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Das Waschhaus Potsdam hat seine Chance auf den Sommer genutzt und einen Openairbetrieb unter Corona-Bedingungen begonnen. 

© oto: Manfred Thomas

Waschhaus Potsdam eröffnet seine Corona-Saison: Fast wie immer

Poetry Slam und großes Kino: Nach drei Monaten Pandemiepause startete auch das Waschhaus jetzt wieder sein Programm - und zwar als Open Air.

Potsdam - Tobias Marten ist kein Mann großer Gesten. Falls der Veranstaltungsplaner vom Waschhaus aufgeregt ist, dann kann man das nur zwischen den Zeilen lesen. Am Mittwochabend sitzt er mit Blick auf eine große Leinwand vorm Waschhaus, es ist die erste Veranstaltung seit Monaten, erst Poetry Slam, dann, in Kooperation mit dem Babelsberer Thalia, Kino. Im Waschhaus war man wie auch in allen Kultur- und Konzertorten eiskalt vom Virus erwischt worden. „Wir hatten nur die Chance auf den Sommer“, sagt Marten. Und das klingt nicht mal resigniert. 

Der Sommer ist jetzt da, und die Beschränkungen wurden mittlerweile so weit gelockert, dass am Mittwochabend der Open-Air-Betrieb wiederaufgenommen wurde. „Havel Slam“ hieß es, zum 79. Mal im Waschhaus. Zum ersten Mal jedoch unter „pandemischen Bedingungen“, wie „Havel Slam“-Moderator TemyeTesfu immer wieder betonte. Poetry Slam, dieser literarische Kurzbeitragswettbewerb, der sonst immer in intimer Atmosphäre im oberen Saal des Waschhaus stattfand, wo man sich ganz nah beieinander in Stimmung johlte, bis die Siegerin oder der Sieger feststand. Kaum vorstellbar heutzutage.

Poet Aron Boks beim ersten Havelslam, das im Waschhaus Open Air stattfand.
Poet Aron Boks beim ersten Havelslam, das im Waschhaus Open Air stattfand.

© Manfred Thomas

Als plötzlich nichts mehr ging

„Auf einmal ging nichts mehr“, erinnert sich Tobias Marten an die Zeit Mitte März. Was nun, die Konzerte absagen? „Das geht erst, wenn sie behördlich verboten werden.“ Dann sei es höhere Gewalt; sonst hätten die vereinbarten Gagen gezahlt werden müssen. Das Verbot kam, und die Beschäftigten im Waschhaus kamen in Kurzarbeit. Doch es ging nicht einfach das Licht aus, es wurde an Hygienekonzepten getüftelt. „Den ganzen Tag habe ich Verordnungen gelesen“, erzählt Marten. Jetzt wisse er etwa, dass der behördliche Abstand zu einem Blechbläser sechs Meter betrage. Ein Virus aus der Posaune kommt weit.

Am Mittwoch steht dann nicht nur das fertige Hygienekonzept, sondern auch die Stühle stehen mit Abstand und in Zweiergruppen. Es gibt Desinfektionsmittel, eine Maskenpflicht am Eingang und auf den Toiletten. Ansonsten war es bei bestem Wetter eigentlich fast wie immer: Johannes Berger eröffnete als YUNUS den Slam, Hip-Hop mit Violine, endlich ein Konzertgefühl. TanasgolSabbagh zentrierte die Sprache auf das Objekt der Zunge, besser wurde Sprachlosigkeit noch nie ins Lyrische gebracht.

Viel zum Lachen, viel zum Staunen - und wenig Corona-Themen

Noah Kraus zerpflückte die Notwendigkeit von Anglizismen, indem er sich auf den ältesten Sprachpuristen Philipp von Zesen berief, dessen Intention er kurzerhand ins Heutige kopierte. Da wurde aus „Elevator Pitch" Paternosterpräsentation, und aus Ecstasy „Launegut“. Jacinta Nandi verpackte die Beschwerde ihrer Mutter gleich in den Titel: „Du bist so deutsch geworden!“ Das passt natürlich herrlich zu ihrem britischen Akzent. Und Aron Boks sorgte mit seiner auswendig gelernten Version seiner Hommage an die U-Bahnlinie 8 für erstaunlich lyrischen Tiefgang. 

Was noch auffällt: erstaunlich wenig Corona-Themen. Eigentlich kam das Thema explizit nur in Jacinta Nandis Erzählung über „Die Stasi-Tante“ vor. Das Finale gewann später übrigens Noah Klaus mit einer Geschichte über militante Fröhlichkeit, die er anhand von Max Maulwurf illustrierte. Viel zum Lachen, viel zum Staunen. Das Gefühl der Vertrautheit stellt sich dann doch schnell ein. Komische Zeiten.

Stühle auf Abstand, aber Zuhören ohne Masken: Das Waschhaus hat sich und sein Programm an die Corona-Auflagen angepasst. 
Stühle auf Abstand, aber Zuhören ohne Masken: Das Waschhaus hat sich und sein Programm an die Corona-Auflagen angepasst. 

© Manfred Thomas

Das traditionelle Open-Air-Kino im Waschhaus ist vorerst gerettet

Immerhin, das traditionelle Open-Air-Kino im Waschhaus ist vorerst gerettet, was wäre auch ein Sommer ohne. Fast jeden Abend läuft um 22 Uhr ein Film, aber auch Konzerte soll es geben, wenn auch nicht im gewohnten Rahmen: Zur Fête de la Musique am Sonntag, den 21. Juni etwa, aber es stehen auch zwei Konzerte mit der Kammerakademie an, das Live-Hörspiel „Frankenstein“ aus dem Rechenzentrum, zwei Tanzproduktionen von der OxymoronDance Company und einiges mehr.

„Für die lokale Kultur wird es trotzdem hart werden“, sagt Tobias Marten. „Ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Kulturprogramm wird superschwierig.“ Kleine Veranstaltungen wurden seit jeher mit großen querfinanziert, die großen Konzerte und Partys fallen jedoch vorerst aus. „Die Folgen der Pandemie werden noch ewig zu spüren sein.“ Aber immerhin gibt es Licht am Ende des Tunnels. 

Oliver Dietrich

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