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In seiner Ausstellung nimmt Rainer Sperl den Glauben an die Sternzeichen aufs Korn. „Wir Sterngesteuerten“ nannte er die zwölf Skulpturen.

© A. Klaer

"Wir Sterngesteuerten" von Rainer Sperl in der Urania: Universum mit Trockenhaube

Der Potsdamer Künstler und Galerist Rainer Sperl setzt sich mit dem Thema Sternzeichen humorvoll auseinander. Seine Skulpturen stehen am passenden Ort.

Potsdam - Natürlich liest man die Texte – über Jungfrau, Wassermann oder Fische. Es ist wie ein Zwang, dem man folgen muss, auch wenn man nicht dran glaubt. Das tut ja angeblich keiner. Aber es ist doch immer wieder schön, sich selbst und andere in die zwölf Schubladen der Sternzeichen einzutüten. Jetzt betrachtet der Potsdamer Künstler und Galerist Rainer Sperl das Thema mit seiner wunderbar humorigen Art. „Wir Sterngesteuerten – eine anstroLogische Typenparade mit Skulpturen von Rainer Sperl und kosmopolitischen Analysen von Dieter Lietz“ heißt eine Ausstellung, die seit gestrigem Freitag in der Urania zu sehen ist. Der Ort ist ganz passend gewählt: Zwei Stockwerke über den Skulpturen zum Thema Astrologie befindet sich die Planetariumskuppel, Territorium der Astronomen.

Mit dem Löwen hat alles angefangen

„Das Thema war einfach mal dran“, sagt Sperl. Seine letzte Soloausstellung in Potsdam ist lange her, jetzt hatte ihn die Lust gepackt. „Ich fand es reizvoll, die Namensgebung in meinen Skulpturen umzusetzen“, sagt Sperl. Mit dem Löwen hat alles angefangen. „Ich sah die Kuchenform und wusste sofort, das wird die Mähne.“ Jetzt steht der Löwe in sich ruhend und vergleichsweise freundlich schauend auf seinem Podest. Durch die gusseiserne Gugelhupfform hat Sperl einen Körper aus Keramik gebaut. Mehr brauchte es nicht. Nicht alle Figuren sind so reduziert, die meisten sind sogar sehr filigran und technisch ausgetüftelt.

Sperl ist Künstler und Bastler. Hinter seinem Haus in Babelsberg hat er seine Werkstatt, so nennt er sie, nicht Atelier. Sein Materialfundus ist riesig. Längst hat sich seine Frau Ursula, ebenfalls Galeristin, damit abgefunden, dass bei ihnen nie etwas weggeschmissen wird. Nichts, was es nicht gibt, alte technische Geräte, Schrott, Küchenzubehör, Gartenwerkzeug, Musikinstrumente, Besteck und Geschirr. Zu DDR-Zeiten klaubte Rainer Sperl seine Schätze aus dem Sperrmüll, sodass schnell der Begriff Sperlmüll entstand. Heute wird ihm das meiste von Freunden und Bekannten zugetragen. „Ich pflege zum Beispiel eine gute Beziehung zu einem Trompetenbauer“, sagt Sperl. Der versorge ihn mit ausrangierten Teilen seiner Blechblasinstrumente. Kaputt oder zumindest ausrangiert müssen sie sein, niemals, sagt er, würde er etwas Intaktes extra für seine Kunst zerstören.

In jeder Figur steckt der Schalk

Sein künstlerisch-handwerkliches Geschick – Sperl ist gelernter Tischler und studierte an der Fachschule für Angewandte Kunst Heiligendamm – verbindet sich aufs Feinste mit seinem Witz und Humor, der ihm ganz eigenen Sperl-Ironie. In jeder Figur steckt irgendwie der Schalk, und Sperl freut sich diebisch, wenn der Betrachter ihn entdeckt. Oder er hilft ihm auf die Sprünge. „Na, woran erkennt man, wer der weibliche und wer der männliche Zwilling ist?“, fragt er. Man schaut sich also die beiden Trompetenkörper an, aus den Schalltrichtern ragen Tonköpfe und die Blasrohre stecken in rot lackierten spitzen Schuhen. Und irgendwo mittig finden sich tatsächlich geschlechtsidentifizierende Details. Sehr witzig.

Und sehr fantasievoll. Für den „Krebs“ hat Sperl eine alte Friseur-Trockenhaube als Basis genommen, die eisernen Trockenstäbe sind die Beine, Glasmurmeln die Stielaugen. Der „Skorpion“ ist ein spitzes, gefährliches Kerlchen. Aus einem Grammofonarm mit Abspielnadel wurden Schwanz und Stachel, die Beine formte Sperl aus antiken, gehämmerten Eisennägeln. Der „Steinbock“ bekam sehr lange Hörner, getrocknete, hölzerne Schoten eines exotischen Baumes. Der „Widder“ besteht aus einem alten Diaprojektor als Korpus, die ihn flankierenden Hörner sind knallrot wie seine Schuhe. Das leuchtende Rot zieht sich durch die ganze Ausstellung. Auch der „Stier“ bekommt was Rotes ab. Auf seinen breiten Schultern ruht etwas, was auf den ersten Blick wie ein Nudelholz aussieht. Es ist die hölzerne Spindel einer antiken Druckerpresse, Geschenk der Potsdamer Druckerei Rüss. Die schwere, drückende Last des armen Tieres wird gekrönt von einer zarten, leuchtend roten Blüte, die dem wuchtigen Stier Leichtigkeit verleiht. Der „Schütze“ hält einen Bogen, der einst zu einer eisernen Wäschemangel gehörte, die Locke der „Jungfrau“ war früher der Geigenhals, die sogenannte Schnecke, einer Violine.

Die Waage - ein unbeirrter Genießer

Für die „Waage“ hat Sperl eine alte Küchenwaage genommen, das lag nahe, und in der Schale sitzt ein Mann, nackt bis auf die Fliege am Hals, vor ihm ein Brathähnchen und eine Flasche Wein. Ein unbeirrter Genießer. Auch Rainer Sperl ist Sternzeichen Waage und es passt doch irgendwie zu ihm, obwohl er ja an diesen Firlefanz gar nicht glauben mag.

Der Potsdamer Architekt, Künstler und Texter Dieter Lietz, ein alter Bekannter aus Kabarettzeiten, an dem einst auch Sperl arbeitete, hat zur Ausstellung die passenden Texte geschrieben – zwölf nicht ganz ernst gemeinte Sternzeichen-Charakterbeschreibungen und den Prolog „Astrologik“: „Grad aus Mutters Schoß gepresst, vom Geburtsakt noch gestresst, strahlt der Einfluss der Gestirne/ dir in die noch weiche Birne. Kaum, dass du die Welt erblickst/ ist geregelt, wie du tickst ...“ Wenn man weiß, dass Lietz seinerzeit Frank Schöbels großen Hit „Wie ein Stern“ getextet hat, ist das noch mal extra witzig.

„Wir Sterngesteuerten“ in der Urania, Gutenbergstraße 71/72, bis 16. Dezember. Geöffnet Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr, Montag, Dienstag und Donnerstag auch von 15 bis 18 Uhr.

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