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Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei, aber noch haben einige Weihnachtsmärkte geöffnet.

© Monika Skolimowska/dpa

Kolumne PYAnissimo: Oh du gnadenlose Weihnachtszeit

Beschaulich, besinnlich, zauberhaft: In der Weihnachtszeit geht es nicht ohne solche Attribute. Unsere Kolumnistin bekommt davon aber keine leuchtenden Augen.

Erkenntnis der Feiertage: Die Blaue Stunde gibt es auch am Morgen. Alles schläft, einsam wacht. Die besondere Stimmung, die in dem zaghaften ersten Tageslicht liegt, ging sonst an mir vorbei. Weil man ja zu tun hatte. Die Welt da draußen hatte auch zu tun, Kinder radelten zur Schule, Müllautos waren unterwegs, die Zeitung war da. Die Stadt war wach und laut. Jetzt ist Ruhe. Nur noch Silvester, dann ist sogar für längere Zeit Ruhe, weil es zur Abwechslung mal nichts zu Feiern gibt. Nichts, worauf man sich vorbereiten und schier wahnsinnig vor-freuen muss. Ohne Vorfreude geht ja nichts mehr und die Vorfreude kann uns ganz schön schaffen. Oh du fröhöliche, oh du sehelige, gnadenlohose Weihnachtszeit….

Der Dezember ist ein Monat voller vorfreudiger Veranstaltungen, zu denen eine Armee von Werbefachleuten entsprechend nachdrücklich einlädt: mit einer Sprache, die scheinbar keiner in Frage stellt. Oder warum tun wir uns das an und lassen uns davon widerstandslos überschütten? Frank Schöbel feiert also „Fröhliche Weihnachten in Familie“, seit Jahren schon, und alle seine Gäste „sorgen für unvergessliche Weihnachtsstimmung in der Stadthalle Cottbus“. „Fröhliche Weihnachten mit Frank“, schreibt die Agentur, „ist für viele Familien im Osten Deutschlands ein fester Bestandteil ihres kulturellen Adventskalenders“. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Zum Advent, der auf den Sohn Gottes vorbereiten soll, gehört das Rendezvous mit einem 77-jährigen DDR-Schlagersänger? Nationalpreisträger dritter Klasse im Übrigen. Na gut, dafür kann er nichts, den bekamen viele.

Das dazugehörige Promofoto zeigt „Frank“ mit einem zur Faust geballten Gesicht. Aber vielleicht kann das „Ausnahmetalent Franziska Wiese, eine attraktive junge Frau, die ihr Herz dem deutschen Schlager verschrieben hat“, den Abend retten. Das Ausnahmetalent wurde übrigens im „beschaulichen Spremberg in der Lausitz“ geboren, heißt es weiter. Und: Die Show ist „Synonym für das Gefühl der Wärme, der Besinnlichkeit und der Fröhlichkeit,… was weihnachtliches Strahlen in die Augen der Kinder, Eltern, Omas und Opas zaubert.“

Beschaulich, besinnlich, zauberhaft, dazu besagte Augen, die leuchten, glänzen, funkeln oder strahlen. Seit Wochen geht nichts ohne diese Attribute. O-Ton einer weiteren Pressemitteilung: „Leuchtende Kinderaugen… – Landrat verschenkt Theaterkarten.“ Vielleicht sollte er Augenarzttermine verschenken. Denn als Eltern würde ich mir da langsam Sorgen machen und gerne abklären lassen, ob da noch alles in Ordnung ist hinter der Stirn der lieben Kleinen mit den erweiterten Pupillen. Hatten die den Wannseereaktor nicht gerade erst abgeschaltet?

Es gibt im Übrigen derzeit nirgendwo einfach nur was zu Essen, alles ist nämlich Kulinarik. Oder Gaumenschmaus, oder, das ist das Schlimmste: Weihnachtliches Schlemmerbuffet. Hier muss man zwangsläufig an Horst Schlämmers Überbiss denken – wer hat denn da noch Appetit? Und wenn Sie meinen, man könne gegen all den Wahn einfach zu Hause eine kleine Kerze anzünden und mit dem Enkelchen Papiersterne basteln, dann aufgepasst: Das heißt in diesem Jahr „Scandy-Style“. Ich dachte zunächst, Scandy Style ist der neue Bollywood-Hiphop. Ist aber tatsächlich der aktuelle Deko-Trend. Reduziert und nordisch kühl. Die Expertin im Abendprogramm des Regionalfernsehens macht es vor und stellt glattweiße Haushaltskerzen in Einweckgläser, Nüsschen dazu, fertig. Ich hoffe, die Gute musste dafür nicht die Kunsthochschule besuchen.

Mit meiner Blauen Stunde liege ich da allerdings total im Trend. Die ist so nordisch, kühl und reduziert – die funktioniert sogar ohne Gurkenglas.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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