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Das Potsdam Museum am Alten Markt wird sich künftig mehr auf die eigene Sammlung stützen.

© Andreas Klaer

Wie kommt das Potsdam Museum durch die Krise?: „Die Frage der Ressourcen wird künftig zentral“

Weniger Sonderschauen, mehr Kooperationen, kein Zwischendepot: Leiterin Jutta Götzmann und Fachbereichsleiterin Birgit-Katharine Seemann über Perspektiven des Stadtmuseums 2022.

Frau Götzmann, vor einem Jahr sagten Sie nach fast einem Jahr Pandemie: "Ich sehe, dass der Stellenwert der Kultur insgesamt minimiert wird." Wie bewerten Sie diesen Stellenwert heute, nach fast zwei Jahren Kulturbetrieb mit Corona?

JUTTA GÖTZMANN: Der Stellenwert der Kultur hat sicherlich gelitten. Nach zwei Jahren Corona lässt sich das nicht anzweifeln. Erst dachten wir, dass die Pandemie nur für einen gewissen Zeitraum unser kulturelles Leben bestimmen wird, jetzt wissen wir, dass wir noch eine längere Zeit mit ich leben müssen. Das, was wir zunächst als kurzfristige Programme auf die Beine gestellt haben, wird sich verfestigen. Stichwort digitale Ausrichtung. Wie können wir die Öffentlichkeit auch jenseits der Präsenz stärker beteiligen? Das wird eine zunehmend größere Rolle spielen.

BIRGIT-KATHARINE SEEMANN: Darf ich zurückfragen: Was genau meinen Sie mit "Stellenwert der Kultur" in diesem Zusammenhang?

Es ging unter anderem darum, dass die Kultur oft an letzter Stelle stand, wenn es um Öffnungen ging.

SEEMANN: Aber hat sich da nicht etwas verändert? Am Anfang gab es tatsächlich die Debatte um die Eindämmungsverordnungen: Warum kommt die Kultur an allerletzter Stelle? Aber wenn ich mir anschaue, wie die Kultur jetzt dasteht, dann kann ich das so nicht mehr erkennen. Netzwerke wie KulturMachtPotsdam haben einen großen Anteil daran, dass die Kultur während der Pandemie nach und nach wieder sichtbarer wurde, zum Beispiel durch den digitalen Aktionstag am 13. März oder den gemeinsam mit der Stadt auf den Weg gebrachten Kultursommer, der durch die Bundeskulturstiftung finanziert wurde. Sehr hilfreich waren generell die Programme zur Unterstützung der Kultur durch Bund, Land und Kommune.

Jutta Götzmann leitet das Potsdam Museum.
Jutta Götzmann leitet das Potsdam Museum.

© Andreas Klaer

Sehen Sie das auch so, Frau Götzmann?

GÖTZMANN Das widerspricht sich ja nicht. Einerseits die Sichtbarkeit, die es nun durch neue Formate gibt - nur sehe ich andererseits auch die Besucherzahlen vor Ort. Und die haben sich natürlich verändert. Anfang letzten Jahres war gerade die Studie aktuell, wie viele Museen in Brandenburg Folgeschäden der Pandemie befürchten: 42 Prozent. Ich glaube, die Sorge der Einrichtungen muss man ernst nehmen. Die Besucherzahlen gehen in allen Einrichtungen zurück, damit muss man umgehen. Wie können wir die Öffentlichkeit auch jenseits der Präsenz stärker beteiligen? Das wird eine zunehmend größere Rolle spielen.

Wie viele Besucher gab es 2021 bei Ihnen?

GÖTZMANN: Es gibt einen Zwei-Drittel-Rückgang vom ersten zum zweiten Jahr der Pandemie. Von ehemals 30 000 Jahresbesuchern verzeichneten wir 2021 noch 10 500. Seit November 2020 hatten wir insgesamt sieben Monate durchgehend geschlossen.

Digitalität wird da wichtiger denn je. Wie ist das Museum hier weitergekommen – trotz Abwesenheit einiger Mitarbeiter:innen, die beim Gesundheitsamt aushalfen? Paradoxerweise waren das gerade die, die an der Digitalisierung arbeiten sollen.

GÖTZMANN: Das Gesundheitsamt haben wir weiterhin unterstützt, und wir tun das auch aktuell. Dennoch haben wir im digitalen Bereich 2021 gute Resultate vorweisen können. Wir haben geschaut, was wir gerade in Hinblick auf Langfristigkeit tun können. In der Sammlungsarbeit in den Depots haben wir zum Beispiel mit 13.500 Sammlungseinträgen in die digitale Datenbank eine Verdopplung im Kernbereich der Sammlungserfassung erzielt. Das ist gerade in Hinblick auf die neue ständige Ausstellung ein ganz wichtiges Thema. Dann gab es die Aktion „Mein Brief an Potsdam“, die in Zeitzeugen-Interviews mündete. Die Interviews sind als Filmprojekt entstanden, später wurde daraus ein Buch. Durch eine Förderung des MWFK konnten wir einen so großen Nachlass wie jenen von Werner Taag mit 1500 Filmen in der Aufarbeitung einen großen Schritt voranbringen. Der Fokus ist stärker von den Sonderausstellungen zur musealen Kernarbeit gerückt. 

Birgit-Katharine Seemann ist seit 2006 Leiterin des Fachbereichs Kultur und Museum der Stadt Potsdam.
Birgit-Katharine Seemann ist seit 2006 Leiterin des Fachbereichs Kultur und Museum der Stadt Potsdam.

© Andreas Klaer

Fünf von 18 Museumsmitarbeiter:innen halfen 2021 wegen der Pandemie im Gesundheitsamt aus, jetzt sind es noch zwei. Gleichzeitig soll sich das Museum über eine neue Dauerausstellung neu erfinden. Ein Widerspruch?

SEEMANN: Wir sind mitten in einer Pandemie. Es geht um Daseinsvorsorge und darum, dass die Infrastruktur funktioniert. Die Bürger:innen der Stadt müssen bestmöglich geschützt werden, zum Beispiel, indem Infektionsketten verfolgt und die Betroffenen informiert werden. Da hat die Kommune eine Aufgabe, die sie mit Priorität verfolgen muss. Natürlich kann man sich fragen: Wo zieht man die Mitarbeiter ab? Aber wollen Sie den Bürgerservice schwächen? Sie haben, zugespitzt formuliert, nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. 

2028 soll das Museum das langersehnte neue Depot bekommen. Steht der Termin noch – und wird es ein Zwischendepot geben?

SEEMANN: Die kurze Antwort heißt: Nein. Das Zwischendepot, das durch den KIS angemietet werden sollte, wird nicht in die Nutzung gehen, weil der Vertrag nicht zustande gekommen ist. Das heißt, dass Prozesse im Potsdam Museum und auch im Naturkundemuseum angepasst werden müssen. Der KIS ist nun mit Hochdruck dabei, nach einem in Frage kommenden Zwischendepot zu suchen. Diese Nachricht erreichte uns als Hiobsbotschaft zu Jahresbeginn. 

Was bedeutet diese neuerliche Wendung für Sie als Museumsleiterin?

GÖTZMANN: Bei uns laufen die Arbeiten weiter. Für ein so großes Projekt wie dieses war klar, dass wir mit einer Generalinventur an den Start gehen. Auch wenn der Standort wieder vakant ist, werden wir unsere Arbeiten jetzt nicht ausbremsen. Die Kompletterfassung der Sammlung geht parallel weiter. Die Ausschreibung für den Sammlungskonservator, der den Prozess begleiten soll, geht im Februar raus. Für jedes der 270 000 Objekte gilt es, beispielsweise den Versicherungswert und die Empfindlichkeitsklasse zu überprüfen sowie die Verpackungsart zu bestimmen. Das wird uns das gesamte Jahr 2022 begleiten. Wir halten an der Perspektive fest, 2028 ins Dauerdepot umziehen zu können – und tun von unserer Seite das Bestmögliche an Vorbereitung.

2019 beleuchtete das Museum in einer Sonderausstellung die Jahre der Weimarer Republik und der beginnenden NS-Zeit in Potsdam.
2019 beleuchtete das Museum in einer Sonderausstellung die Jahre der Weimarer Republik und der beginnenden NS-Zeit in Potsdam.

© Ottmar Winter

Warum muss überhaupt der Schritt ins Zwischendepot erfolgen?

SEEMANN: Es gibt Pläne, den Standort auf Hermannswerder und andere Standorte zu verkaufen, damit die Pläne für das Depot finanzierbar sind. Was in den nächsten Jahren wichtig für die Ausstellungspolitik von Potsdam Museum und Naturkundemuseum sein wird: Man wird sich weniger auf Sonderausstellungen konzentrieren können und dafür mehr mit der Sammlung auseinandersetzen.  GÖTZMANN: Die Frage nach den personellen und finanziellen Ressourcen spielt künftig eine zentrale Rolle. Die Suche nach Kooperationspartnern wird für uns wichtiger. Wir haben nur eine Historikerin und einen Stadthistoriker am Haus. Die können nicht gleichzeitig die Sammlungsvorbereitungen und den Depotumzug machen und auch noch stadt- und kulturgeschichtliche Projekte stemmen. Vor dem Hintergrund wird das BMBF-Projekt „Stadtwende. Bürgergruppen gegen den Altstadtverfall in der DDR“, mit dem wir im Dezember an den Start gehen, richtungsweisend für uns.

Inwiefern ist das Projekt richtungsweisend?

GÖTZMANN: Das ist eine Kooperation zwischen der Technischen Universität Kaiserslautern, dem Leibniz-Institut für raumbezogene Sozialforschung in Erkner, der Universität Kassel und der Bauhaus-Universität Weimar. Die Ausstellung wird extern als Basis- und Stadtmodul kuratiert, und wir beteiligen uns mit unserer Expertise der Sammlung nur inhaltlich an dem Potsdam-spezifischen Modul. Um derartige Kooperationen werden wir uns weiter bemühen.

Die Devise ist also: weniger Sonderausstellungen. Gleichzeitig hieß es von der Kulturbeigeordneten, dass im Potsdam Museum künftig mehr auf die Erträge geschaut werden müsse. Wie geht das zusammen?

SEEMANN: Wir sprechen vom Jahr 2022 – der Doppelhaushalt 2023/24 wird ja erst noch verhandelt werden, und für dieses Jahr hatten wir ursprünglich weniger Budget im Fachbereich Kultur und Museum geplant. Wir konnten aber den Kämmerer mit ins Boot holen und eine für das Potsdam Museum recht komfortable Lage schaffen: Es ist uns nun möglich, auf Haushaltsreste vom Vorjahr zurückzugreifen. Das war zunächst nicht abzusehen und ist eine große Erleichterung. So wird für das Museum 2022 im Haushaltsplan zwar 128.900 Euro weniger an Aufwendungen ausgewiesen, die Bedarfe des Museums können aber trotzdem gedeckt werden – durch Restmittel aus dem Jahr 2021.

Der Kämmerer sagt, künftig solle sich der Haushalt mehr am Ist-Zustand, weniger an Planzahlen orientieren. Da im Moment stets weniger realisiert werden kann als geplant – droht den Museen nicht dauerhaft eine Kürzung in den Zuwendungen?

SEEMANN: So habe ich Herrn Exner nicht verstanden, sondern genau andersherum – der Kultur gegenüber sehr aufgeschlossen. Beim Nikolaisaal und beim Hans Otto Theater konnten für dieses Haushaltsjahr trotz der schwierigen Lage Aufwüchse erzielt werden. Man wird zum Zeitpunkt X eine reale Rechnung aufmachen müssen, um den Kulturhaushalt entsprechend zu verhandeln.

GÖTZMANN: Gerade für die Jahre 2023/24 wird eine solide, stabile Finanzierung für die ständige Ausstellung sehr wichtig sein. Da wird dann ein größeres Volumen benötigt.

Die größte Baustelle: der lange geforderte Platz für lokale Kunst. Zu den Optionen, hier am Alten Markt einen Anbau zu stemmen oder sich im Kreativquartier einzumieten, ist nun eine dritte gekommen: Platz im geplanten „Haus der Demokratie“. Was ist für Sie, Stand heute, die plausibelste Idee?

SEEMANN: Am 26. Januar wird es einen Grundsatzbeschluss der Stadtverordneten zur weiteren Entwicklung an der Plantage geben. Da bin ich sehr optimistisch, dass es auch Möglichkeiten für das Potsdam Museum geben wird. Stand heute scheint mir das die plausibelste Variante zu sein. An den Anbau glaube ich weniger.  GÖTZMANN: Nach dem vorliegenden Nutzungskonzept für das Areal der Plantage ist die Einbindung des Potsdam Museums als zentrale Kultureinrichtung der Stadt eine Grundvoraussetzung. Wir sehen in dem möglichen neuen Standort eine sehr gute Chance für unser Museum im Hinblick auf eine Erweiterung. Ich glaube, dass wir an dem Standort wichtige Impulse für die Zukunft der Stadt setzen könnten. Wie eine weitere Ausrichtung aussehen wird, steht noch bevor.

Aber was vom Museum wäre an der Plantage dann zu sehen? Eine Auseinandersetzung mit Geschichte und Demokratie – oder doch Kunst?

GÖTZMANN: Von unserer Seite herrscht da totale Offenheit. Wir können uns sowohl eine Impulssetzung in Form der stadtgeschichtlichen Abteilung vorstellen als auch eine Einbindung der Kunstsammlung. Es ist angedacht, das in AGs stärker auszudiskutieren, da wollen wir uns gern aktiv einbringen.

Wie ermüdend ist es eigentlich für Sie als Museumsleiterin, in der Erweiterungsdebatte so enorm flexibel sein zu müssen?

GÖTZMANN: Ich finde es viel wichtiger, dass die Diskussion um den Erweiterungsbau nicht zum Erliegen kommt. Die langfristige Perspektive für das Haus in der Erweiterung der Präsentations- und Ausstellungsflächen und in der Depotfrage ist uns wichtiger als jede Sonderausstellung. 

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2022 wird spannend für Potsdam: Das Museum Minsk eröffnet, das HBPG zeigt seine neue Dauerausstellung. Wie wird das Potsdam Museum sich behaupten?

GÖTZMANN: Das Schöne ist, dass wir mit allen Museumsleiterinnen in gutem Austausch stehen, es gibt regelmäßige Abstimmungsrunden, um sich zu koordinieren, aber auch um das eigene Profil zu schärfen. Wir haben dort festgehalten, dass wir an einer engeren Netzstruktur interessiert sind, gerade hier im Zentrum - ob das nun in Form von Events ist oder einer größeren Sichtbarkeit im Stadtgebiet. Auch beim Thema Digitalisierung wollen wir häuserübergreifen näher zusammenrücken – oder beim Thema Klima.

Frau Seemann, wird Ihnen manchmal angst und bange, wenn Sie sehen, mit welcher finanziellen Power die privaten Player in Potsdam auftreten?
SEEMANN: Eigentlich nicht. Wenn ich mir überlege, was auch durch diese Player für ein Publikum in die Stadt kommt, denke ich: Das Potenzial müssen wir doch für uns nutzen können. Außerdem sehe ich uns weniger als Konkurrenten, sondern als eigenständige Institutionen mit der entsprechenden Identität. Das Potsdam Museum mag weniger Ressourcen zur Verfügung haben, aber es hat jede Menge zu bieten. Für die Zukunft wünsche ich mir viele Kooperationsprojekte. Die Stadt hat durch die neuen Kultur-Akteure wirklich enorm gewonnen. Die Frage muss daher lauten: Was haben wir für gemeinsame Themen und wie bringen wir die zum Nutzen aller nach vorn?

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