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Kultur: Unbequeme Wahrheiten

Expertengespräch zu Al Gores Klima-Film im Thalia-Kino

Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore tingelt seit Jahren mit einer Multimediapräsentation über den Treibhauseffekt um die Welt. Ein Dokumentarfilm soll nun das Herzensanliegen von Gore einem Kinopublikum in aller Welt vermitteln. „Eine unbequeme Wahrheit“ avancierte in den USA zum dritterfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten (PNN berichteten). Das Thalia-Arthousekino in Babelsberg zeigte vergangenen Freitag den Film mit einer anschließenden Podiumsdiskussion. Film und Expertengespräch wurden vom Publikum interessiert aufgenommen. Die großen Zuschauerströme bleiben jedoch bisher aus.

Über Filmsprache lässt sich streiten. Jedoch einen wissenschaftlichen Diavortrag derart lebendig ins Medium Film zu übertragen, ist der große Verdienst des Regisseurs Davis Guggenheim. Dabei werden Gore und Guggenheim dem hohen Anspruch des Filmes vollends gerecht, aufzurütteln und zu unterhalten, jedoch nie die klare Argumentationslinie zu verlieren. Der 58-jährige Gore mutet dem Publikum eine Menge Zahlen und Grafiken zu, zitiert aus Fachveröffentlichungen und benutzt nicht selten Fachchinesisch. Doch das Konzept geht auf. Wenn Gore beispielsweise mit einer Hebebühne am Diagramm der explosionsartig gestiegenen Kohlendioxid-Emissionen hinauffährt, dann reagiert das Publikum geschockt und amüsiert zugleich.

Al Gores Perspektive auf den Kampf gegen den Treibhauseffekt in „Eine unbequeme Wahrheit“ ist eine US-amerikanische. Nicht zu Unrecht. Die USA, weltweit größter Emissionär von Kohlendioxid, hat das „Kyoto-Protokoll“ zur CO2-Senkung nicht unterschrieben. Für die Bush-Regierung und die Erdöl-Lobby ist Klimaschutz ein rotes Tuch. Gore erhebt Umweltschutz deshalb zur moralischen Frage. Sein persönliches Schicksal, in gefühlsduseligen Sequenzen aus dem Privatleben erzählt, wird mit einer Sendungsbotschaft an die amerikanische Nation garniert. Das klingt für europäische Ohren pathetisch, macht aber auch Hoffnung auf ein „anderes“ Amerika. „Politischer Wille ist bekanntlich eine erneuerbare Energie in den USA“, zeigt Al Gore die Richtung an. Und der Zuschauer fragt sich, ob er nun vielleicht doch nochmal fürs Amt des Präsidenten kandidieren wird.

Das Thalia-Publikum versah „Eine unbequeme Wahrheit“ mit dankbarem Beifall. Eine Zuschauerin lobte den Unterhaltungswert des Filmes, fand ihn jedoch an manchen Stellen zu wissenschaftlich. „Er eignet sich auf jeden Fall sehr gut als Lehrmaterial an Schulen und Hochschulen“, so ihr Urteil. In dem von Christiane Niewald anmoderierten Panel entfachte sich eine lebhafte Diskussion zwischen Experten und Publikum. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe, Meteorologe am Potsdam Institut für Klimaforschung, wies daraufhin, dass in den USA in diesen Tagen ein Umdenken in Sachen Klimaschutz stattfände. Der Film, so Gerstengarbe, untertreibe jedoch noch in seinen Prognosen.

Wissenschaftsjournalist Klaus Oberzig wusste von laufenden Projekten im „Silicon-Valley“ Kaliforniens, Technologien für erneuerbare Energien in den USA zu entwickeln. Matthias Seiche, Klimaexperte des BUND, erhofft sich von dem Film eine Aufbruchstimmung sowohl in der Politik als auch beim Bürger. Klaus Rietz vom Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung unterstrich immer wieder die Errungenschaften in punkto Umweltschutz im Land Brandenburg der letzten 16 Jahre.

Dass der Filmsaal „2“ am Freitag mit rund 80 Besuchern halb voll war, verbuchte Thalia-Mitarbeiterin Daniela Zuklic als Erfolg. „Der Film ist uns ein wichtiges Anliegen, damit verdienen wir kein Geld“, so Zuklic. Generell würde der Film aber nur wenige Zuschauer anziehen, trotz straker Werbung. Zuklic ärgert sich: „Umweltfilme locken in Deutschland keine Massen in die Kinos.“ Auch das eine unbequeme Wahrheit. Eik Dödtmann

Eik Dödtmann

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