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Arbeit am Mythos. Minotaurus, mit kräftigem Pinselstrich gezeichnet von Angela Hampel.

© Kommunale Galerie

Verein der Berliner Künstlerinnen: Traumfetzten und Wollgespinst

Das Schiff segelt weiter. Eine Ausstellung in der Kommunalen Galerie zum 150-jährigen Bestehen des Vereins der Berliner Künstlerinnen.

Zwischen dicken Plexiglasscheiben klemmt ungesponnene Schafwolle: Rohstoff für Gewebe, Netze, Fallstricke, Wärmendes. Oder Symbolmaterial zum Weiterspinnen. Den Mythos vom Goldenen Vlies nimmt Silvia Klara Breitwieser in ihrer schon vor 30 Jahren entstandenen Installation zur antiken Argonautensage zum Ausgangspunkt, Alltagsfundstücke zwischen Hightech und Lowtech zu befragen. Computerplatine, Torfstück, Eisenschraube, Wollgespinst: Wie entsteht geistiger Mehrwert? Die Gedanken nehmen Fahrt auf. Die Argonautin schifft sich ein und segelt weiter. Acht Positionen von Künstlerinnen versammelt die Ausstellung in der Kommunalen Galerie Berlin. Was sie eint: Sie sind Mitglieder des vor 150 Jahren gegründeten Vereins der Berliner Künstlerinnen. Das Jubiläum startete bereits mit einer Ausstellung zur historischen Standortbestimmung am ehemaligen Vereinsort in der Potsdamer Straße. Jetzt wird die Spur der Gegenwart aufgenommen. Spinnt sich ein roter Faden?

Auch die 1956 geborene Angela Hampel arbeitet am Mythos. Den Minotauros imaginiert sie als dunkelhäutigen Vertreter des männlichen Eros mit einer weißen Gespielin im festen Griff. Hampels kräftigen Pinselstrich, ihre charakteristischen Figuren erkennt man sofort. Bei Karla Woisnitza, gleich daneben, löst sich malerischer Duktus in amorphe Spuren auf. Zu Sibelius-Kompositionen tupfte sie lockere Notate auf meterlange Rollbilder. Das Format suggeriert Lesbarkeit, verweigert sie flugs. „Matsch zu Matsch“ nennt die eine Generation jüngere Franziska Klotz ihre gegenstandslosen Farbschichtungen auf großer Leinwand. Mitten hinein setzt sie einen klar umrissenen Oktaeder: Prüfstein einer männlich geprägten Kunstgeschichte. Denn über genau so einen geometrisch geformten Klotz brütet Dürers berühmte „Melancholia“ in Denkerpose und lieferte damit ihrerseits Stoff zum Nachsinnen für Generationen von Kunsthistorikern.

Gute Winde, widrige Winde?

Nicht die Vergangenheit, sondern fernere Weltregionen peilen die Arbeiten der in Bangladesh geborenen Murshida Arzu Alpana an. Ihre kleinen Leinwände fassen wie Traumfetzen in gedämpftem Violett, Grünblau und Gelb abbreviaturhafte Landschaften, Figuren, Schriftzeichen. Tatsächlich aufs Schiff stieg die Fotokünstlerin Gisela Weimann für ihre Istanbul-Arbeit. Zwischen Orient und Okzident manövrierend cruiste sie mit der Fähre zwischen beiden Ufern der Stadt hin und her. Mit trickreich eingeschalteten Spiegeln überblendet sie die Fronten in ihrer Installation. Momentaufnahmen aus dem Straßenleben Istanbuls gruppierte sie als Rahmen um eine leere Mitte: Das Bild selbst muss sich sowieso im Geist der Betrachterin, des Betrachters formen.

2010 stand der traditionsreiche Künstlerinnenverein am Rande seiner Auflösung, auf nur noch 11 Mitglieder geschrumpft. Mittlerweile wächst die Assoziation wieder. Man befinde sich im Umbruch, meint Vorsitzende Ute von Hardenberg. Networking ist gefragt. Das Schiff segelt weiter, offener Horizont. Gute Winde, widrige Winde? Zunächst wird gesichtet, was ist: Im Herbst werden zwei weitere Ausstellungen das Schaffen der Mitstreiterinnen zeigen. Der Status quo soll zugleich Sprungbrett in die Zukunft sein: „Fortsetzung jetzt!“ heißt die Ausstellung.

Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, bis 30. April; Di bis Fr 10–17 Uhr, Mi 10–19 Uhr, So 11-–17 Uhr. Parallel noch bis 24. März: „Fortsetzung folgt! 90 Positionen von historischen Vereinskünstlerinnen“, Camaro Stiftung, Potsdamer Straße 98A

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