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Dominik Graf nimmt den Filmpreis Clio für "Fabian oder der Gang vor die Hunde" im Filmmuseum Potsdam entgegen.

© Manfred Thomas

Verleihung der Clio an Dominik Graf: Ein Besessener

Zum vierten Mal wurde der Potsdamer Filmpreis Clio vergeben. Erhalten hat ihn Dominik Graf, der in "Fabian" nicht zeigen will, wie die Weimarer Republik war - sondern wie sie gewesen sein könnte.

Potsdam - Wer die Vermutung hegt, so ein Filmpreis für den "besten Film mit einem historischen Thema" könne eine trockene, womöglich sogar verstaubte Angelegenheit sein, sollte den diesjährigen Gewinnerfilm sehen. Preisträger der "Clio 2021" ist Dominik Grafs Kästner-Adaption "Fabian", der auf der Berlinale seine Premiere feierte und schon dort als Meisterwerk gefeiert wurde. 

"Fabian", ein rauschhafter Spaziergang durch das Berlin der frühen 1930er Jahre mit Tom Schilling in der Hauptrolle, ist aus vielen Gründen unbedingt sehenswert. Den für die Potsdamer Auszeichnung vielleicht zwingendsten brachte der Regisseur Michael Klier in seiner Laudatio auf den Punkt. Dominik Graf, sagte Klier am Freitag (24.9.) zur Verleihung im Filmmuseum, habe keine Angst, sich dreckig zu machen. Seine Filme haben keine Berührungsängste, keine Angst vor Subjektivität.

Ein Gefühl des Taumels

Dominik Grafs Film ist also zweifellos ein Film "mit einem historischen Thema", baut en passant Bezüge zur Weimarer Republik ein, die Geschichtsbüchern entstammen könnten (Zeitungsseiten, Filmmaterial). Und doch ist der akute Eindruck beim Wiederauftauchen aus den drei Stunden dieses Films: ein Gefühl vom Geschwindigkeit und Taumel. Ein Gefühl, wie die Menschen damals diesen vielbeschriebenen Tanz auf dem Vulkan, der die Weimarer Republik war, erlebt haben könnten.

Dass hier Vergangenheit im Konjunktiv steht: kein Zufall, sondern Grafs zentrales Anliegen. Der Preisträger nahm den Preis im Filmmuseum selbst entgegen - beileibe nicht sein erster Besuch hier, wie er nebenbei sagte. "Eine Festlegung von Vergangenheit hat mich immer schon gestört", sagte er in seiner Dankesrede. Was er am wenigsten wolle: "Storys, die den Leuten bestätigen, was sie ohnehin schon wissen." "Fabian" erhebe keinen Anspruch, zu zeigen, wie es damals wirklich war. Es gehe darum, eine Möglichkeit aufzuzeigen: "Es könnte so gewesen sein."

Tom Schilling als "Fabian" in dem Film von Dominik Graf.
Tom Schilling als "Fabian" in dem Film von Dominik Graf.

© Promo

Wo Geschichte wie Lava aus dem Boden tritt

Filmisch bedient sich "Fabian" verschiedenster Bildsprachen, gedreht wurde unter anderem mit Super8-Kamera. Die Kamera kommt lange Zeit gar nicht zur Ruhe, nähert sich anfangs wie einem Sog folgend der Vergangenheit durch einen Berliner U-Bahnhof mit Passanten von heute. 

"In Deutschland tritt Geschichte aus dem Boden wie Lava", sagte Graf im Filmmuseum auch. "Davon muss man sich als Filmemacher irgendwie ein Bild machen." "Fabian" hat dafür ein einprägsames Bild gefunden: in einer Szene sind unter den Füßen derer, die von dem zweiten Weltkrieg noch nichts wissen können, die Stolpersteine zu sehen, die später an ihn erinnern werden. 

Das Team von "Fabian": Constantin Lieb (Drehbuch), Dominik Graf (Regie), Felix von Boehm (Produzent) und Hanno Lentz (Kamera).
Das Team von "Fabian": Constantin Lieb (Drehbuch), Dominik Graf (Regie), Felix von Boehm (Produzent) und Hanno Lentz (Kamera).

© Manfred Thomas

Gedreht wurde "Fabian" in nur 34 Drehtagen, unter anderem in den Filmstudios Babelsberg. Dominik Graf sei wie Rainer Werner Fassbinder, Pier Paolo Pasolini, wie Truffaut und Jean-Luc Godard ein Besessener, Getriebener sagte Michael Klier in seiner Laudatio. "Bei dir geht es ruckzuck." 

In "Fabian" übersetzt sich das trotz der Schwere des Themas, trotz tragischer Figuren und dräuendem Faschismus, in eine ungemeine Leichtigkeit. Eine Qualität, die Klier "französisch" nennt und Dominik Graf in die Nähe der großen Vorbilder der Nouvelle Vague rückt. Und natürlich auch in die des Autors Erich Kästner. Wenn sein Protagonist ertrinkt, lässt er ihn nur ein lapidares Wort denken. "Hoppla."

Vier Preise, aber nur zwei Festivalausgaben

Nach "Die Blumen von gestern" (2017), "Kulenkampffs Schuhe" (2019) und "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" (2020) war dies die vierte "Clio", die das Potsdamer Festival Moving History vergeben konnte. Erstmals wurde der mit 5000 Euro dotierte Preis von der Landeshauptstadt Potsdam gestiftet. 

"Er sollte jährlich vergeben werden", betonte Oberbürgermeister Mike Schubert, der zugleich Schirmherr des Festivals ist. Er verwies stolz auf den Titel der Unesco Creative City of Film, den die Stadt seit 2019 trägt. Das Festival selbst jedoch hat bisher nur zweimal stattfinden können: Finanzierungsprobleme. Eine Filmstadt, die sich nicht nur auf den Lorbeeren des Gestern ausruhen will, wird das künftig nicht auf sich sitzen lassen können.

"Fabian" läuft wieder am 3., 5., 8., 17. und 20. Oktober im Filmmuseum Potsdam

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