkeitsklage hofft der Naturschutzbund nun, Bewegung in die Sache zu bringen.

560 Bäume in zwei Jahren gefällt 

Die Bürgerinitiative hat auch einen offenen Brief mit einer Einladung zum Begehungsbesuch an den brandenburgischen Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) geschickt, in dem sie um Hilfe beim Schutz des Baumbestandes in der Waldsiedlung und Prüfung der Fällgenehmigungen bitten. Außerdem schlägt die Initiative vor, einen unabhängigen Baumsachverständigen die Begutachtung der Baumfällanträge durchführen zu lassen. Dafür konnte nun der Baumsachverständige Mario Zeidler gewonnen werden, der in den kommenden Monaten ehrenamtlich die Begutachtung übernehmen will.

Bäume gelten in der Gemeinde Schwielowsee als „geschützte Landschaftsbestandteile“, stehen daher unter besonderem Schutz und dürfen nicht einfach gefällt werden. Dennoch seien in den vergangenen Jahren viele Bäume verschwunden, so Carsten Sicora, der stellvertretende Vorsitzende der Bürgerinitiative. „Die Lage ist wirklich verheerend.“ Laut Untersuchungen der Bürgerinitiative sei der Baumbestand in Wildpark-West seit dem Jahr 2000 um rund 40 Prozent zurückgegangen. „Alleine in den vergangenen knapp zwei Jahren sind 560 Bäume, rund zehn Prozent des gesamten Baumbestandes in der Siedlung, gefällt worden“, so Sicora. 

Vorher, nachher: Auf einem Areal, das rund zehn Prozent der gesamten Waldsiedlung entspricht, standen im Jahr 2000 (Bild oben) noch 502 Bäume. Im März 2018 waren es nur noch 291 (Bild unten). Bis Ende des Jahres rechnet die Bürgerinitiative mit einem Rückgang auf 271.
Vorher, nachher: Auf einem Areal, das rund zehn Prozent der gesamten Waldsiedlung entspricht, standen im Jahr 2000 (Bild oben) noch 502 Bäume. Im März 2018 waren es nur noch 291 (Bild unten). Bis Ende des Jahres rechnet die Bürgerinitiative mit einem Rückgang auf 271.

© Reproduktion: Carsten Sicora

Die Bürgerinitiative sieht die Gemeindeverwaltung Schwielowsee in der Verantwortung, die die Vorgaben ihrer eigenen Baumschutzsatzung vom Juni 2011 missachte.

Bis 2020 soll ein neues Siedlungsgebiet entstehen

Bei einer Akteneinsicht des Naturschutzbundes im Februar seien bei 60 von 62 Genehmigungen eklatante Fehler entdeckt worden, so Schmitz-Jersch. Oft sei die Fällung von mehr Bäumen genehmigt worden, als überhaupt beantragt wurde. Oder die Bescheide wären aus nicht nachvollziehbaren Gründen erfolgt. Gegen 21 Genehmigungen legte der Nabu dann Widerspruch ein. Laut Schmitz-Jersch ohne Reaktion der Gemeindeverwaltung. „Ein solch ignorantes Verhalten habe ich in meiner bisherigen Tätigkeit nicht erlebt.“ Man könne es nicht hinnehmen, dass die Gemeinde offensichtlich versuche, das Problem auszusitzen. Wenn die Fällungen so weitergehen, würde es in ein paar Jahren eine Waldsiedlung ohne Wald geben, so Sicora. Im Oktober könnten die nächsten Fällungen losgehen, befürchtet die Bürgerinitiative. Bis 2020 soll in der Schweizer Straße Nord ein neues 1,3 Hektar großes Siedlungsgebiet entstehen. Auch dort sei ein großer Baumbestand somit in Gefahr.

Verhalten des Rathaus von Naturschutzbehörde überprüft

Die Gemeindevertretung hatte in einem Beschluss am 9. Mai die Gemeindeverwaltung zu Ersatzpflanzungen und zur Aufklärung von Verstößen gegen Gesetze und die Baumschutzsatzung aufgefordert. Bis heute weist die Verwaltung die Vorwürfe von sich. 

„Unrechtmäßige Baumfällungen haben im Wildpark-West nicht stattgefunden“, erklärt Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) schriftlich auf Anfrage gegenüber den PNN. „Jeder in Wildpark-West gefällte Baum wurde auf Grundlage einer rechtmäßigen Genehmigung gefällt.“ Diese würden nur nach strengen Vorgaben erteilt werden, etwa bei fehlender Standsicherheit oder Krankheit der Bäume. Die Vergabepraxis von Genehmigungen durch die Gemeinde Schwielowsee sei zudem erst vor Kurzem von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark überprüft und für gut befunden worden.

Rathaus: Nabu soll mehrfach Akteneinsicht gehabt haben

Auch der Vorwurf, dass die Gemeinde nicht auf den Widerspruch des Naturschutzbundes reagiere, weist Hoppe von sich. Dem Nabu sei mehrfach Akteneinsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge gewährt worden. Und auch der Widerspruch würde selbstverständlich überprüft werden. „Diese Genehmigungsverfahren werden derzeit durch mein Fachamt vollständig auf Herz und Nieren geprüft“, so Hoppe. Allerdings sei der Prozess sehr zeitaufwendig. Eine Entscheidung über den Widerspruch soll voraussichtlich in den kommenden zwei Wochen erfolgen. Die Untätigkeitsklage durch den Nabu könne sie nicht nachvollziehen. Der Naturschutzbund hätte jederzeit bei der Gemeindeverwaltung nachfragen können, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

Zur Startseite