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Kultur: Zurück zur Familie

Die Schlösserstiftung übergab gestern das Porträt „Irene Beran“ an die jüdische Erben

Die Dame weiß, wer sie ist. Mit übertriebener Pose sitzt sie vor dem dramatischen Himmel, die Augen vornehm niedergeschlagen, die Finger auf ihrem altrosa Gewand künstlich gespreizt. Der mondäne Fellkragen und die wohlgelegten Locken umschmeicheln ihr puppenhaftes Gesicht. Der Maler Hugo von Habermann war weit über 70, als ihm Irene Beran für dieses Porträt 1921 Modell saß.

Es ist nicht der künstlerische Wert, der dem Bild so verspätet öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Vielmehr geht es um eine Wiedergutmachung: Endlich gelangt das Gemälde an die rechtmäßigen jüdischen Erben zurück. Der Enkel der Porträtierten, Max Beran, unterzeichnete gestern dann auch hocherfreut im Neuen Palais gemeinsam mit Hartmut Dorgerloh, dem Chef der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), das Übergabeprotokoll. Und er erzählte zugleich angeregt aus der Familiengeschichte, so vom Großvater Bruno, der Maler war und 1979 verstarb. Irene war zuerst mit dem Geschäftsmann Philipp, dem älteren Bruder Brunos, verheiratet. Selbst kunstbeflissen fühlte sie sich dann aber wohl mehr zu dem Jüngeren hingezogen, den sie nach ihrer Scheidung auch heiratete. Irene begleitete ihn nach München, wo er bei dem Bildnismaler Habermann Unterricht nahm. 1920 malte Bruno Beran den Lehrer, und dieser schuf ein Jahr später im Gegenzug das Porträt Irenes: im Stil des Manierismus, was der exaltierten Frau, die als Künstlermodel tätig war, wohl recht nahe kam.

Dass dieses Bildnis nun wieder seinen eigentlichen Wert als Familienbesitz erhält, ist vor allem den intensiven Recherchen von Alexandra Nina Bauer zu verdanken, die sich seit 2004 ausschließlich der Provenienzforschung der SPSG widmet. Dabei stellte sie fest, dass etwa 1000 Objekte der Stiftung vermutlicher Fremdbesitz sind. „Viele zählen allerdings zu großen Konvoluten, darunter eine Bibliothek mit 600 Büchern. 70 Kunstwerke konnten inzwischen an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurück gegeben werden.“ 30 Fälle, so die Kunsthistorikerin, müssten aber noch bearbeitet werden – darunter fünf Werke, die jüdischen Eigentümern zugeordnet werden könnten. Anfragen jüdischer Alteigentümer wurden bislang aber nicht an die Stiftung heran getragen.

In den meisten Fällen, wie auch beim Bildnis von Irene Beran, befinden sich die Kunstwerke aufgrund ihres geringen künstlerischen Wertes oder der fehlenden Beziehung zum Sammlungsinhalt der Stiftung seit Jahrzehnten im Depot. Das nun in seiner Herkunft erforschte Gemälde hing 1941 in Brünn (dem heutigen tschechischen Brno), als es mit samt Haus von den deutschen Besatzern enteignet wurde. Das jüdische Ehepaar Beran war zu der Zeit bereits nach Kanada geflohen und überlebte dort den Zweiten Weltkrieg, während Philipp Beran im Konzentrationslager ums Leben kam.

Erst im Sommer dieses Jahres hat Alexandra Nina Bauer den Rahmen zum Gemälde „Irene Beran“ entdeckt, der sie auf die Spur brachte. Ihre umfangreiche Recherche habe rund zwei Jahre gedauert, sagte sie. Vor allem im Dokumentationszentrum in Prag und im Bundesarchiv Koblenz sei sie fündig geworden, fand sie Spuren zur Geschichte: 1948 wurde das Gemälde zusammen mit anderen Kunstwerken von der Sowjetischen Militäradministration am Kontrollpunkt Richtung Westen beschlagnahmt, weil die Ausfuhrpapiere nicht vollständig waren. Die Russen verkauften die Bilder an die Brandenburgische Landesregierung, und nach deren Auflösung Anfang der 50er Jahre kamen sie nach Sanssouci, wo sie ein halbes Jahrhundert im Verborgenen schlummerten.

„Irene Beran“ ist ihrem „Exil“ entronnen und darf nun wieder im Lichte der Familie glänzen.Heidi Jäger

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