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Wilhelm*ina: Der Reisekaiser und seine Grenzen

Es wird gerade viel gestritten um das Gendersternchen, das Männer und Frauen im Schriftbild trennt und alles Dazwischenliegende in ein unaussprechliches Zeichen packt. Wenn sich jetzt eine Theaterproduktion „Wilhelm*ina“ nennt und auf den letzten deutschen Kaiser bezieht, dann lässt das durchaus aufhorchen. Die weibliche Seite des Wilhelminismus? Das wäre doch mal was.

Potsdam - Tatsächlich wird es bei der kommende Woche in Potsdam gastierenden Produktion wohl um Grenzgebiete gehen – allerdings weniger um die zwischen Mann und Frau. „Wilhelm*ina“ ist der Versuch, die letzte, aus deutscher Sicht so ziemlich ins Abseits des Vergessens geratene Lebensphase von Wilhelm II. im niederländischen Exil zu erzählen – als Dokumentartheater. Sagt Julia Lenssen, künstlerische Leiterin des Theaters Das letzte Kleinod. Das letzte Kleinod ist mit dem Zug unterwegs: 140 Meter lang, elf historische Waggons. In vieren davon werden auch Szenen aus „Wilhelm*ina“ spielen, in den anderen kommt die 15-köpfige Crew unter. Zug und Stück werden quer durch Deutschland (Frankfurt/Oder, Celle, Osnabrück, Bad Bentheim, Worpswede) und ein bisschen auch in den Niederlanden (Utrecht, Geestenseth) unterwegs sein. In Potsdam wird auf einem Gleis hinter dem Lokschuppen Halt gemacht.

Depots in Doorn

Die titelgebende Wilhelmina gab es wirklich: Sie hatte 1918 über Wilhelms Schicksal zu entscheiden. Der als „Reisekaiser“ Bespitznamte war abgedankt und hatte Deutschland verlassen – in Richtung Niederlande. Wilhelmina, die erste Frau auf dem niederländischen Thron, gewährte Wilhelm Asyl. Später weigerte sie sich, ihn auszuliefern. Stattdessen brachte sie Wilhelm in Haus Doorn unter, wo heute noch die Güter zu besichtigen sind, die er sich in 59 Eisenbahnwaggons aus dem heimischen Neuen Palais nachschicken ließ. In Doorn musste man dafür Depots schaffen, das Haus war zu klein.

Das Ego des abgedankten Kaisers war es offensichtlich nicht. Mit 70 Bediensteten war er ins Exil gereist, nur einer blieb ihm in Doorn. Noch jahrelang lebte Wilhelm in der Hoffnung, als Kaiser zurückkehren zu können. Er nahm sich eine neue Frau, Hermine, Schäferhundbesitzerin und Sympathisantin der Nazis. Auch eine ihrer Nachfahrinnen gab für das Stück Auskunft – eine von zwölf Quellen, aus denen der Text entstand. Wilhelm selbst verschrieb sich in Doorn bekanntlich dem Holzhacken und hörte erst auf, als ihm sein Bruder eine Motorsäge schenkte, heißt es. Ob „Wilhelm*ina“ dafür eine Erklärung hat? Fraglich – aber dass die Objekttheater geschulte Gruppe einen Metalllüfter als Pickelhaube zu verwenden und damit auch MG-Geknatter zu erzeugen weiß, zeugt von einer vielversprechenden Verdichtung der Dinge.

Vom 27. bis 30. Juni, je 18 Uhr, hinter dem Depot der Stiftung Schlösser und Gärten, Friedrich-Engels-Straße 78/79

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