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Kultur: „Wir winden dir den Jungfernkranz“

Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ mit Jazzmusik im Garten von Charlotte Joop

„Das Experiment ist gelungen!“, resümierte Renate Bormann am Sonntag im vielblühenden Anwesen von Charlotte Joop in Bornstedt. Zum zweiten Mal in diesem Jahr, zum fünften bei der prominentnamigen Familie, wurde dank der Urania „Im Garten vorgelesen“. Joseph von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ stand diesmal auf dem Programm, was ob der Vorliebe der Veranstalter für die deutsche Romantik weniger verwunderlich war als sein musikalischer Teil. Das Brandenburger Quartett „Jazzocrazz“ (Alexander Faqué und Andreas Heppner, E-Gitarre, Frank Möde, Schlagzeug) unter Leitung von Sebastian Pietsch „untermalte“ die vielbesuchte Lesung von Klaus Büstrin nicht einfach nur jazzig. Man hatte Eichendorffs Text gründlich „durchgearbeitet“ und dabei so manch vergessene Vertonung seiner Lyrik entdeckt, um sie – exklusiv für diesen Abend – mit viel Gefühl und Können neu zu arrangieren. So gesehen und vernommen, könnte man mit Loriot sagen: Jazz und Romantik passten einfach zusammen.

Nicht ganz vielleicht, die lange Erzählung um einen, der auszog, sein Glück zu suchen, um es daheim und mit gräflicher Hilfe wiederzufinden,sie bedurfte wohl kühner Kürzungen. „Ich“ zog auch nicht einfach aus, er wurde von seinem müllernden Vater ob sichtbarer Faulheit einfach hinausgeworfen. Woher der geigende Träumer seine musische Bildung hat, verrät Eichendorff seinen Lesern nicht, sorgt aber dafür, dass ihm unterwegs stets die richtigen Leute begegnen. Zwei Damen bringen ihn per Kutsche an den Wiener Hof, wo er just zum Gärtner avanciert, später sogar, zum Zolleintreiber, ohne dass man dieser Tätigkeit gewahr wurde. Romantik eben. Dafür liebt er eine hohe Dame, die er mit schönblumigen Grüßen lockt. In Rom schließlich wird er ständig von Deutschen angesprochen, die ihn zu kennen scheinen, um endlich, zurück im Schloss, seine Liebste zu finden. Nur war es halt eine andere, als er sich erhofft.

Der schlesische Adelsspross Eichendorff wob in diesen wunderlichen Text zahlreiche Gedichte – Einladung für Mendelssohn-Bartholdy („Wer hat dich, du schöner Wald“, „O Täler weit, o Höhen“), Zelter („Durch Feld und Buchenhallen“), Fröhlich („Wem Gott will rechte Gunst erweisen“), Schwingenschlögl („Luna Piena“) oder Friedrich Glück („In einem kühlen Grunde“), diese feinsinnige Lyrik zu vertonen. Sebastian Pietsch (Saxophon, Flöte, Klarinette, Fagott) seinerseits „verjazzte“ so wenig, wie das Quartett zu der Lesung eine wohltuend dienende Haltung einnahm. Starke Soli, dezente Begleitung, sehr schön. Zur „depressiven“ Schlusszeile von Friedrich Glücks „In einem kühlen Grunde“ etwa sagt der Arrangeur, leicht lyrisch abgewandelt, brauche sie „nur zwei düstere Akkorde, die die Melodie wie Blöcke einzwängen, aber auf einem schwankenden 5/4-Takt-Boden stehen“. Da ist gut nachgedacht worden, Respekt.

Auch der Leseauftakt ohne Musik war sehr effektvoll. Inwieweit sich Kontext und Sinn der Prosa dem Hörer zur Gänze erschlossen, ist eine andere Sache. Klaus Büstrins Lesefluss war teils erfrischend lakonisch und locker, teils etwas eilend, notwendige Kürzungen führten dazu, dass einige Motive (der Taugenichts wird in Rom für die entführte und verkleidete Tochter der Schlossherrin gehalten) gleichsam unter den Tisch fielen. Aber es hieß ja auch „aus“ dem Leben dieses „Was kann mir die Welt“.

Den Jungfernkranz für seine Aurelie, ein Findelkind, bekam er schließlich doch, und so fand letztlich alles unter der blühenden Linde bei Joops zu seiner Ordnung.

Gerold Paul

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