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Das Synagogal-Ensemble Berlin sang  das von Heinrich Schalit geschriebene „In Ewigkeit“.

© promo

Vor dem Vergessen retten: Jüdisches Louis-Lewandowski-Festival in Potsdam eröffnet

Das Louis-Lewandowski-Festival für synagogale Musik findet derzeit in Berlin statt und wurde in der Potsdamer Nikolaikirche eröffnet.

Potsdam- Antisemitismus und Fremdenhass haben keinen Platz in Brandenburg. Das betonte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstagabend bei der Eröffnung des jüdischen Louis-Lewandowski-Festivals für synagogale Musik in der Potsdamer St. Nikolaikirche. „Zu uns gehören auch jüdisches Leben und jüdische Kultur“, sagte er weiter. Ein wichtiges Statement auch deshalb, weil am gleichen Abend vor der Nikolaikirche die AfD zum sogenannten „Weihnachtssingen“ auf dem Alten Markt geladen hatte. Hunderte Potsdamer erhoben wie berichtet ihre Stimme dagegen.

Die zahlreichen Besucher, die sich in der St. Nikolaikirche versammelten, machten trotzdem einen entspannten Eindruck. Sie freuten sich, dass Kantor Isaak Sheffer und die versammelten Chöre mit rund 150 Sängerinnen und Sängern aus Jerusalem, Boston und Berlin das jüdische Gebet „Ma towu“ anstimmten, in dem die Verehrung und Ehrfurcht für Synagogen und andere Kultstätten zum Ausdruck gebracht wird: „O wie schön sind deine Zelte.“

Das Festival findet seit 2011 statt

Vertont wurde der Text von Louis Lewandowski, der im 19. Jahrhundert in Berlin die synagogale Musik neu belebte und ihr einen größeren Stellenwert in der Liturgie gab. Er ist auch Namensgeber des seit 2011 veranstalteten Festivals, das mithelfen will, die traditionelle Musik der Synagogen, die Gesänge und Gebete, vor dem Vergessen zu bewahren. Zwar ist dies das vornehmste Anliegen des Musikfestivals, doch auch die engen Verbindungen zur romantischen christlichen sowie zur sogenannten klassischen Musik sollen aufgezeigt werden. Die Namen von Komponisten wie Louis Lewandowski und Salomon Sulzer rücken nach und nach immer stärker in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit.

Zum zweiten Mal fand das Eröffnungskonzert des Louis-Lewandowski-Festivals für synagogale Musik in der St. Nikolaikirche statt. Woidke fungiert neben dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller (beide SPD) als Schirmherr. Er wünsche sich, dass das Lewandowski-Festival auch in den kommenden Jahren in Potsdam zu Gast sein kann.

Musikalische Schätze

Im Festivalprogramm, das in diesem Jahr einen Blick in süddeutsche Regionen wirft, sind Werke zu entdecken, die sich teilweise als musikalische Schätze entpuppen. Ihre Komponisten Heinrich Schalit und Hugo Adler integrierten in die traditionellen Chor- und Orchestersätze neue Elemente, die sich auch an der Musik Arnold Schönbergs orientieren. Schalit und Adler, die als Kantoren und Komponisten in Wien beziehungsweise in Mannheim wirkten, entkamen der nationalsozialistischen Verfolgung durch Flucht in die USA.

Heinrich Schalits 1929 geschriebener Hymnus „In Ewigkeit“, in dem sich ein fünfstimmiger Chor, Harfe, Orgel und Violinen vereinigen, ist ein atmosphärisch dichtes und hellleuchtendes Stück, das von besonderer Faszination ist. Das Synagogal-Ensemble Berlin betonte unter der Leitung von Regina Yantian Schalits die emotionale Seite des Werkes, so dass einzelne Sängerinnen und Sänger versucht waren, die Homogenität des Klanges zu durchbrechen. Als Partner des Chores waren Mitglieder der Berliner Symphoniker mit von der Partie, die sehr sensibel den Orchestersatz in Klang setzten. Auch in der Lehrkantate „Balak und Bilam“ war ihre Musizierkunst gefordert. 

Eine lohnende Begegnung

Nun gesellten sich zu ihnen neben den Gesangssolisten, dem Sprecher der Jerusalem Academy Chamber Choir, die Zamir Chorale of Boston und das Synagogal Ensemble Berlin. Alle waren mit großem Engagement bei der Sache. Das Werk dirigierte die sehr umsichtige Evelyn Freeman Brown aus den USA. In den Lehrkantaten Adlers werden biblische Geschichten und Persönlichkeiten musikalisch vorgestellt. Adler verdichtete die Erzählung eher im lyrischen als im geschärften harmonischen Tonfall. Somit vermisste man an manchen Stellen eine Farbigkeit, die das Werk noch spannender gemacht hätte. Insgesamt bot das Eröffnungskonzert in der St. Nikolaikirche eine sehr lohnende Begegnung mit synagogaler Musik. 

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